Tanausú. Harald Braem
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Название: Tanausú

Автор: Harald Braem

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Historische Romane und Erzählungen

isbn: 9788494150166

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СКАЧАТЬ Landschaft schmiegten. Alle waren aus Bruchstein in der typischen Rundform erbaut, die Fugen mit Erde abgedichtet und die Dächer mit Holz, Reisig und Blattwerk gedeckt. Viele der Häuser waren vor den Eingängen kleinerer Höhlen gebaut oder besaßen zumindest eine geräumige Vertiefung im Erdboden, die im Sommer kühl war und zur Lagerung von Vorräten diente. Oberhalb des Dorfes lag der Tagoror, der große Steinkreis, in dem die Versammlungen stattfanden. Ein Feuer brannte in seiner Mitte, und da im Dorf keine Menschenseele anzutreffen war, stiegen Bencomo und Mazo gleich hinauf. Der ganze Stamm war versammelt. Die Männer saßen innen im Kreis, schlugen in dumpfem Rhythmus die Trommeln und sangen dazu. Ihr Lied klang getragen und traurig, es war eine Melodie und ein Text, den Bencomo niemals zuvor gehört hatte. Immer wieder fielen die Frauen, die außerhalb des Steinkreises mit Schalen und Krügen hantierten, an bestimmten Stellen des Refrains mit ihren helleren Stimmen ein, wobei sie ein Heulen und Winseln intonierten, das an den klagenden Ruf eines Hundes erinnerte. Es war ein Gesang zu Ehren des Guayote, des hundsgestaltigen Dämons aus dem Vulkan.

      Bencomo war näher herangetreten, hatte die aufgeregt umher laufenden Kinder beiseite geschoben und trat nun in den Kreis zu den Kriegern. Er sah, dass neben Adargoma noch ein Platz frei war und ließ sich dort nieder. Das Gesicht des Alten war unbeweglich, zur Fratze erstarrt. Mit weißer Farbe hatte er sich bemalt, das Gesicht und den Oberkörper mit Linienmustern und Punkten verziert. Auch die anderen Männer sahen so aus, und immer noch schleppten die Frauen Krüge mit frisch angerührtem Farbbrei heran, während andere am Boden hockten und in Schalen die Kalkbrocken zu Pulver zerstampften und mit Steinmühlen zerrieben.

      «Was ist geschehen?» flüsterte Bencomo.

      «Madango ist tot», gab Adargoma halblaut zurück, ohne den Kopf zu bewegen. Madango, der alte Häuptling des Stammes, der Hochkönig der Insel …

      Jetzt sprang einer der Männer in die Mitte des Kreises, hob das Muschelhorn und blies in die durchbohrte Spitze. Laut und dumpf klang das Signal, als käme es aus der tiefsten Tiefe des Meeres. Als er absetzte und in die Nacht lauschte, klang fern von den Bergen Antwort.

      «Wir rufen die anderen Stämme zusammen», sagte Adargoma.

      «Madango war nicht nur unser Anführer, sondern Herrscher über Benahoare. Ohne König ist nun die Insel, unser Volk voll von Trauer. Horch, der Guayote hat uns verstanden.»

      In der Tat setzte in diesem Moment ein Geheul ringsum ein, das aus vielen hundert Kehlen zu kommen schien. Die Hunde reagierten auf das Signal, schienen die Botschaft, die sich von Berg zu Berg über die ganze Insel fortpflanzte, zu verstehen und gaben sie auf ihre Weise weiter.

      Eine volle Stunde oder länger dröhnten die Trommeln, ging der Klagegesang, wurde immer wieder das Muschelhorn in die vier Richtungen des Himmels geblasen. Dann brach der Lärm abrupt ab. Alle hoben lauschend die Köpfe. Es war plötzlich sehr still ringsum, nur die Zikaden schrillten noch, und ein paar Hunde konnten sich absolut nicht beruhigen. Die Menschen des Stammes, selbst die Kinder, hielten wie erstarrt inne.

      Von ferne, irgendwo aus der Richtung der Cumbre, vielleicht vom Vulkanberg Nambroque, klang ein dumpfes, unterirdisches Grollen. Leise und drohend hörte sich dieser Ton an, ein bebendes Anschwellen, das allmählich wieder verebbte. War das die Stimme des Guayote, erwachte er langsam aus seinem Schlaf?

      Auch dieses Geräusch hatte Bencomo noch nie in seinem Leben gehört. Unwillkürlich musste er an die Geschichten der Alten denken, an ihre Berichte über fürchterliche Vulkanausbrüche, die tagelang anhielten und das Fundament der Erde zum Beben brachten. Seine Eltern hatten davon erzählt, dass in der Nacht die Insel taghell erleuchtet gewesen wäre vom riesigen, aus dem Berg schießenden Feuer. Dazu kamen Rauch und Schwefeldämpfe, die die Luft zum Atmen nahmen. So hatte der Guayote seinen Auftritt angekündigt. Danach war Ascheregen über das Land gefallen und hatte weite Gebiete bedeckt. Der Schlund des Vulkans aber spie weiter seine Feuersäule hoch in den Himmel, glühende Lava quoll aus dem Schlund, ergoss sich in breiten, rotkochenden Bahnen die Hänge hinab bis zum Meer. Und viele Tage hatten die Wälder gebrannt, bis von ihnen nur noch tote, schwarze Baumstümpfe und ein weißer Ascheteppich übriggeblieben waren.

