Tanausú. Harald Braem
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Название: Tanausú

Автор: Harald Braem

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Historische Romane und Erzählungen

isbn: 9788494150166

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СКАЧАТЬ ein Krähenschwarm die große Spirale, regnete dann, wie auf ein geheimes Kommando hin, auf die saftgrünen Hänge ab. Ein paar Passatwolken trieben am Himmel. Als goldener Kamm harkte die Sonne durchs Gras, ließ die Farben aufleuchten, ein brennendes Grün, blutrot die Wände aus Lavatuff und silbergrau die verwitterten, schrundigen Basaltblöcke.

      Friedlich war das Bild, einschläfernd das Gesumm der wilden Bienen über den Blüten ringsum. Adargoma war längst ins Dorf zurückgekehrt. Bencomo gähnte und streckte sich. Er lag auf dem Rücken des Seelensteins, der hier oben eine Mulde für den Körper bot, fast ein Bett. Ein ganz besonderer Felsen war dieser Seelenstein: Seine der Schlucht und dem Kraterkessel zugewandte Seite war mit einem großflächigen Bild verziert, einer tiefen, labyrinthartigen Gravur, deren Rillen immer wieder mit roter Erde ausgemalt wurden. Davor lag auf einer Felsnase der Tagoror, der Versammlungsplatz des Stammes, mit den zum Kreis angeordneten Sitzsteinen. Zu bestimmten Zeiten legte der Medizinmann Opfergaben für die Götter auf den Stein, Milch und Butter, manchmal auch Eingeweide von Tieren. Diese heilige Handlung durfte nur er vollziehen, allein, während sich der Stamm in gebührendem Abstand hielt und auf das Eintreffen der Vögel wartete. Wenn sie kamen, um sich die Opfergaben zu holen, dann waren sie keine Falken und Krähen, Raben, Adler und Geier mehr, sondern Boten der Ahnen, die ihre Nachrichten zum Seelenstein brachten, Botschaften aus dem Jenseits, die nur für den Medizinmann bestimmt waren, die nur er verstand.

      Später wurde der Altar des Seelensteins sorgfältig mit Wasser gereinigt und diente wieder als Ausguck für den Wächter des Stammes, wie nun Bencomo einer war. Man konnte weit sehen, über die Schlucht hinweg in die jenseitige Hochebene des Aridane-Tals und weiter noch bis zum Steilkamm der Cumbre, wo an manchen Tagen die dickflauschigen Passatwolken hängen blieben, um wie ein weißer Wasserfall die Felshänge herabzuquellen. Im Aridane-Tal franste der Wind die Wolken auf und trieb sie zum Meer, weiße, geblähte Segel am blauen Himmel.

      Und dann die Küste: Ein grüner, nur von grauschwarzen Lavazungen durchbrochener Streifen, der sich endlos nach Süden zog. Vulkane hatten die Insel geformt, die Cumbre, den Time, den Nambroque, den Bejanado und all die anderen Berge steil aufgestülpt und breite Bänder aus Lava zum Meer hinuntergegossen. Dort aber, wo die breite Schlucht zwischen den Felsen klaffte, wo sie, aus dem Kraterkessel kommend, zum Meer hin auslief, lag die windstille Bucht von Taxacorte, die Stelle, die jeder Wächter besonders im Auge behalten musste. Sollten jemals fremde Schiffe auftauchen, so würden sie hier landen, wie das schon einmal geschehen war, damals, in jener schlimmen Zeit, von der Adargoma gesprochen hatte.

      Bencomo hatte noch nie soviel über den Überfall der Spanier wie eben von dem Alten gehört. Bis heute waren für ihn die Berichte von damals nur Märchen, Legenden gewesen, die die Krieger erzählten, um sich selbst zu rühmen, wobei sie es mit der Wahrheit so wenig ernst nahmen wie die Jäger oder Fischer. Jetzt wusste Bencomo, warum er über die Bucht wachen musste, obgleich dort niemals etwas geschah.

      Er liebte die Bucht, das sanfte, manchmal aber auch aufgewühlte Meer, den Strand mit dem feinen schwarzen Sand, der an vielen Tagen so heiß von der Sonne wurde, dass die nackten Sohlen der Füße wie Feuer brannten. Lapas gab es dort, die schmackhaften Meeresschnecken. Sie klebten überall an den wasserumspülten Felsen, man brauchte die Früchte des Meeres nur abzuernten. Bencomo war besonders geschickt darin, stets trug er eine scharfe Feuersteinklinge bei sich im Gürtelsack. Damit konnte er leicht unter die Schale der Tiere fahren, um sie vom Felsen, wo sie sich mit ihrer weichen Seite festgesaugt hatten, abzuschneiden. Zwanzig solcher Schnecken ergaben eine gute Mahlzeit.

      Aber das war nicht der einzige Grund, warum er die Bucht von Taxacorte in letzter Zeit immer häufiger aufsuchte. Die Gegend war eigentlich nicht sein Jagdrevier. Mayantigo herrschte über das Aridane-Tal, zu dem Taxacorte mit seinem Strand gehörte. Die Leute seines Stammesgebietes sahen es nicht gern, wenn Menschen aus Tixarafe und Hiscaguan die Berge herabgestiegen kamen, um sich an den Lapas gütlich zu tun, es hatte deswegen schon Streit gegeben. Der wahre Grund, warum Bencomo gern in die verbotene Bucht schlich, war Ica, die schöne Ica, für die sein Herz heimlich schlug. Er hatte sie beim Baden gesehen. Ihr Körper war braun gebrannt und geschmeidig, sie lachte, wenn sie auf die Brandungswelle zulief, so als wolle sie mit ihr zusammenprallen und von der Wasserwand umgerissen werden. Im allerletzten Moment erst sprang sie ab und tauchte unter der Welle durch. Irgendwo dahinter, bange Augenblicke später, tauchte ihr blonder Haarschopf wieder auf, schüttelte sich, und ihr Mund lachte, als berge das Meer keine Gefahr, sondern wäre bloß ein Spielzeug für sie.

