Weiter als der Ozean. Carrie Turansky
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Читать онлайн книгу Weiter als der Ozean - Carrie Turansky страница 14

Название: Weiter als der Ozean

Автор: Carrie Turansky

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783961224623

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СКАЧАТЬ die Augenlider zu.

      Laura fasste neuen Mut. Ihr Besuch war zwar kurz gewesen, aber ihr Versprechen, die Kinder zu besuchen, hatte Mama neue Hoffnung gegeben. Das musste für den Moment genügen.

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      Eine Stunde später stapfte Laura durch die Larchmont Street. Ihr Arm schmerzte, weil sie schon den ganzen Nachmittag ihren Koffer mit sich herumschleppte. Das Tageslicht wurde bereits schwächer, und hinter den Fenstern der Häuser und Geschäfte, an denen sie vorbeiging, brannten Gaslampen. Sie nahm ihren Koffer in die andere Hand und bog in die Gasse hinter der Schneiderei. Haufen von kaputten und unbrauchbaren Möbeln und Müllberge lagen hier herum. Sie hielt sich Mund und Nase zu, um den säuerlichen Gestank von verdorbenem Essen weniger stark zu riechen.

      Was für ein grauenhafter Ort! Sie musste eine geeignetere Wohnung für ihre Familie finden. Aber wie sollten sie sich das leisten können? Besonders jetzt, da ihre Mutter aufgrund ihrer Krankheit so lange nicht arbeiten konnte?

      Laura erreichte den Eingang zur Wohnung ihrer Familie, stellte den Koffer ab und wollte die Tür öffnen, aber diese war abgeschlossen. Sie schaute sich um und suchte eine Stelle, an der Mama einen Schlüssel versteckt haben könnte, fuhr mit der Hand oben über den Türrahmen und sah unter der Mülltonne nach, fand aber nichts. Was sollte sie jetzt machen?

      Sie rieb sich die brennenden Augen und versuchte, die Hoffnungslosigkeit, die in ihr aufstieg, zu verdrängen. Am liebsten hätte sie sich auf die Treppenstufen gesetzt und ihrem Kummer Luft gemacht. Aber Weinen half ihr nicht weiter. Es war für ihre Familie wichtig, dass sie stark blieb und einen klaren Kopf behielt.

      Sie atmete tief ein und versuchte, ihre wild durcheinanderpurzelnden Gedanken zu ordnen. Mrs Palmer, die Witwe, der die Schneiderei gehörte, hatte bestimmt einen Wohnungsschlüssel. Vielleicht war sie noch im Laden.

      Laura kehrte in die Gasse zurück und bog um die Ecke. Viele Geschäfte waren schon dunkel und hatten geschlossen, aber in Mrs Palmers Schneiderei brannte noch Licht. Sie spähte durchs Schaufenster an den zwei Schaufensterpuppen vorbei. Mrs Palmer stand auf einer Trittleiter hinter der Verkaufstheke und stellte eine Schachtel in ein oberes Regalfach.

      Laura nahm ihren ganzen Mut zusammen und schob die Ladentür auf. Die Glocke über der Tür klingelte. Mrs Palmer drehte sich um, und ihre Miene wurde hart.

      „Guten Abend, Madam.“ Laura zwang sich zu einem fröhlichen Tonfall, da sie hoffte, dadurch den eisigen Empfang der Schneiderin abmildern zu können.

      Mrs Palmer stieg von der Trittleiter. Ihre Miene blieb unverändert. „Was machst du hier?“

      „Ich bin nach London gekommen, um meine Mutter zu besuchen.“

      „Hast du sie schon gesehen?“

      „Ja, Madam. Ich komme gerade aus dem Krankenhaus.“

      „Wie geht es ihr?“ Der Tonfall der Frau enthielt nicht das geringste Mitgefühl.

      „Ihr Zustand bessert sich. Aber sie braucht trotzdem noch Zeit, um wieder zu Kräften zu kommen.“ Laura blickte sich im Laden um und wünschte, Anna und Liza, Mrs Palmers Töchter, wären hier. Wenn sich Mrs Palmer erinnerte, dass sie und Laura Freundinnen waren, wäre sie vielleicht eher bereit, ihr zu helfen. „Ich habe versucht, in unsere Wohnung zu kommen, aber die Tür zum Treppenhaus ist abgesperrt, und ich habe keinen Schlüssel.“

      Mrs Palmers Blick wurde zornig und der Zug um ihre Lippen noch härter.

