Tanausú. Harald Braem
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Название: Tanausú

Автор: Harald Braem

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Historische Romane und Erzählungen

isbn: 9788494150166

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СКАЧАТЬ unsere Insel erobern und alle Einwohner als Sklaven verkaufen. So ist es nämlich Sitte in jenem fernen Land Spanien: Sie fahren mit vielen Schiffen über das Meer, überfallen Inseln und betreiben Menschenhandel. Sie legen die Menschen in Ketten, sperren sie wie Tiere in Käfige ein und verkaufen sie irgendwo, wo man für arbeitskräftige Sklaven große Reichtümer eintauschen kann.

      Aber zurück zu meiner Geschichte: Die Krieger unseres Stammes lagen also in den Bergen versteckt und beobachteten die Fremden. Nach ein paar Tagen sahen wir, dass ein großes Heer von ihnen, etwa zweihundert schwer bewaffnete Männer, von der Bucht aus in die Schlucht eindrangen. Guillén Peraza führte sie an. Er ritt auf einem merkwürdigen Tier mit sehr hohen Beinen. Er, wie auch einige andere Männer des Zuges, trug eine Kleidung, die wie Schuppen von Fischen glänzte. Die Fremden gingen langsam, manche schleppten schwere Lasten, und es klirrte leise bei jedem Schritt.

      Inzwischen waren auch die Krieger aus dem Kraterkessel und die des Aridane-Tales zu uns gestoßen. Gemeinsam beobachteten wir den Zug der Fremden. Madango erkannte, dass sie nicht in friedlicher Absicht kamen. Sie hatten Taxacorte überfallen und ausgeplündert, und jetzt kamen sie mit all ihren Waffen zum Kraterkessel, in dem unser Heiliger Berg, der Idafe, liegt. Sollten wir also zusehen, wie sie ihn erreichten und womöglich dort den heiligen Opferplatz schändeten? Madango unternahm den Versuch, die Fremden aufzuhalten und zur Rede zu stellen. Er schickte drei Krieger des Stammes hinab in die Schlucht. Das waren Darapara, Chimayo und Garfa. Ich sehe es vor mir, als wäre es erst gestern gewesen: Die drei kletterten die Steilhänge des Time hinab und stellten sich den Fremden in den Weg. Sie waren mutig und unerschrocken und zudem mit Lanzen und Keulen bewaffnet. Wir alle sahen, dass sie nicht drohend, sondern ruhig auf die Fremden zugingen, um mit ihnen zu verhandeln. Was aber tat Guillén Peraza? Er winkte von seinem hochbeinigen Tier aus mit der Hand und gab ohne Warnung das Zeichen zum Angriff. Mehrere Fremde hoben lange Hölzer und richteten sie auf unsere Krieger. Es donnerte und gab Rauch, dann sanken Darapara, Chimayo und Garfa wie vom Blitz getroffen zu Boden. Jetzt stürmten andere vor und stachen mit blitzenden Stäben auf sie ein, die doch schon bereits am Boden lagen. Ich weiß nicht, was dies für Waffen waren, aber ich sah, dass sie die drei Männer in kürzester Zeit töteten.

      Was hättest du nun an unserer Stelle getan? Sollten wir weglaufen, die Insel, unsere geliebte Heimat Benahoare, den Feinden kampflos überlassen? Madango entschied sich für den Angriff. Wir ließen die Fremden noch ein Stück tiefer in die Schlucht hinein vorstoßen, dann schlugen wir zu: Zunächst rollten wir Felsen ins Tal und lösten Steinlawinen aus, die ihnen den Rückweg versperrten. Dann verließen wir unsere Deckung und stürmten die Hänge hinab. Viele unserer Lanzen und Schleudersteine trafen und töteten feindliche Krieger. Aber die Waffen der Spanier erwiesen sich als überlegen. Besonders gefährlich waren ihre langen Hölzer, die Blitz und Donner spien. Durch sie wurden einige unserer besten Leute getötet, noch bevor sie den Gegner erreichen konnten. Auch die blitzenden Stäbe waren besser als unsere Lanzen und Keulen. Ein solcher Stab fuhr mir ins Gesicht, zerfraß mir das Fleisch und hätte mir beinahe meinen Schädel gespalten. Mit letzter Kraft schleppte ich mich davon, obgleich ich viel Blut verlor. Schließlich schwanden mir die Sinne.

      Als ich wieder zu mir kam, lag ich auf einem Felsvorsprung, hinter einem Gebüsch verborgen, nicht weit von der Schlucht entfernt. Grauenhaft brannte meine Wunde, ich war viel zu schwach, um mich aufzurichten, aber ich blieb bei Bewusstsein und konnte den weiteren Verlauf der Schlacht verfolgen.

