Weiter als der Ozean. Carrie Turansky
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Читать онлайн книгу Weiter als der Ozean - Carrie Turansky страница 13

Название: Weiter als der Ozean

Автор: Carrie Turansky

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783961224623

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СКАЧАТЬ sah sich in der Eingangshalle um und wünschte, hier wäre noch jemand, an den sie sich wenden könnte. Aber auf den drei wackeligen Holzstühlen hinter ihr saß niemand, und die zwei Gänge, die von der Eingangshalle abgingen, waren ebenfalls leer.

      Sie atmete tief ein. Der Geruch von abgestandenem Kaffee und starken Desinfektionsmitteln stieg ihr in die Nase. Wie konnte man in einem so übel riechenden Gebäude gesund werden?

      Schließlich blickte der Mann auf. Er warf einen Blick nach links und dann nach rechts und schob ihr einige Blätter auf seinem Schreibtisch hin. Mit hochgezogenen Brauen deutete er auf die Überschrift oben auf der Seite. Patientenliste.

      Laura fasste neue Hoffnung.

      „Es tut mir leid, aber ich kann Ihnen nicht helfen, Miss“, sagte er mit übertrieben lauter Stimme. „Ich muss ein paar Minuten weggehen und etwas erledigen.“ Dann zwinkerte er ihr zu und flüsterte: „Die Treppe am Ende dieses Gangs. Alle Frauenstationen befinden sich im zweiten Stock.“

      Sie nickte und sagte stumm Danke.

      Er nickte ebenfalls. Dann stand er auf, ging den Gang entlang und verschwand hinter einer Tür.

      Laura überflog schnell die Liste und entdeckte den Namen ihrer Mutter auf der ersten Seite ziemlich weit unten. Sie fuhr mit dem Finger darüber und las: Station D, Bett Sechs. Ihr Puls schlug höher.

      Sie schob die Liste wieder auf dem Schreibtisch zurück, dann huschte sie leise durch den rechten Gang. Am Ende des Flurs öffnete sie die schwere Tür und schaute in das schwach beleuchtete Treppenhaus. Ein düsteres Licht fiel durchs Fenster und warf lange Schatten. Ihr Magen zog sich zusammen.

      Was würde sie auf Station D vorfinden? Würde ihre Mutter sie erkennen und mit ihr sprechen können?

      Mit dem schweren Koffer in der Hand stieg sie die Treppe hinauf. Sie durfte der Angst und den sorgenvollen Gedanken keinen Raum geben. Sie wollte an der Hoffnung festhalten und an etwas Positives denken: Millies Umarmung und ihr Versprechen, für sie zu beten, Andrew Frasiers Geschenk und seine Freundlichkeit, und dass sie es geschafft hatte, ohne Zwischenfälle nach London zu kommen.

      Als sie im ersten Stockwerk ankam, öffnete sie die Tür und warf einen Blick in den Flur. Eine Krankenschwester in einer grauen Schwesterntracht mit weißer Schürze und Kopftuch war in die andere Richtung unterwegs und verschwand durch eine Tür auf einer der Stationen. Sonst war niemand zu sehen.

      Laura huschte leise durch den Flur und las die Schilder über den Türen, bis sie das Schild fand, auf dem Station D stand. Sie trat ein und ließ ihren Blick über die Patienten schweifen, die in zwei Reihen lagen. Dann schlich sie geräuschlos durch den Mittelgang zwischen den Betten. Als sie beim sechsten Bett ankam, blieb sie stehen und traute ihren Augen kaum. War diese blasse, hagere Frau wirklich ihre Mutter?

      Silberne Fäden durchzogen ihr dunkelblondes Haar, und graue Schatten lagen unter ihren geschlossenen Augen. Sie lag regungslos und still unter einer grauen Decke, die ihrer Hautfarbe viel zu ähnlich war.

      Laura trat näher und legte ihrer Mutter die Hand auf die Schulter. „Mama, schläfst du?“

      Die Augenlider ihrer Mutter zuckten, doch dann schlug sie die Augen weit auf. „Laura, bist du das?“ Ihre Stimme war schwach und heiser, und ihre blaugrauen Augen sahen glasig aus.