      Dieses Lachen, besonders das Lachen war es, was Bencomo verzaubert hatte. Mehrmals hatte er sie so erlebt, so ausgelassen und übermütig. Aber nie hatte er die Gelegenheit ergriffen, sie anzusprechen, und jetzt träumte er schon von ihr. Er war wie verhext: Er, der jetzt ein junger Krieger des ersten Grades war, die Mutprobe bereits bestanden hatte und im Tagoror bei den Männern sitzen durfte, fand nicht den Mut, ihr direkt in die Augen zu sehen oder gar mit ihr zu reden. In seinen Träumen aber geschahen ganz andere Dinge … Da tauchte er zusammen mit ihr durch die Brandung, schwamm mit ihr um die Wette, holte sie ein, umschlang ihren Körper, merkte, dass sich ihre Arme nicht gegen ihn wehrten, spürte ihre Brüste, hörte ihr Lachen dicht an seinem Ohr. Und später lagen sie im warmen, schwarzen Sand, Icas Kopf in seiner Achselhöhle geborgen, ihr Haar, ihre Haut, ihre Lippen schmeckten nach Salz und ihr Blick war so verführerisch tief, dass er gerne darin ertrank. In diesem Moment, hier in der Mulde des Seelensteins, glaubte er wieder, neben Ica zu liegen. Ganz deutlich meinte er ihren Körper zu spüren, ihren Atem; ihr blondes, inzwischen von der Sonne getrocknetes Haar wehte ihm über das Gesicht, kitzelte ihn. Er riss die Augen auf, sah sich verwirrt um. Neben ihm lag noch immer die hölzerne Lanze mit der im Feuer gehärteten Spitze, der Beutel aus dem Leder einer jungen Ziege, den er vorhin vom Gürtel gelöst hatte. Gofio war darin, das geröstete Mehlpulver aus den zerstampften Wurzeln des Farnkrauts. Bencomo öffnete den Beutel, schüttelte etwas vom weißgrauen Inhalt in seine hohle Hand, sammelte Speichel und spuckte mehrmals auf das Mehl. Als die Masse geschmeidig genug war, fing er an, daraus mehrere kleine Kugeln zu kneten. Eine nach der anderen steckte er in den Mund. Es schmeckte würzig, ein wenig herb vom Rösten, und es machte ihn satt. Ein paar Wildfeigen, die er am Morgen auf dem Weg zum Seelenstein gefunden hatte, ergänzten das karge Mahl.

      Zwei Eidechsen hatten sich lautlos genähert, ein braunes Weibchen lag bäuchlings auf den warmen Felsen gepresst, der größere schwarze Bulle mit blauem, pochendem Kehlsack hatte den Vorderleib aufgerichtet und die Krallenfüße seitlich zur Sonnenanbeter-Haltung gespreizt. Beide beobachteten aufmerksam Bencomo, vor allem, ob etwas von seinem Essen übrig bleiben würde. Aus der Nähe wirkten sie wie kleine Drachen, wie Urwelttiere einer längst vergangenen Epoche.

      In der Tat hatte Bencomo die Stiele der Feigen nicht mitgegessen, er warf sie in ihre Richtung, es war noch etwas Fruchtfleisch daran. Unglaublich flink schossen die beiden Tiere vor, schnappten nach den Happen und schleppten sie rasch außer Reichweite. Bencomo lachte und schnürte den Gofiobeutel fest zu. Er wusste, dass sie nicht davor zurückschrecken würden, in die Öffnung zu kriechen. Gofio stellte für sie einen besonderen Leckerbissen dar.

      Er gähnte erneut und machte es sich in der Steinmulde bequem. Die Sonne stand nun hoch, es wurde heiß, der Wind hatte die letzten Passatwolken zerteilt. Es war still ringsum. Der Schlaf im Schatten eines Drachenbaumes würde jetzt gut tun. Aber Bencomo musste ja Wache halten, in die Bucht von Taxacorte spähen, obgleich dort unten nichts geschah. Es war nie etwas passiert, solange er denken konnte. Aber Adargomas Geschichte hatte ihn doch nachdenklich gemacht. Wenn sie nun noch einmal kämen, diese Spanier …?

      Fliegen umsummten seinen Kopf, er jagte sie mit einer trägen Geste fort. Irgendwo kletterten Ziegen durch den Steilhang des Time, Geröll löste sich unter ihren Hufen und fiel zerbröckelnd zu Tal. Dann war es wieder still. Es war die Stunde der lautlos dahin gleitenden Falken. Müdigkeit überfiel Bencomo. Zugleich stiegen die Träume wieder in seinem Geist empor. Immer die gleichen Träume: Er kletterte den schmalen Saumpfad am Time hinab in die Bucht von Taxacorte. Sein Weg war vorbestimmt, das Ziel bekannt – das gischtschäumende Meer, das mit immer derselben Woge an die schwarze Sandküste СКАЧАТЬ