      Unsere Krieger waren ein kurzes Stück in die Berge zurück gewichen. Das war taktisch klug, denn hier fanden sie Schutz, während die Spanier sich in der Schlucht nicht verstecken konnten. Außerdem waren wir nun den Fremden eindeutig überlegen, wir kannten jede Trittspur, jeden Stein. Wir hatten die Spanier eingeschlossen. Immer wieder sprangen unsere Krieger aus ihrer Deckung hervor, schleuderten Steine und Lanzen und tauchten danach wieder unversehrt in der Felswildnis unter. Es war klar: Wir mussten sie alle vernichten. Ich sah, wie Madango mit ein paar Leuten den Anführer der Fremden angriff. Ein schwerer Stein hatte seinen Helm getroffen. Guillén Peraza stürzte von seinem Tier, als ihn Madango ansprang und ihm die Lanze in den Hals bohrte. Ein fürchterliches Gemetzel entbrannte. Von allen Hängen stürmten unsere Krieger herab und fielen mit Kriegsgeschrei über die Spanier her. Es gab viele Tote und Verletzte auf beiden Seiten.

      Schließlich zogen sich unsere Leute erneut zurück, um den Einbruch der Nacht abzuwarten. Es waren nicht mehr viele der Spanier am Leben. Hinter einem Felsvorsprung hatten sie sich verschanzt, nachdem sie bemerkt hatten, dass ihnen der Rückzug zum Meer abgeschnitten war.

      Und dann kam die Nacht. Es war sehr dunkel, der Mond besaß nur halbe Größe und war noch nicht über den Time geklettert. Aber wir Guanchen sehen in der Nacht fast so gut wie am Tage. Nach Mitternacht überfielen wir die Fremden erneut. Ich hörte den Klang der Waffen, Schreie und schließlich das Siegesgeheul unserer Krieger. Zweihundert Spanier waren es am Anfang gewesen, nur eine Handvoll soll entkommen sein. Am nächsten Tag verließ das Schiff die Bucht.»

      Adargoma hatte lange gesprochen, zuletzt war seine Stimme ganz heiser geworden. Nun saß er da, den Kopf nachdenklich gesenkt, er sann wohl noch einmal den Ereignissen von damals nach.

      Die Sonne war inzwischen über den Himmel gewandert, länger wurden die Schatten am Time, die Schlucht lag bereits ins Halbdunkel gehüllt. Noch immer kreisten Falken über den Hängen. In den Bäumen schrillten Zikaden.

      Bencomo hatte dem Bericht des alten Kriegers aufmerksam gelauscht. Was er erzählt hatte, klang wirklich anders als die Geschichten am Lagerfeuer. Er spürte, dass Adargoma alles selber miterlebt hatte und noch immer davon berührt war.

      «Ja», setzte Adargoma nach einer längeren Pause des Schweigens fort, «nun weißt du, woher die Schlucht der Todesängste ihren Namen hat. Todesängste haben wir ausgestanden, und gewiss auch die Fremden in ihren letzten Stunden dort. Besonders aber ich, besonders ich …»

      Er hatte den Kopf gehoben und strich mit dem Zeigefinger über die scheußliche Narbe zwischen Auge und Mundwinkel.

      «Ich lag lange auf jenem Felsvorsprung, bis man mich endlich fand. Mehr als einmal spürte ich den Todesdämon nahen, aber ich wollte einfach nicht sterben, es war noch zuviel Lebenswille in mir. Schließlich pflegte die Medizinfrau mich gesund. Und du siehst: Es ist ihr gelungen.»

      Adargoma lachte. Dabei verzog sich die Narbe in seinem verwitterten Gesicht. Aber je länger Bencomo hinsah, desto mehr verlor sie an Schrecken. Er hatte sich fast schon daran gewöhnt. Er fühlte eine tiefe Zuneigung zu diesem alten Mann, der ein Verwandter seines Vaters war. Viel schon hatte er von ihm gelernt, alle Kniffe und Kenntnisse, die man nur einem erfahrenen Krieger abschauen konnte.

      Der Alte beugte sich vor und sprach plötzlich flüsternd, was Bencomo recht unangemessen vorkam – schließlich saßen sie beide allein auf dem Seelenstein, weitab von Tixarafe und den Menschen. Wer sollte sie also hören?

      «Seit jener Zeit haben wir nie aufgehört, die Bucht zu bewachen. Wenn es auch für die Fremden eine schlimme Erfahrung war, auf Benahoare zu landen, und hoffentlich auch eine Lehre, so weiß man doch nicht, ob sie nicht vielleicht doch eines Tages wiederkommen. Und wenn, dann sollen sie uns bereit und in Waffen antreffen. Es ist sehr wichtig, hier Wache zu halten, lebenswichtig sogar … Deshalb sollte ein Krieger, der hier oben seinen Dienst tut, sich nie vom Schlaf übermannen lassen. Es kann verderblich für den ganzen Stamm werden, wenn die Wache einschläft.»

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      Das Meer lag still glitzernd wie eine Perle zwischen den Schatten der Berge. Ein sanfter warmer Wind glitt über die Wände, raschelte in den langstieligen Blättern der Drachenbäume. Wie Riesen der Urzeit sahen sie aus mit ihren knorrigen Wurzelstämmen, den wuchtigen, weitausladenden Kronen. Über die scharfe Felskante des Time glitt pfeilschnell ein Falkenpaar dahin, streifte mit den Schwingen fast den Boden, um sich dann im Steilflug СКАЧАТЬ