Tanausú. Harald Braem
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Название: Tanausú

Автор: Harald Braem

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Historische Romane und Erzählungen

isbn: 9788494150166

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СКАЧАТЬ blickte den jungen Mann prüfend an. «Es ist gut», nickte er, «die Sache bleibt unter uns.»

      Der Wind war etwas frischer geworden. Unten in der Bucht wühlte er nun bestimmt das Wasser auf. Aber das konnte man von hier aus nicht so genau erkennen, nur dass das dunkle Meer jetzt einen weißlichen Gischtschleier trug. Als Bencomo den Kopf hob, sah er die Sonnenscheibe westlich von Tixarafe versinken und den Himmel sich rotviolett verfärben. Zugleich stand im Osten der Mond über dem Rücken der Cumbre. Bleich war er und beinahe voll. Die Hänge der Cumbre lagen schwarz und scharf konturiert wie ein lang gestrecktes, schlafendes Tier über dem Aridane-Tal. Einzelne Feuer leuchteten dort, Sterne, von Menschenhand entzündet, zitternd wie die Sterne am nächtlichen Himmel, die bald sichtbar werden würden.

      «Und das Mädchen Gazmira, von dem du mir erzählt hast … du weißt schon, die von den Fremden gefangen wurde …», fragte Bencomo, «… was geschah eigentlich mit ihr?»

      Adargoma verzog das Gesicht. «Das weiß niemand. Schön und klug war sie, ich habe sie gekannt. Ein Fischer sah, wie die Spanier sie aufs Schiff schleppten. Beim Kampf in der Schlucht der Todesängste war sie jedenfalls nicht mehr dabei. Ob sie noch lebt? Sie müsste jetzt etwa so alt sein wie ich. Vielleicht wurde sie als Sklavin verkauft.»

      «Sklave …» Bencomo spuckte aus. «Wie kann man einen Menschen als Ware betrachten und damit handeln … Im Kampf verwundet zu werden oder das Leben zu verlieren, das ist ehrenhaft. Aber lebendig gefangen zu sein, ein Unfreier, der anderen dienen muss – das ist wohl das Schlimmste, was einem Menschen passieren kann.»

      «Du denkst wie ein echter Krieger», sagte Adargoma. «Genauso fühle ich auch, fühlen wir alle. Darum müssen wir ein Leben lang wachsam sein und unsere Insel vor diesem Übel bewahren.» Er schnellte plötzlich auf die Beine, rieb sich die vom Sitzen müde gewordenen Glieder. «Du kannst übrigens gehen, Kleiner», sagte er, «deine Wache ist vorbei, und ich bin hier, um dich abzulösen.»

      «Nenn mich nicht immer Kleiner, auch wenn du ein Verwandter meines Vaters bist», sagte Bencomo.

      Adargoma grinste spöttisch. Er wollte etwas erwidern, verkniff es sich aber. Statt dessen stieß er den Jungen freundschaftlich an die Schulter. «Ist gut, ich werde das nächste Mal daran denken. Weißt du, wenn man erst so alt ist wie ich, kommen einem die meisten Menschen wie Kinder vor … Geh nun, im Dorf warten bestimmt deine Freunde auf dich. Für mich sind die stillen Abende gut, und noch besser die Nacht.» Er deutete auf die an seinem Haarschopf baumelnde Feder. «Wahrscheinlich bin ich eine alte Krähe. Ich unterhalte mich gerne mit ihnen, wenn sie zum Seelenstein kommen …»

      Er brabbelte noch weiter, aber das hörte Bencomo, der in langen Sätzen die Hänge nach Tixarafe hinabsprang, schon nicht mehr. Der Geruch des Feuers zog ihn ins Dorf.

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      Ich muss Ica unbedingt wiedersehen, dachte Bencomo. Aber unter welchem Vorwand kann ich zur Bucht gehen? Auffällig oft schon war er zum Lapassammeln zu den Klippen hinabgestiegen. Seine Freunde hatten es bemerkt, seine Eltern. Und sie hatten ihn gewarnt: «Lass dich nicht so oft im Aridane-Tal sehen, das geht auf die Dauer nicht gut. Wir leben zwar in friedlicher Nachbarschaft mit Mayantigos Stamm, aber das war nicht immer so und kann sich auch wieder ändern. Willst ausgerechnet du Ursache für neue Streitigkeiten sein? An den Felsen von Tixarafe kleben genug Lapas, ausreichend für uns alle.»

      «Aber keine so großen wie in der Bucht von Taxacorte», widersprach Bencomo starrköpfig. «Außerdem habe ich neulich auf dem Weg dorthin Obsidianknollen entdeckt, so groß, dass man mehrere Klingen daraus schlagen könnte. Obsidian ist härter als der Basalt, den wir für unsere Messer verwenden. Basalt wird im Gebrauch schartig und stumpf, außerdem bricht er sehr leicht. Bei Obsidian passiert so was nie.»

