Weiter als der Ozean. Carrie Turansky
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Читать онлайн книгу Weiter als der Ozean - Carrie Turansky страница 18

Название: Weiter als der Ozean

Автор: Carrie Turansky

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783961224623

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      „Ich kann mich nicht erinnern, sie aufgenommen zu haben.“ Der Tonfall der Frau war kühl, ihre Worte waren knapp, und sie verzichtete auf ein Lächeln. „Ich muss nachsehen, ob sie hier wohnen.“ Sie zog ihre Schreibtischschublade auf und blätterte in mehreren Akten. Schließlich hielt sie inne und blickte auf. „Wir haben hier eine Katherine McAlister, vierzehn Jahre, und eine Grace McAlister, sieben Jahre.“

      Laura atmete erleichtert auf. „Ja, das sind meine Schwestern.“

      „Sie dürfen sich setzen.“ Die Frau nickte zu einem Stuhl vor ihrem Schreibtisch.

      Laura trat vor und sank auf den harten Holzstuhl.

      Die Heimleiterin legte die zwei Akten auf ihren Schreibtisch. Sie schlug die oberste auf und begann zu lesen. Ihr Stirnrunzeln vertiefte sich, je länger sie die Seite überflog.

      Laura faltete die Hände auf dem Schoß und bemühte sich, ruhig zu bleiben. Warum war die Miene dieser Frau so missbilligend? Was hatten ihre Schwestern angestellt? Katie hatte einen starken Willen und scheute sich nicht, ihre Meinung zu äußern, aber Laura konnte sich nicht vorstellen, dass sie sich widerspenstig benahm, und ganz gewiss nicht an einem solchen einschüchternden Ort.

      Die Heimleiterin hob den Blick. „Ein Besuch bei Ihren Schwestern ist leider nicht möglich.“

      Laura blinzelte. „Was? Warum nicht?“

      „Katherine und Grace sind erst seit Kurzem in Grangeford. Für einen Familienbesuch ist es zu früh. Das würde die beiden nur aufregen.“

      „Aber ich bin den weiten Weg aus St. Albans mit dem Zug hergekommen. Unsere Mutter liegt im Krankenhaus, und ich muss ihr berichten, wie es meinen Schwestern geht.“

      Die Heimleiterin überflog die Akte ein zweites Mal. „Ihre Schwestern tun sich schwer, sich an die Tagesabläufe im Heim zu gewöhnen. Ein Besuch von einem Familienangehörigen würde sie nur beunruhigen und die wenigen Fortschritte, die wir erreicht haben, zunichtemachen.“

      Laura beugte sich vor. „Ich stehe meinen Schwestern sehr nahe. Mein Besuch würde sie bestimmt eher ermutigen als beunruhigen.“

      Mrs Staffords Miene blieb unverändert hart. „Tut mir leid. Ich kann es nicht erlauben.“

      Laura verkrampfte die Hände zwischen ihren Rockfalten. Wie konnte ihr diese Frau verweigern, ihre Schwestern zu besuchen? Das war nicht fair, und wahrscheinlich hatte sie dazu auch keine rechtlichen Befugnisse. Sie richtete sich auf ihrem Stuhl auf. „Wenn Sie mir nicht erlauben, sie zu sehen, will ich meine Schwestern noch heute aus Ihrem Heim holen und mitnehmen.“

      Die Heimleiterin zog die Brauen hoch. „Das ist nicht möglich.“

      Laura hob das Kinn. „Warum nicht? Ich bin volljährig, und sie sind meine Geschwister.“

      „Sie wurden von der Polizei hierhergebracht und unserer Obhut unterstellt. Ich kann sie Ihnen nicht einfach aushändigen.“

      „Wenn ein Angehöriger kommt und sie zu sich nehmen will, müssen Sie sie doch bestimmt gehen lassen.“

      „Nein, das muss ich nicht! Die Kinder werden weder Ihnen noch sonst jemandem übergeben, solange Sie nicht beweisen können, dass Sie ihr gesetzlicher Vormund sind und dass die Umstände, die die Kinder hierhergebracht haben, behoben sind.“ Wieder ein unerbittlicher Blick über den Brillenrand. „Außerdem müssen die Kosten für ihre Betreuung beglichen werden.“

      „Welche Kosten?“

      „Den Tagessatz für Unterkunft, Verpflegung und Kleidung, die wir den Kindern angedeihen lassen. Bevor die Kinder Grangeford verlassen dürfen, müssen Sie die Kosten bezahlen.“

