Weiter als der Ozean. Carrie Turansky
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Читать онлайн книгу Weiter als der Ozean - Carrie Turansky страница 19

Название: Weiter als der Ozean

Автор: Carrie Turansky

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783961224623

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СКАЧАТЬ der Heimleiterin und derer unbeugsamen Regeln zu sehen. Und sie wollte dafür sorgen, dass sie keinen Tag länger als nötig in dieser kalten, unpersönlichen Einrichtung bleiben mussten.

      Sie schob die Haustür auf und trat hinaus. Ein feuchter Nebel hing über der Erde, und vom grauen Himmel fiel immer noch kalter Regen. Sie spannte ihren Schirm auf und marschierte über den Schotterweg zum Tor.

      Wie konnte man eine Vormundschaft beweisen? Wahrscheinlich brauchte sie dafür ein offizielles Dokument. Konnte sie selbst ein solches Dokument verfassen oder brauchte sie dazu die Hilfe eines Anwalts?

      Ihr fiel Andrew Frasiers Angebot ein, ihr zu helfen. Sie steckte die Hand in die Manteltasche und tastete nach seiner Visitenkarte.

      Sollte sie Kontakt zu ihm aufnehmen? Würde er ihren Fall übernehmen? War es überhaupt fair, ihn um seine Hilfe zu bitten, wenn sie kein Einkommen und kein Zuhause für ihre Geschwister hatte? Sie schüttelte den Kopf. Er war Anwalt, aber Wunder konnte auch er nicht vollbringen. Er konnte nicht einfach mit den Fingern schnippen und diese Probleme lösen. Sie musste jemand anderen finden, der ihr helfen konnte, ohne eine finanzielle oder anderweitige Bezahlung von ihr zu erwarten.

      Es musste doch eine Möglichkeit geben, ihre Geschwister aus dem Heim zu holen. Sie würde nicht ruhen, bis sie alle drei sicher in ihrer Obhut hatte.

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      Katie huschte geräuschlos durch die Seitentür aus dem Haus und lief die Steinstufen hinab. Der Mond warf lange Schatten auf das Gras. Ein kalter Wind pfiff unter den Dachtraufen und erzeugte unheimliche Töne, die ihr eine Gänsehaut über den Rücken jagten. Falls jemand sie um diese Uhrzeit hier draußen entdeckte, bekäme sie große Probleme. Sie blieb im Schatten und schlich mit vorsichtigen, leichtfüßigen Schritten um die Seite des Gebäudes herum.

      Diese Stunde, bevor das Licht ausgemacht wurde, war die einzige freie Zeit, die sie am Tag hatte. Die meisten Mädchen lagen auf ihren Betten und lasen oder unterhielten sich mit ihren Freundinnen. Sie hatte gesagt, sie müsse auf die Toilette, und war dann die Treppe hinabgeschlichen und durch die Seitentür ins Freie gehuscht.

      Sie warf einen schnellen Blick über ihre Schulter, dann lief sie über den Rasen auf den Schuppen zu und hoffte, eine Nachricht von Garth vorzufinden. Sie nahm eine leere Kiste, die neben dem Schuppen lehnte, und schleppte sie zur hinteren Wand. Mit einem stummen Gebet zum Himmel kletterte sie hinauf und tastete das Astloch ab. Ihre Finger ertasteten ein zusammengefaltetes Papier. Sie zog es heraus und hielt es ins helle Mondlicht.

      Liebe Katie,

      ich hoffe, diese Nachricht erreicht Dich rechtzeitig. Sie haben mich auf die Liste für Kanada gesetzt. Ich nehme den Platz eines anderen Jungen ein, der die medizinische Untersuchung nicht bestanden hat.

      Katie blinzelte und starrte die Worte an. Garth ging nach Kanada? Das konnte doch nicht sein! Wie konnte er auch nur daran denken, sie und Grace allein zu lassen? Sie hatte einige Mädchen gehört, die von Freundinnen im Heim erzählten, die nach Kanada geschickt worden waren. Aber sie hatte nicht verstanden, was das bedeutete. Warum wurden sie weggeschickt? Was hatten sie angestellt?

      Ich habe ihnen gesagt, dass Mama mich aus dem Heim holen wird und dass ich deshalb nicht auf diese Liste gesetzt werden will. Aber Mr Gumblich, der Betreuer der Jungen, hat den Kopf geschüttelt und gesagt, dass sie mich nicht aus dem Heim holen wird. Ich will nicht glauben, dass Mama tot ist, aber was sollte er sonst gemeint haben?

