Название: Chronik eines Weltläufers
Автор: Hans Imgram
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Karl May Sonderband
isbn: 9783780216243
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Samstag, 8. Oktober 1964:
So verging die Nacht. Langsam wurde es heller, und nun sahen wir die Pfahlmänner zu Pferd im Galopp herankommen. Über dreißig Schüsse krachten. Die Schar der Angreifer bildete augenblicklich einen wirren Haufen. Tote und Verwundete stürzten von den Pferden. Die herrenlos gewordenen Tiere rannten weiter. Die anderen wurden von ihren Reitern zurückgerissen und jagten fliehend nach Süden. Ihrer waren freilich kaum noch über zehn. Ein Teil der Verfolger, mit Winnetou an der Spitze, ritt ostwärts, um dann nach Süden einzulenken und den Fliehenden den Weg dorthin zu verlegen, damit sie gezwungen seien, zwischen den beiden Kaktusfeldern einzubiegen. Ich eilte mit den anderen im Trab nach Süden, hinter den Wüstenräubern her. Nur Davy und Jemmy ritten eilig nach Südwesten, wo sie eine Kaktusfläche in Brand stecken sollten. Jahrelang hatten die papierdürren Kaktusreste dagelegen. Das gab einen Stoff wie Zunder. Die aufsteigende Hitze erzeugte einen Luftstrom, der immer stärker wurde und sich gar zum Wind erhob. Die Luft war glühend heiß; der Sand schien zu brennen. Droben begannen Blitze durch die Wolken zu zucken. Einzelne Tropfen fielen, dann mehr und immer mehr. Und jetzt regnete es wirklich, stärker, immer stärker, bis es schließlich goss wie bei einem tropischen Gewitter. Ich war überzeugt, dass die Auswanderer alle verfügbaren Gefäße herbeiholten, um sie sich füllen zu lassen, und die fast verschmachteten Ochsen wieder Leben bekamen. Von den gejagten ‚Geiern‘ waren nur noch drei übrig, von denen zwei an Eisenherz vorübermussten. Er erkannte sie, die bei der Ermordung seines Vaters beteiligt gewesen waren. Zwei Schüsse, und sie stürzten von den Pferden. Indessen jagte Bloody-Fox den Anführer Burton vor sich her bis vor die Hütte. Dort brach das Pferd des Räubers zusammen und Burton flog aus dem Sattel. Seine Augen blickten starr und gläsern, er hatte sich den Hals gebrochen. Bloody-Fox aber hatte in dem Toten den Mörder seiner Eltern erkannt. Jetzt kamen auch wir herbeigestürmt, während Fox sein Pferd bestieg und zurückritt, um sein zuvor verlorenes Büffelfell aufzunehmen und es wieder über Kopf und Schulter zu hängen. Alle, außer mir, waren ungemein erstaunt, als sie Bloody-Fox nunmehr in dem weißen Fell erblickten und in ihm den sagenhaften Geist des Llano erkannten. Auch Bob war mit in das ‚Geisternest‘ gekommen. Da kam eine Schwarze auf ihn zu, die ‚Haushälterin‘ von Bloody-Fox, und sprach mit ihm. Dann fielen sich beide in die Arme, denn es stellte sich heraus, dass Bob ihr Sohn war, der als Sklavenkind von Tennessee nach Kentucky verkauft worden war. Hier hatte er endlich seine Mutter Sanna wiedergefunden, die er immer gesucht hatte. Die Geier waren besiegt, und die Auswanderer wurden herbeigeholt. Bloody-Fox war der Held des Tages. Er musste seinen seltsamen Lebenslauf ausführlich erzählen, und er sprach den festen Entschluss aus, für immer hierzubleiben, um den Llano von den ‚Geiern‘ rein zu halten. Sanna und Bob erklärten, ihn nicht verlassen zu wollen.
