Weiter als der Ozean. Carrie Turansky
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Weiter als der Ozean - Carrie Turansky страница 15

Название: Weiter als der Ozean

Автор: Carrie Turansky

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783961224623

isbn:

СКАЧАТЬ fiel. Diese Frau hatte kein Recht, sie so zu behandeln. Sie dachte an die Worte, die sie Mrs Palmer gern an den Kopf geworfen hätte. Aber als sie zwanzig Schritte gegangen war, war ihr Ärger verraucht. Ein eigensinniger Kloß bildete sich in ihrer Kehle, und ihr schossen Tränen in die Augen.

      Wohin sollte sie jetzt gehen? Seit ihr Vater gestorben war und sie in diesen Stadtteil gezogen waren, hatten sie den Kontakt zu fast allen ihrer alten Freunden verloren. Sie hatte nur wenige Monate hier gewohnt, bevor sie die Stelle als Dienstbotin angenommen hatte. Wer würde ihr helfen?

      Andrew Frasier kam ihr in den Sinn, aber der war auf Bolton und würde erst Anfang nächster Woche nach London zurückkehren. Wenn sie eine Lösung finden wollte, musste sie ihre rasenden Gedanken beruhigen und logisch nachdenken. Es gab doch sicher jemanden, der Mitleid mit ihr hatte und sie bei sich schlafen ließ, während sie ihrer Mutter und ihren Geschwistern half.

      Mrs Grahams Brief kam ihr in den Sinn. Vielleicht hatte die Freundin ihrer Mutter mehr Mitgefühl als Mrs Palmer. Laura brach in die Richtung auf, in der die Grahams wohnten. Aber bei jedem Schritt musste sie gegen ihre Verzweiflung ankämpfen.

      Fünf Minuten später klopfte sie an die Tür der Grahams und hielt den Atem an. Wenn Mrs Graham sie wegschickte, müsste sie auf den Stufen vor der Kirche oder auf einer Parkbank schlafen. Ein Schauer lief ihr über den Rücken, und sie strich unbehaglich über ihre Mantelärmel.

      Die Tür ging auf, und Jacob Graham stand vor ihr. Seine braunen Augen wurden groß, und ein Lächeln trat in sein Gesicht. „Laura! Was für eine Überraschung! Komm herein.“ Er trat zurück und zog die Tür weiter auf. „Gib mir deinen Koffer.“

      „Danke.“ Sie gab ihm den Koffer, und er stellte ihn gleich neben der Tür auf den Boden. „Ist deine Mutter zu Hause?“

      „Ja, sie ist in der Küche und kocht das Abendessen.“ Er betrachtete sie mit einem bewundernden Blick. „Es ist so schön, dich wiederzusehen, Laura.“

      „Danke. Es ist auch schön, dich wiederzusehen.“ Sie betrachtete Jacob als Freund, aber bevor sie weggegangen war und ihre Arbeitsstelle angetreten hatte, hatte sie das Gefühl gehabt, dass er sich mehr erhoffte. Diesen Gedanken verdrängte sie schnell. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, um sich über Jacobs Gefühle oder seine Absichten den Kopf zu zerbrechen. „Ich habe den Brief von deiner Mutter erhalten und bin so schnell wie möglich hergekommen. Ich war gerade im Krankenhaus.“

      „Wie geht es deiner Mutter?“

      „Sie sieht so blass und dünn aus, dass ich sie kaum erkannt habe. Aber sie hat nicht gehustet. Und sie sagt, dass sich ihr Zustand bessert.“

      „Das hat meine Mutter nach ihrem letzten Besuch auch gesagt. Es tut mir so leid, dass deine Mutter krank ist. Wir beten alle für sie.“

      „Danke. Das ist sehr nett von euch. Kann ich mit deiner Mutter sprechen?“

      „Natürlich. Komm mit.“ Er deutete auf den Gang hinter sich. „Sie ist gleich hier.“ Er führte Laura in die warme, dampfende Küche, in der seine Mutter am Herd stand und in einem großen Topf rührte.

      Mrs Graham drehte sich um, als Laura eintrat. „Laura, ich bin so froh, dass du gekommen bist!“ Sie wischte sich die Hände an ihrer Schürze ab, dann trat sie vor und umarmte Laura. Ihre Kleidung strömte den tröstenden Duft von Äpfeln und Zimt aus. Die Anspannung in Lauras Innerem löste sich ein wenig.

      Die liebevolle Umarmung und die herzliche Begrüßung schnürten Laura vor Rührung die Kehle zu.