      Lauras Herz schlug schneller, und sie beugte sich vor. „Ja, Mama, ich bin hier.“

      „Ich habe Mrs Graham gebeten, dir zu schreiben, aber ich wusste nicht, ob du kommst.“

      „Ich habe ihren Brief erst heute bekommen.“

      „Erst heute?“ Ihre Mutter runzelte die Stirn. „Was … was für ein Tag ist heute? Wie lang liege ich schon hier?“

      „Heute ist Donnerstag, der achte April.“

      Verwirrung trat in die Augen ihrer Mutter. „Ich freue mich, dass du gekommen bist. Aber was ist mit deiner Arbeit in Bolton?“

      „Das ist kein Problem. Die Frasiers sind sehr freundlich. Sie haben mir erlaubt zu kommen.“

      Mama schob ihre Hand unter der Decke heraus, aber ihr schien die Kraft zu fehlen, sie zu heben.

      Laura ergriff die kalten Finger ihrer Mutter, ihre Kehle war wie zugeschnürt. „Alles wird wieder gut werden.“

      „Ja.“ Mama schloss die Augen und atmete langsam und stockend ein.

      „Hast du heute mit dem Arzt gesprochen?“

      „Er sagt, dass ich auf dem Weg der Besserung bin.“ Mama lächelte schwach, aber es war nicht überzeugend.

      „Das freut mich.“ Laura wollte fragen, wie lange sie wohl noch im Krankenhaus bleiben müsste, aber auch ohne zu fragen konnte sie erkennen, dass es nicht danach aussah, als könnte Mama schon bald nach Hause gehen. Sie beschloss, ihre Mutter nicht unnötig aufzuregen, und unterließ diese Frage.

      „Hast du die Kinder gesehen?“ Mamas Griff um Lauras Hand verstärkte sich. „Ich mache mir so große Sorgen um sie. Mrs Graham hat berichtet, dass sie in ein Kinderheim gebracht wurden.“

      „Ja, das hat sie mir in ihrem Brief auch geschrieben.“ Hatte Mrs Graham Mama auch erzählt, dass Garth beim Versuch, ein Brot zu stehlen, erwischt worden war? Laura wollte Mama nicht noch mehr Sorgen machen, deshalb erwähnte sie das lieber nicht. „Weißt du, wie das Heim heißt?“

      Mamas Blick wanderte zum Fenster. „Ich glaube, es ist das Grangeford-Kinderheim. Ich weiß aber weder die Straße noch die Hausnummer.“

      „Das macht nichts. Ich finde die Adresse heraus und gehe morgen hin.“

      Mama nickte und schloss die Augen. „Danke. Sag der Heimleitung, dass ich die Kinder hole, sobald ich kann. Ich habe Mrs Graham gebeten, das weiterzugeben, aber ich habe sie seit mehreren Tagen nicht mehr gesehen. Ich weiß nicht, ob sie meine Nachricht ausgerichtet hat oder nicht.“

      „Mach dir keine Sorgen. Ich werde das bei der Heimleitung klarstellen.“

      Mit einem müden Seufzen schloss Mama wieder die Augen. „Bitte sag den Kindern, dass es mir schon besser geht. Das alles ist für sie bestimmt sehr verwirrend und eine große Belastung.“

      „Sie werden sich schon zurechtfinden.“ Laura zwang sich, zuversichtlich zu klingen, aber die Geschichten, die sie über Kinderheime gehört hatte, weckten beunruhigende Fragen.

      Hinter ihr näherten sich Schritte, und Laura warf einen Blick über ihre Schulter.

      Eine Krankenschwester kam durch den Mittelgang auf sie zu, die Augenbrauen missbilligend hochgezogen. „Tut mir leid. Die Besuchszeit ist längst vorbei. Sie müssen gehen.“ Allerdings sah sie überhaupt nicht so aus, als täte es ihr leid.

      „Das ist meine Tochter Laura. Sie ist den weiten Weg aus St. Albans gekommen, um mich zu besuchen. Für Familienangehörige können Sie doch sicher eine Ausnahme machen.“

      „Die Regeln gelten auch für Familienangehörige.“ Die Schwester richtete ihren strengen Blick auf Laura. „Ihre Mutter braucht Ruhe. Sie können sie morgen zwischen eins und vier besuchen. Nur in diesen drei Stunden ist Besuchszeit.“

      Laura beugte sich hinunter СКАЧАТЬ