Sonntag, 16. Oktober 1864:
Die Komantschen und die vier anderen Männer brachen schon nach zwei Tagen auf. Wir anderen aber blieben gut eine Woche als Gast bei Bloody-Fox. Hobble-Frank wollte mit den beiden Baumanns wieder zum Haus des ‚Bärenjägers‘; der Dicke Jemmy und der Lange Davy hatten andere Pläne. Die Auswanderer wollten nach Arizona hinüber. Winnetou und ich würden sie bis an den Rio Pecos begleiten,7 dann wollten wir nochmals hinauf zu den Schoschonen, die uns im Sommer zur Herbstbüffeljagd eingeladen hatten. Als wir uns von Bloody-Fox verabschiedeten, mussten wir ihm versprechen, ihn unbedingt zu besuchen, falls wir wieder in den Llano Estacado kämen.
Dienstag, 29. November 1864:
Bei den Schoschonen waren wir auch mit Amos Sannel, einem alten biederen Pelzjäger zusammen gewesen, der ein ganz seltenes Gewehr aus der Werkstatt von ‚Ralling, Shelbyville, Tenn.‘ besaß. Er hatte in die beiden Backen des Schlosses Blumen ätzen lassen, deren Staubfäden rechts am Lauf ein A und links ein S bildeten.8
Dienstag, 31. Januar 1865:9
Danach war ich mit Winnetou über das Gebirge und trotz der späten Jahreszeit quer durch ganz Wyoming bis nach Fort Niobrara in Nebraska geritten, wo uns der Winter überraschte. In Fort Niobrara wurden wir leider vollständig eingeschneit, und wir sahen uns gezwungen, den ganzen Dezember und Januar in dieser Einsamkeit zu bleiben. Es gab nur zwei Personen, mit denen wir uns zuweilen unterhielten. Das waren die Brüder Burning aus Moberly in Missouri, die in den Black Hills glücklich nach Gold gegraben hatten und sich jetzt mit dem Ertrag ihrer schweren Arbeit auf dem Heimweg befanden. Außerdem hatte sich noch allerhand Volk im Fort zusammengefunden, lauter zweifelhafte Existenzen, mit denen die Burnings nicht verkehrten. Am rohesten betrugen sich zwei Kerls, die Grinder und Slack hießen. Das ständige Wort Grinders war „Ich will gleich erblinden“, während sein Kumpan die Lästerung „Gott soll mich wahnsinnig machen“ im Munde führte. Zu erwähnen sind noch zwei Indianer, die der Schneesturm nach dem Fort getrieben hatte. Sie behaupteten, dem Stamm der Caddo ananzugehören, waren aber wahrscheinlich Ausgestoßene, die nicht einmal Waffen hatten, denn sie waren von den Sioux ausgeraubt worden. Sie wollten nach Kansas hinunter und schnitzten sich Pfeile und Bogen, um nicht unterwegs hungern zu müssen.
Dienstag, 7. Februar 1865:
Anfang Februar trat plötzlich milde Witterung mit Tauwetter und dann Regen ein. Der Schnee verschwand, und wir konnten nun daran denken, unseren Ritt fortzusetzen. Zuerst brachen die beiden Indianer auf, zu Fuß natürlich. Zwei Tage später ritten die Brüder Burning fort, denen am nächsten Tag Grinder und Slack folgten.
Mittwoch, 8. Februar 1865:
Als erfahrene Westmänner warteten wir noch einen Tag, um zu erfahren, ob die milde Witterung beständig sei; dann brachen auch wir auf. In dem weichen Boden sahen wir ganz deutlich die Spuren derer, die Fort Niobrara vor uns verlassen hatten. Sie alle schienen ohne Ausnahme, so wie auch wir, nach Fort Hillock zu wollen.
Sonntag, 12. Februar 1865:
Die Spuren hielten sich beisammen, und wir folgten ihnen über den Loup-Fork hinüber. Von da aus konnte man Fort Hillock nach einem kurzen Tagesritt erreichen. Da es aber jetzt schon über Mittag war, konnten wir nicht vor morgen Vormittag dort eintreffen. Diese Nacht verbrachten wir am Gebüsch eines kleinen Nebenflüsschens des Loup-Fork.
Montag, 13. Februar 1865:
Sobald es im Osten nur einigermaßen zu grauen begann, saßen wir СКАЧАТЬ