      «Du bist ein sturer Bursche», antwortete Zuguiro, Bencomos Vater. «Meinetwegen geh, aber lass dich nicht erwischen.»

      Und Bencomos Mutter ergänzte: «Pass vor allem auf Mazo auf, wenn du ihn mitnimmst. Du bist für ihn verantwortlich.»

      Mazo, der jüngere Bruder, war jedes Mal begeistert, wenn Bencomo ihn auf seine Streifzüge mitnahm. Mazo war zwölf, galt also noch als Kind und durfte nicht im Kreis bei den Kriegern sitzen. Wenn alles gut ging und der Feycan, der Richter, zustimmte, würde er im Sommer zur Männerweihe zugelassen werden. Die Weihe war mit einer Mutprobe verbunden. Erst wenn man diese bestand, galt man als vollwertiges Mitglied des Stammes.

      Mazo war blond, sein Haar viel heller als das von Bencomo, und seine Augen glitzerten so blau wie das Wasser des Taburienteflusses. Er lief meist nackt, bis auf den ziegenledernen Lendenschurz, und er beneidete Bencomo heftig darum, dass dieser bereits einen Jagdbeutel mit allerlei Utensilien am Gürtel tragen durfte. Einmal hatte der ältere Bruder den Inhalt ausgebreitet und stolz die Gegenstände, die er ständig bei sich trug, gezeigt: Klingen und Schaber aus Basalt und Obsidian, schwarze, getrocknete Mocanbeeren als Notnahrung, eine verzierte Knochennadel – und als kostbarsten Besitz eine kleine Tonfigur, die ihm die Medizinfrau nach der bestandenen Mutprobe geschenkt hatte. Sie war kaum so groß wie eine Fingerkuppe und stellte Tara, die große Erdmutter dar – eine fette, sitzende Frau mit langem Hals, der in einen winzigen, gesichtslosen Kopf auslief. Jeder Krieger und auch die erwachsenen Frauen besaßen eine solche Figur. Sie sah bei jedem anders aus, verkörperte aber stets Tara. Die große Erdmutter offenbarte sich in vielerlei Gestalten und Formen.

      «Pass auf», sagte Bencomo, «wir steigen zur Bucht von Taxacorte hinunter und sammeln den ganzen Tag lang alles, was wir brauchen können. Wir nehmen Körbe mit, häng dir den großen um, den Vater neulich geflochten hat.»

      «Werden wir Lapas schneiden?»

      «Ja.»

      «Und vielleicht auch ein paar Fische fangen?»

      «Auch das.»

      «Dann nehme ich den Angelhaken und den Speer mit.»

      «Tu das. Vor allem aber versprich mir eines: Verhalte dich ruhig; wir wollen unbemerkt bleiben, und wenn wir Leute des anderen Stammes sehen, verstecken wir uns. Es ist ihr Gebiet, in dem wir unterwegs sind.»

      Mazo war aufgeregt. Er fieberte darauf, sich zu beweisen. der Ausflug war ganz nach seinem Geschmack.

      Im Morgengrauen, als die Sonne schon ihr erstes Licht aufs Meer schickte, aber noch nicht über den Hängen des Time stand, gingen sie los. Sie folgten der Trittspur zum Seelenstein, bogen dann aber ab und benutzten den alten Weg, der an den verlassenen Höhlen vorbeiführte. Hier wurde Mazo still, presste die Lippen zusammen und konzentrierte sich darauf, seine Füße sicher zwischen die bröckligen Steine zu setzen, ohne nach rechts oder links zu blicken. Dabei war der abschüssige Weg hier keinesfalls gefährlicher als an anderen Stellen am Time. Aber die verlassenen Höhlen ängstigten ihn. Es hieß, in den uralten Zeiten seien hier Menschen begraben worden, und ihre Geister schwebten noch immer über dem Ort.

      Das stimmte möglicherweise sogar. Bevor man den Friedhof in der großen Felskammer angelegt hatte, war es bei den Vorfahren üblich gewesen, die Toten in Wohnhöhlen zu lassen oder sie sogar dort einzumauern. Solche Höhlen waren fortan tabu, man machte einen weiten Bogen um sie. Einmal waren Mazo und Bencomo bei ihren Streifzügen auf eine Höhle gestoßen, die weitab von den anderen im Felshang lag. Da es regnete und ein heftiger Sturm ging, suchten sie einen Unterschlupf und hatten sich nach anfänglichem Zögern weiter hineingetraut. An der Rückwand der Höhle waren sie auf röhrenartige Löcher gestoßen, in die sie aber nicht kletterten, weil Bencomo sagte, es seien alte Gasschlünde des Vulkans, und sie würden direkt zum Zentrum der Erde führen, wo der Guayote saß und über СКАЧАТЬ