      „Wie hoch sind diese Kosten?“

      Die Heimleiterin blätterte in der aufgeschlagenen Akte und rechnete die Summe auf einem Zettel aus. Dann drehte sie den Zettel um und schob ihn Laura über den Schreibtisch zu. „Das ist der Betrag.“

      Laura konnte nur mühsam ein Stöhnen unterdrücken. „Das ist ja Wucher!“

      „Das sind die Kosten für ein Mädchen. Sie müssen diese Zahl verdoppeln, wenn Sie beabsichtigen, Ihre beiden Schwestern mitzunehmen.“

      Laura wurde schwer ums Herz. Wie konnte man von ihr erwarten, eine so hohe Summe zu zahlen? Sie hatte keine Ersparnisse und keine Ahnung, wer ihr so viel Geld leihen könnte. Und was war mit Garth? Wenn sie ihn auch aus dem Heim holen wollte, müsste sie diese Summe verdreifachen.

      „Ich weise Sie darauf hin, dass sich die Kosten mit jedem Tag, den die Kinder in unserer Obhut bleiben, weiter erhöhen.“

      Lauras Brustkorb zog sich zusammen. Das war so unfair! Warum berechnete eine wohltätige Einrichtung Familien so viel Geld für die Betreuung ihrer Kinder? Es musste doch eine Möglichkeit geben, diese Regel zu umgehen.

      Laura zwang ihre Stimme, ruhig zu bleiben. „Wenn Sie von unserer Situation hören, machen Sie bestimmt eine Ausnahme. Unser Vater ist vor zwei Jahren gestorben. Er erlag den Verletzungen, die er sich bei einem Eisenbahnunglück zugezogen hatte. Unsere Mutter arbeitet seitdem als Näherin. Mein Bruder arbeitet nach der Schule als Botenjunge für einen Metzger, und ich arbeite als Kammerzofe. Wir tun unser Möglichstes, um unsere Familie über Wasser zu halten. Und wir kümmern uns gut umeinander. Aber leider wurde unsere Mutter vor einigen Wochen krank und musste ins Krankenhaus. Deshalb kann sie im Moment nicht arbeiten.“

      „Miss McAlister, jedes Kind in diesem Heim hat eine schwere, traurige Geschichte. Deshalb sind die Kinder ja hier in Grangeford. Ihre Situation bildet keine Ausnahme. Wir haben Regeln und Bestimmungen zum Schutz der Kinder aufgestellt, und an diese Regeln muss sich jedes Kind und jede Familie halten.“

      „Ja, das verstehe ich. Aber ich bin bereit, die Verantwortung für meine Geschwister zu übernehmen. Sie können den kostbaren Platz in Grangeford anderweitig vergeben. Ich werde mich um sie kümmern und für sie sorgen.“ Sie hatte zwar keine Ahnung, wie sie das bewerkstelligen wollte, aber sie musste versuchen, diese Frau zu überzeugen.

      Die Heimleiterin schürzte die Lippen. „Wie ich schon sagte: Ich kann Ihnen die Kinder nicht aushändigen, solange Sie mir keinen Beweis vorlegen, dass Sie Vormund der Kinder sind und dass Sie in der Lage sind, sie zu versorgen. Außerdem müssen Sie erst die angelaufenen Unterbringungskosten begleichen. Sind Sie dazu heute in der Lage?“

      Laura rutschte auf ihrem Stuhl vor. „Nein, das bin ich nicht. Aber es muss doch eine andere Möglichkeit –“

      „Es gibt keine andere Möglichkeit, Miss McAlister!“ Die Heimleiterin klappte die Akten zu und stand auf. „Sie dürfen Ihren Geschwistern schreiben, aber das ist der einzige Kontakt, der erlaubt ist. Entschuldigen Sie mich jetzt. Ich habe dringende Aufgaben zu erledigen.“

      Laura stand mit hämmerndem Herzen auf. „Bitte, Mrs Stafford, ich will sie doch nur sehen!“

      „Guten Tag, Miss McAlister.“ Die Heimleiterin schritt an Laura vorbei und verließ das Büro, ohne sich noch einmal umzudrehen.

      Lauras Gesicht glühte, und ihre Hände zitterten. Warum waren Regeln und Bestimmungen wichtiger als der Zusammenhalt einer Familie?

      Laura hob ihren Schirm auf und trat auf den Flur hinaus. Mrs Stafford glaubte vielleicht, sie hätte das letzte СКАЧАТЬ