Tanausú. Harald Braem
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Название: Tanausú

Автор: Harald Braem

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Historische Romane und Erzählungen

isbn: 9788494150166

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СКАЧАТЬ aber zog plötzlich etwas ganz anderes Bencomos Aufmerksamkeit auf sich. Er hatte Stimmen gehört und schnellte hoch. Hinter seinem Felsen verborgen, sah er eine Gruppe Menschen auf den Strand kommen. Wo steckt Mazo, überlegte er. Hoffentlich war er ihnen nicht in die Arme gelaufen. Der Bruder war nirgends zu entdecken …

      Bencomos Herz schlug höher, sein Atem stockte, als er unter den Neuankömmlingen die schöne Ica entdeckte. Wie alt wird sie sein, fragte er sich wieder einmal. Vierzehn, fünfzehn oder vielleicht älter? Nein, dann würde sie wahrscheinlich schon zu den Harimaguadas in die Lehre gehen oder sogar verheiratet sein. Vielleicht war sie auch bloß ein Fischermädchen, eine von jenen, die nie den Stamm verlassen, am Wasser bleiben, um Netze zu flicken, Fische auszunehmen und eine Schar Kinder aufzuziehen, die dann später auch Fischer und Netzflicker werden würden.

      Sie war mit ein paar anderen Kindern dort, die meisten jünger als sie, wahrscheinlich ihre Geschwister. Bencomo blieb angespannt auf der Lauer liegen, als dort unten am Strand das Herumtoben begann. Die Kinder spielten Fangen und bewarfen sich so mit Sand, dass ihre Körper bald schwarz wie der Strand waren. Dann stürzten sie sich ins Wasser, sprangen quietschend in die Brandungswelle, ließen sich von ihr umspülen oder tauchten unter ihr durch. Es ging ihnen gut, so gut, dass sie nicht einmal auf dem Strand nach Essbarem suchten.

      Doch halt, das stimmte nicht: Ica hatte, was er erst jetzt bemerkte, einen Korb aufgestellt. Den holte sie jetzt, nachdem sie sich im Wasser ausgetobt hatte, hängte ihn um und begann, leicht vorgebeugt, den Uferstreifen abzusuchen. Was macht sie, fragte sich Bencomo. Lapas findet sie dort nicht, die kleben nur da, wo Felsen sind. Nach was bückt sie sich ständig, hebt es auf, hält es prüfend hoch, wirft es nach einigem Überlegen weg oder verstaut es im Korb?

      Bencomo bedachte nun nicht mehr, was er tat. Sein Verstand hatte einfach ausgesetzt, als er nun aus der Deckung des Felsens hervortrat und zu den Kindern hinüberging. Ein paar von ihnen entdeckten ihn, riefen etwas und deuteten mit dem Finger in seine Richtung.

      Ica schien davon nichts zu bemerken, zu versunken war sie in ihre Tätigkeit. Außerdem drehte sie ihm gerade den Rücken zu. Bencomo lief an den Kindern vorbei und tat so, als wolle er in die Brandungswelle springen. Im letzten Moment überlegte er es sich, schwenkte ab und ging mit langsamen Schritten am Ufer entlang.

      Als er Ica beinahe erreicht hatte, drehte sich das Mädchen um. Es war ein Zufall, sie konnte ihn unmöglich gehört haben, viel zu laut war das Rauschen des Meeres. Sie stand da und sah ihn herankommen. Bencomos Gang wurde schleppend, seine Füße waren plötzlich schwer wie Basalt, und die nackten Sohlen brannten im Sand. Zwei, drei Schritte weiter ging er und blieb erst stehen, als er dicht vor ihr stand. Den Blick hatte er nicht gesenkt wie sonst. Sein Herz pochte wild, und das Blut in seinen Adern rauschte so laut wie das Meer.

      Mit einem Mal wurde ihm überdeutlich bewusst, dass sie sich schon geraume Zeit gegenüberstanden. Wie schön Ica war! Die schönste Blume der Insel, und gischtnass ihre Haut, die in der Sonne funkelte, wie von tausend Perlen besetzt. Ich kann wieder nicht sprechen, dachte Bencomo, nur schauen und schweigen wie immer. Aber zu seiner grenzenlosen Überraschung öffnete sich sein Mund ganz von selber.

      «Ich heiße Bencomo», hörte er sich sagen und war erstaunt über seinen Mut.

      Das Lächeln, das er so liebte, verzauberte ihr Gesicht.

      «Ich bin Ica», sagte sie. Bildete er sich das nur ein, oder glitt ihr Blick wirklich zärtlich über seinen Körper?