      Katies Herz stockte, und ihr wurde so schwindelig, dass sie fast von ihrer Kiste fiel. Sie musste sich am Zaun festhalten. Mama holte sie nicht aus dem Heim? Sie war tot? Wie konnte das sein? Würde man es ihr nicht sagen, wenn Mama gestorben war? Würde sie das nicht irgendwie spüren? Sie senkte den Blick und las den Rest, obwohl sie Mühe hatte, Garths Worte zu begreifen.

      Hast Du etwas von Mama gehört? Seit die Grahams sie ins Krankenhaus gebracht haben, sind fast zwei Wochen vergangen. Warum sagt uns niemand, was los ist? Ich dachte, dass Laura herkommen würde oder dass uns wenigstens Mrs Graham eine Nachricht schickt, wie es Mama geht, aber ich habe nichts gehört. Bitte schreib mir, was Du weißt.

      Sie sagen, dass es am Dienstag losgeht. Zuerst bringen sie uns in ein Kinderheim in Liverpool, wo wir uns auf die Überfahrt vorbereiten. Ich habe keine Ahnung, wie lange das dauern wird. Danach komme ich zusammen mit einer Gruppe Jungen auf ein Schiff und fahre nach Kanada. Ich habe Mr Gumblich gefragt, ob sie auch Mädchen mitnehmen, und er hat Ja gesagt. Ich finde, Du solltest versuchen, mit Grace auch auf diese Liste zu kommen. Damit wir alle zusammen fahren können.

      Katie hielt sich die Hand an den Mund, um nicht laut zu weinen. Garth wollte, dass sie darum bat, nach Kanada geschickt zu werden? Das war verrückt! Sie wollte nicht übers Meer fahren! Selbst wenn Mama sie nicht aus dem Heim holen konnte, würde bestimmt Laura kommen. Ihre Schwester würde sie nicht auf Dauer hierlassen. Katie schüttelte den Kopf und las weiter.

      Sie sagen, dass Kanada ein wunderschönes Land mit viel freier Natur ist. Dort wohnen Familien, die Jungen und Mädchen bei sich aufnehmen, damit diese ihnen auf ihrer Farm oder im Haushalt helfen. Mr Gumblich sagt, das sei eine echte Chance, und ich solle froh sein, dass ich den Platz dieses Jungen einnehmen kann. Er sagt, einige bezeichnen die Fahrt nach Kanada als goldene Brücke. Wir könnten uns dort ein neues Leben aufbauen.

      Aber ich muss ständig an Mama und unser Leben hier in London denken. Seit Papa gestorben ist, war es schwer, aber wir waren wenigstens zusammen und haben uns immer umeinander gekümmert. Es tut mir leid, dass ich versucht habe, Brot zu stehlen. Ich hatte keine Ahnung, dass ich damit diese schreckliche Kette an Ereignissen lostrete. Wenn ich nur die Zeit zurückdrehen und es anders machen könnte! Aber das kann ich nicht.

      Ich wünschte, ich könnte mit Dir sprechen. Ich muss wissen, ob ihr mit nach Kanada kommt. Irgendwie müssen wir einen Weg finden, zusammenzubleiben, egal was kommt.

      Bitte schreibe mir. Ich bin nur noch vier Tage hier in Grangeford. Ich brauche Deine Antwort, bevor ich fahre!

      Liebe Grüße von Deinem Bruder Garth

      Heiße Tränen raubten ihr die Sicht, sodass sie diesen letzten Teil des Briefes kaum richtig lesen konnte. Garth verließ Grangeford und ging nach Kanada, um dort ein neues Leben anzufangen. Mama war tot und würde sie nicht aus dem Kinderheim holen.

      Ihre Schultern sackten nach unten, sie senkte den Kopf und ein Schluchzen stieg in ihrer Kehle auf. Oh Herr, was soll ich nur machen? Ich kann mir nicht vorstellen, England zu verlassen und so weit weg zu gehen. Ich weiß mir keinen Rat.

      Ein kleines Licht tauchte links von ihr auf und bewegte sich schwankend auf sie zu.

      Katie starrte regungslos die Laterne an, denn etwas anderes konnte das Licht nicht sein.

      „Junges Fräulein, was machst du so spät allein hier draußen in der Dunkelheit?“

      Katies Herz hämmerte wie wild. „Wer … wer sind Sie?“

      „Charlie Peterson.“ Er hob die Laterne so hoch, dass das Licht sein faltiges Gesicht beschien. „Ich bin hier der Hausmeister und Nachtwächter. Und wer bist du?“

      „Katie … Katie McAlister.“

      „Nun, Miss Katie, du solltest von dieser Kiste heruntersteigen und mit mir kommen.“ Als sie sich nicht rührte, musterte er sie von Kopf bis Fuß. „Hast du mich gehört, Mädchen?“

      Sie erwachte aus ihrer Benommenheit und stieg von der Kiste. Dabei drückte sie die Nachricht von Garth immer noch an ihre СКАЧАТЬ