      Mrs Graham trat zurück. „Warst du schon im Krankenhaus?“

      „Ja. Ich bin hineingekommen, obwohl die Besuchszeit vorbei war.“ Laura schilderte ihren Besuch bei ihrer Mutter und erklärte dann, was passiert war, als sie in die Schneiderei gegangen war und mit Mrs Palmer gesprochen hatte.

      Jacobs Gesicht rötete sich vor Zorn. „Wie konnte sie dich nur so herzlos behandeln?“

      Mrs Graham stieß ein leises Seufzen aus. „Ethel Palmer hat sich immer noch nicht vom Tod ihres Mannes und ihres kleinen Sohnes erholt. Sie ist wütend wegen der Vergangenheit und hat Angst vor der Zukunft. Deshalb sagt und tut sie leider manchmal Dinge, die lieblos und verletzend sind.“

      Jacob gab einen knurrenden Ton von sich. „Das ist keine Entschuldigung dafür, dass sie Laura aus der Wohnung ihrer Familie aussperrt.“

      „Nein, natürlich nicht. Aber wir wollen davon nicht unser Wiedersehen trüben lassen.“ Mrs Graham wandte sich an Laura. „Du kannst gern bei uns wohnen, wenn es dir nichts ausmacht, dir mit Sarah ein Bett zu teilen.“

      Eine große Erleichterung erfasste Laura. „Das macht mir überhaupt nichts aus. Vielen Dank.“

      „Das ist das Mindeste, was ich für die Tochter einer so lieben Freundin tun kann.“ Mrs Graham warf einen Blick hinter sich. „Wusstest du, dass sie mir diese Vorhänge genäht hat? Sind sie nicht hübsch? Sie hat mich nicht mal den Stoff zahlen lassen.“

      Laura betrachtete die zartgelben Vorhänge mit der Rüschenschabracke am Küchenfenster. Das sah ihrer Mutter ähnlich. Sie war so freundlich und großzügig und überlegte immer, wie sie ihre Gaben einsetzen konnte, um andere zu segnen, obwohl sie selbst so wenig hatte. Sie verdiente ein so viel besseres Leben als das, was sie tatsächlich hatte. Laura war entschlossen, einen Weg zu finden, um ihrer Mutter und ihren Geschwistern in Zukunft das Leben zu erleichtern.

      Jacob trat einen Schritt näher auf Laura zu. „Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Wir kümmern uns um dich, Laura.“ In seinem Blick lag mehr als nur nachbarschaftliche Freundlichkeit.

      Ihr stieg die Hitze in die Wangen, und sie lächelte flüchtig. Sie brauchte die Hilfe der Grahams, aber sie wollte Jacob keine falschen Hoffnungen machen. Er war ein netter junger Mann, aber sie konnte sich nicht vorstellen, dass sie je mehr als Freundschaft für ihn empfinden würde.

      4

      Andrew zog unauffällig die Uhr aus seiner Westentasche, öffnete sie unter dem Esstisch und schaute nach, wie spät es war. Er verkniff sich ein Seufzen und versuchte, sich auf das Gespräch am Tisch zu konzentrieren. Mit großer Anstrengung war es ihm gelungen, in der letzten Stunde einige höfliche Bemerkungen zum Gespräch beizutragen, aber er verlor allmählich die Geduld.

      Wenn sie endlich den letzten Gang des Menüs hinter sich bringen würden, könnte er sich entschuldigen und sich in die Bibliothek zurückziehen. Er würde den Rest des Abends viel lieber mit der aktuellen Ausgabe des Juristenjournals verbringen, als sich die Klagen von Tante Eloise über die Arthritis in ihren Knien oder die Einfallslosigkeit ihrer Hutmacherin anzuhören.

      Wenn nur seine Schwester Olivia mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern hier wäre! Sie beherrschte es immer gut, das Gespräch am Laufen zu halten. Aber so kurz nach der Geburt ihres jüngsten Sohnes hatten sie und ihr Mann beschlossen, dieses Jahr an Ostern lieber zu Hause zu bleiben, als die Familie in Bolton zu besuchen. Andrew bedauerte ihre Entscheidung.

      „Ich hoffe doch sehr, dass ihr für die Saison nach London kommt.“ Eloise tupfte ihren Mund mit der Serviette und ließ ihren Blick in die Runde wandern. „Die Sommerausstellung der Königlichen Akademie wird bald eröffnet.“

      Sein Vater schaute seine Schwester über den Tisch finster an. „Ich bin kein Anhänger von Kunstausstellungen und habe nicht vor, diese zu besuchen.“

      „Aber, George, СКАЧАТЬ