      Er trat noch einen Schritt vor und streckte die rechte Hand aus. Und Ica, was tat Ica? Sie ließ den Korb von ihrer Schulter gleiten und ergriff seine Hand. Eine ganze Weile standen sie so, blickten sich an und hielten sich an der Hand. Es war ein Stück von der Traumzeit, das plötzlich greifbar geworden war.

      «Was sammelst du da?» fragte Bencomo. «Das können doch keine Lapas sein …»

      «Es sind Steine», antwortete Ica und deutete auf den Inhalt ihres Korbes. «Ich nehme nur die schönsten, die mit weißer und grüner Maserung. Sie kommen aus dem Meer und können Geschichten erzählen – wusstest du das nicht?»

      «Und was tust du mit ihnen?»

      «Ich bringe sie zum Tagoror unseres Stammes, um damit den Boden auszulegen», antwortete Ica. «Im Tagoror, im Kreis der großen Steine, wird Rat gehalten und alles Wichtige besprochen. Es wird aber nicht nur geredet, sondern auch geschwiegen, das ist sehr wichtig, denn in der Stille sprechen die Steine. Deshalb sammle ich die schönsten Steine vom Meer, die von ihm zu berichten wissen. Sie bringen dem Rat unserer Alten Freude und machen ihn noch weiser.»

      «In der Stille sprechen die Steine …», wiederholte Bencomo nachdenklich. Wie recht sie hatte, und wie klug sie darüber sprach. Er hätte nie gedacht, dass ein so junges Mädchen fähig war, einen so großen Gedanken so leichthin auszusprechen.

      «Gehörst du vielleicht zu den Harimaguadas, bist du eine, die aus den Bergen kommt?»

      Ica lächelte und blieb doch ernst dabei. «Noch nicht. Aber ich habe vor, eine Zeitlang bei den weisen Frauen in die Lehre zu gehen.»

      Bencomo fühlte sich plötzlich hilflos und klein. Während ihres Gesprächs war die ganze Welt ringsum für ihn unsichtbar und unbedeutend geworden. Jetzt kam sie mit all ihren Geräuschen zurück. Er hörte die Stimmen der anderen Kinder, das Meer, die Schreie der Seevögel. Und er dachte an Mazo, der immer noch verschwunden war.

      «Ich komme von dort oben, aus Hiscaguan, und lebe im Dorf Tixarafe», sagte er, mit dem Daumen über seine Schulter zur Felswand des Time deutend. «Ich muss gehen.»

      Er drehte sich abrupt um und lief, ohne sich noch einmal umzusehen, zu jenem Steinbuckel zurück, wo die Körbe und die Fischgabel lagen. Dort saß Mazo und blickte ihn mit großen Augen fragend an.

      «Du hast mit ihr gesprochen», sagte er, «und die anderen Kinder waren dabei, ich habe alles gesehen.»

      «Lass uns gehen.»

      «Aber wir wollten doch noch Fische fangen», protestierte Mazo.

      «Jetzt nicht», antwortete Bencomo. «Nicht vor den Augen der anderen. Wir suchen uns eine stille Bucht.»

      «Schade», maulte Mazo, «es hat mir hier gut gefallen. Und Fische gibt es hier auch genug, große sogar. Meinst du, dass es woanders auch so große Fische gibt?»

      «Mehr als genug. Komm jetzt, lass uns gehen.»

      Sie hasteten zum Fuß der Steilwand und überwanden ein paar glitschige, vorgelagerte Klippen. Nach einer Weile drehte sich Bencomo um, aber von der Bucht, von Ica und den Kindern war nichts mehr zu sehen.

      Später, nachdem sie drei Prachtexemplare von Fischen gefangen und im Korb verstaut hatten, machten sie sich auf den Rückweg. Sie kletterten schweigend in den Felsen und kehrten erst am späten Nachmittag heim. Schon von weitem hörten sie im Dorf die Trommeln dröhnen, dazu den Klang des Muschelhorns. Es tönte traurig und langgezogen, wie das sehnsuchtsvolle Rufen eines einsamen Tieres auf See.

      «Was hat das zu bedeuten?» fragte Mazo.

      «Ich weiß es nicht», antwortete Bencomo wahrheitsgetreu. Ein banges Gefühl beschlich ihn, die Ahnung, dass etwas Schreckliches passiert sein musste. Denn die Töne klangen alles andere als fröhlich, sie waren gedehnt und dunkel, etwas Unheimliches schwang darin mit, das nichts Gutes verhieß.

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