      Plötzlich merkte Bencomo, dass das leise Grollen aufgehört hatte. Es war viel stiller als zuvor, noch immer saß der Stamm wie erstarrt da. Dann kam Bewegung bei den Frauen auf, sie wichen zurück und bildeten eine Öffnung zum Kreis. Durch diese Gasse schritt Tamogante, die uralte Heilfrau. Sie war in bemalte Ziegenfelle gehüllt, getrocknete Eidechsenschwänze baumelten am Gürtel ihres Gewandes, und über der Brust klirrte eine Kette aus durchbohrten Knochen, Muscheln und Eberzähnen. Sechs Harimaguadas begleiteten sie, junge, in helle Kleider gehüllte Mädchen, die Gefäße und andere heilige Gerätschaften mit sich trugen. Die erste setzte eine mit Milch gefüllte Schale im Kreis ab, die zweite legte einen gehörnten Ziegenschädel daneben, die anderen hockten sich neben das Feuer.

      Tamogante ging ihrem Alter entsprechend langsam, jede Bewegung schien bedacht und von einer bestimmten Bedeutung zu sein. Am Feuer angekommen, löste sie einen Beutel von ihrem Gürtel, öffnete die Verschnürung, hob ihn hoch und warf den Inhalt in die Flammen. Das Pulver zischte und prasselte und stob in der Dunkelheit hoch wie eine Staubwolke aus glimmenden Sternen. Die Medizinfrau breitete beide Arme aus und begann mit klarer Stimme zu singen.

      «Du siehst uns hier versammelt, Guayote», sang sie, «weil wir in großer Trauer um unseren König sind. Alt ist er geworden in Zeiten des Friedens, obgleich seine Jugend im Zeichen des Kampfes stand. Blut hat er gegeben für Benahoare, Narben blieben zurück, von seinen Feinden verursacht, die übers Meer zu uns kamen. Weise war er, ein gütiger Herrscher, unter dessen Schutz unser Stamm blühte und sich vermehrte. Aber nicht nur bei uns galt sein Wort als Gesetz, sondern auch bei den Stämmen im Norden, Süden, Osten und Westen und im großen Krater, in dem Tanausú am Heiligen Berg Idafe wacht. Dein Name sei gepriesen für alle Zeiten, Madango …»

      Die Heilfrau begann mit kleinen Schritten das Feuer zu umkreisen. Nach und nach wurde ihr Tanz schneller. Sie hatte noch immer die Arme ausgebreitet und beugte dabei wiegend ihren Oberkörper vor, als wolle sie den Flug eines Geiers nachahmen.

      Dabei sang sie: «Du bist von uns gegangen, Madango, liegst an der Schwelle zum Schattenreich, und dein Geist fordert, eingelassen zu werden bei dir, Guayote. Gib den Weg frei, großer Dämon, damit er zu unseren Ahnen kann und mit ihnen sprechen. Sieh, all unsere Gedanken begleiten ihn zu dir, sei ihm wohlgesonnen. Wir haben deine Stimme gehört, Guayote. Sie ist mächtig und zürnend, aber zürne nicht uns, denn du bekommst heute ein Geschenk dargebracht. Nimm es wohlwollend an und prüfe unsere Herzen dabei. Sie sind rein, weil wir dich verehren und dich niemals belügen können …»

      Bei den letzten Worten ihres Gesangs waren zwei Krieger aufgesprungen. Ihre Gesichter waren völlig weiß bemalt, ebenso ihr Oberkörper und die Arme. Sie nahmen eine Jungziege in Empfang, die am Strick durch die Menge herangezogen wurde. Das Tier blökte verängstigt und sträubte sich, es spürte, dass es als Opfer bestimmt war.

      Tamogante nahm die Ziege am Strick und führte sie dreimal um das Feuer herum. Sie sang: «Sieh dieses Tier, große Erdmutter Tara, höre, wie es nach seiner Mutter ruft, und bist du nicht die Mutter allen Lebens auf Erden? Wie unser König Madango ist diese Ziege ein Kind deines Schoßes, es weidete auf den Ebenen, die deine Haut sind, kletterte über die Felsen deiner Knochen und fraß das Gras, das dein Haar ist. Ich führe es nun um das Feuer, das Guayote gehört, und er riecht das Fleisch des Tieres. Vergib uns, dass wir es töten, denn es muss in dieser Stunde zu Guayote, damit er sieht: Es ist das Geschenk, das Madango auf seinem Weg ins Schattenreich begleiten soll. Nimm dieses Opfer gnädig an, Dämon aus dem Vulkan. Sei zufrieden damit und verschone unsere Dörfer vor deinem Feuer.»

      Mit diesen Worten nahm sie das Messer aus ihrem Gürtel und stieß die scharfe Obsidianklinge tief in die Kehle des Tieres. Als sie das Messer herauszog, spritzte das Blut in dickem Strahl zischend ins Feuer. Das Tier knickte СКАЧАТЬ