      „Ich bin einige Tage in London und ich brauche einen Platz, an dem ich wohnen kann.“

      „Du kannst nicht in der Wohnung bleiben, es sei denn, du hast vor, die ausstehende Miete zu zahlen.“

      Lauras Magen zog sich zusammen. „Die Miete wurde nicht gezahlt?“

      „Seit Anfang April nicht mehr. Wenn deine Mutter die Miete nicht bald zahlt und wieder zur Arbeit kommt, lasse ich die Wohnung räumen und ihre Sachen auf die Straße werfen.“

      „Oh nein! Bitte tun Sie das nicht! Ich kann die Miete zahlen.“ Laura griff in ihre Tasche, holte eine Fünf-Pfund-Note, drei Ein-Pfund-Noten und einige Münzen heraus und hielt sie der Frau hin. Das war fast alles, was von dem Geld, das ihr Andrew Frasier heute gegeben hatte, noch übrig war.

      Mrs Palmer hob schnaubend das Kinn. „Die Miete beträgt zwölf Pfund.“

      Lauras Kinnlade klappte herunter. „Zwölf Pfund!“

      „So ist es. Ich habe von deiner Mutter nur sechs verlangt, aber diesen Nachlass kann ich ihr erst wieder gewähren, wenn sie zurückkommt und ihre Arbeit wieder aufnimmt.“

      „Das wird sie bestimmt so bald wie möglich tun.“

      „Und wann ist das?“

      „Ich … ich weiß es nicht.“

      „Ich kann ihre Stelle nicht ewig frei halten. Wir arbeiten uns die Finger wund, weil wir jetzt alle Näharbeiten selbst erledigen müssen.“ Sie kniff die Augen zusammen. „Wenn deine Mutter nicht bis zum Ende des Monats wieder zur Arbeit kommt, muss ich eine andere Frau einstellen, die ihre Arbeit übernimmt.“

      Der Druck auf Lauras Brust verstärkte sich. Sie bekam kaum noch Luft. Es musste doch eine Möglichkeit geben, vernünftig mit dieser Frau zu sprechen und sie zu überreden, ihnen mehr Zeit zu lassen. „Meine Mutter ist eine ausgezeichnete Näherin. Eine so gute Näherin werden Sie kaum finden.“

      „Das mag sein, aber ich habe genug eigene Sorgen. Ich kann mich nicht auch noch um die Sorgen deiner Mutter kümmern.“

      Lauras Gesicht begann zu glühen. Sie biss die Zähne zusammen. Wie konnte Mrs Palmer so gefühllos sein?

      „Du brauchst mich nicht so böse anzusehen. Ich werde meine Meinung nicht ändern. Ich habe ein Geschäft, das laufen muss. Und ich muss an mich und meine Töchter denken.“

      „Ihre Töchter würden unsere Notlage bestimmt verstehen und helfen wollen.“

      Mrs Palmer schnaubte. „Du kannst von mir nicht erwarten, dass ich meinen eigenen Kindern das Essen wegnehme, um es dir und deiner Familie zu geben!“

      „Das verlange ich doch gar nicht. Meine Mutter ist krank. Wahrscheinlich aufgrund der vielen Arbeitsstunden und der ungesunden Arbeitsbedingungen hier.“

      Die Miene der Frau wurde jetzt bedrohlich. „Gib mir nicht die Schuld für die Krankheit deiner Mutter! Sie hat sich schon immer jede Krankheit eingefangen.“

      „Meine Mutter ist eine loyale, fleißige Witwe, die ihr Möglichstes tut, um ihre Kinder zu versorgen. Ich dachte, gerade Sie würden ihre Situation verstehen und hätten ein wenig mehr Mitgefühl. Aber ich habe mich offenbar getäuscht.“

      „Du bist ein unhöfliches, undankbares Mädchen! Ich höre mir dein unsinniges Gerede nicht länger an.“ Mrs Palmer nahm ihren Hut und Mantel vom Haken an der Wand. „Geh jetzt! Du wirst heute Nacht nicht in der Wohnung schlafen!“

      „Bitte, Mrs Palmer. Ich weiß nicht, wohin ich sonst gehen soll!“

      „Das ist nicht mein Problem.“ Sie fuchtelte mit der Hand. „Jetzt verlass meinen Laden, bevor ich es mir anders überlege und euch nicht bis zum Monatsende СКАЧАТЬ