Название: Chronik eines Weltläufers
Автор: Hans Imgram
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Karl May Sonderband
isbn: 9783780216243
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Mittwoch, 29. Juni 1864:
Als der Tag zu grauen begann, machten wir uns auf die Suche. Wir brauchten gar nicht weit zu gehen, bis wir den Sohn liegen sahen, tot und kalt. Die Kugel des Außenpostens war ihm von hinten in die Brust gedrungen. Das Pferd war mit dem Alten weitergelaufen und hatte ihn an einer Felswand, die wohl dreißig Meter tief nach dem Fluss abwärts ging, abgeworfen. Wir holten ihn herauf. Seine Lästerung „Ich will erblinden und zerschmettert werden!“ war wortwörtlich eingetroffen. Als er erfuhr, dass sein Sohn tot sei, brach er sichtlich erschüttert zusammen. Endlich gestand er seine Tat, die beiden Pah-Utah-Indianer erschossen zu haben, und flehte um Gottes Barmherzigkeit. Dann starb er.
Donnerstag, 30. Juni 1864:
Wir hatten uns noch im Laufe des gestrigen Tages von den Navajos und den Pah-Utahs, die gemeinsam die Friedenspfeife geraucht hatten, getrennt und waren nach Norden weitergeritten. Dick Hammerdull und Pitt Holbers schlossen sich uns an. Ihre vier Gefährten aber ritten mit den Navajos zurück. Vor uns lag noch ein weiter Weg vom unteren Grenzgebiet der Territorien Utah und Colorado bis hinauf nach Wyoming.
Donnerstag, 28. Juli 1864:4
Vor drei Jahren war ich droben am Yellowstone von den Sioux-Ogellallah überfallen worden und musste mit drei Indianern kämpfen, um mein Leben zu retten. Nun wollte ich mit Winnetou nochmals hinauf zum Yellowstone, um die Gräber der von mir getöteten Sioux zu besuchen. Unsere kleine Gesellschaft bestand aus vier Personen: Winnetou, dem lustigen Dick Hammerdull, seinem wortkargen Freund Pitt Holbers und mir. Danach hatten wir einen uns befreundeten Stamm der Schoschonen besucht und waren von ihrem Häuptling und einigen hervorragenden Kriegern bis an die Mündung des Gooseberry Creek in den Bighorn River begleitet worden. Hier mussten die Schoschonen umkehren, weil jenseits des Bighorn das Gebiet der Upsarokas, der Krähen-Indianer, begann, mit denen sie in Todfeindschaft lebten. Zuvor hatten sie uns zu einer Bisonjagd im Herbst eingeladen, was wir auch angenommen hatten, vorausgesetzt, dass uns nichts dazwischenkäme. Als sie sich von uns getrennt hatten, setzten wir unseren Ritt in östlicher Richtung fort. Dick Hammerdull und Pitt Holbers wollten über die Bighorn Mountains nach dem Powder River und dann nach den Black Hills. Nördlich der Richtung, in der wir ritten, hatten die uns feindlich gesinnten Upsarokas ihre Jagdgebiete, und bis in die südlich von uns gelegene Rattlesnake Range waren die Sioux-Ogellallah vorgedrungen, unsere alten Gegner, die einen unversöhnlichen Hass gegen uns hegten. Wir befanden uns also zwischen zwei Völkerschaften, mit denen wir jede Begegnung möglichst zu vermeiden hatten. Noch hatten wir uns nicht weit vom Bighorn River entfernt, als wir auf eine Spur von etwa zweihundert Upsaroka-Indianer trafen, die sich auf einem Kriegszug befanden. Die Fährte stammte von gestern früh. Gegen Abend sahen wir zwei Pferdespuren und trafen bald auf eine Indianer-Squaw, die hinter ihren beiden vierzehn- und fünfzehnjährigen Söhnen her war, die heimlich ihrem Vater, dem Häuptling dieses Upsaroka-Stammes, folgen wollten. Nach einiger Zeit erblickten wir ein Lager der Sioux-Ogellallah. Als es dunkel war, beschlichen Winnetou und ich das Lager. Der Unterhäuptling ‚Langer Leib‘ saß mit einem Weißen etwas abseits, neben ihnen lagen die Upsaroka-Buben gefesselt im Gras. Der ältere der beiden sagte zu dem Weißen, dass dieser Folder heiße und seinem Vater einst Pferde gestohlen hätte. Der Weiße öffnete den Fellsack und zeigte ihnen die giftigen Klapperschlangen, die sich darin befanden. Da sprang neben uns die Indianer-Squaw aus den Büschen und warf sich über ihre Kinder. Der Unterhäuptling wollte Späher aussenden, um das Pferd der Squaw zu finden. Wir mussten schnellstens unseren jetzigen Lagerplatz verlassen und nahmen natürlich das Pferd der Squaw mit. Als wir uns nach Mitternacht wieder zum Lager der Sioux schlichen, waren sie nicht mehr da. Sie hatten also ihren Kriegszug fortgesetzt. Wir bestiegen unsere Pferde und ritten ihnen nach.
Freitag, 29. Juli 1864:
Vorsichtig folgten wir der Fährte. Dann entdeckten wir die Sioux. Sie ritten auf eine steile Höhe zu. Beide Anführer ritten allein, und zwar eine bedeutende Strecke hinter den anderen her. Die Squaw und ihre Söhne waren nicht dabei. Wir beschlossen, uns die beiden Anführer zu schnappen. Es gelang Winnetou und mir, sie von den Pferden zu holen und sie zu fesseln. Obwohl sie uns nichts verraten wollten, ahnten wir, dass die Squaw mit ihren beiden Kindern irgendwo beim letzten Lager zurückgelassen worden war. Wir fanden dort das Loch, in das man die drei Indianer zusammen mit den Klapperschlangen geworfen hatte, und waren erstaunt, oben am Rand den älteren Upsaroka-Knaben zu sehen; ebenso zwei skalpierte Sioux-Leichen. Er erzählte uns, dass seine Mutter ihre Handfesseln durchgebissen und dann die Klapperschlangen so lange gewürgt hätte, bis sie tot waren. Nun lag sie im Fieber. Die beiden Sioux hatten sich von der Grube entfernt, sodass es den Knaben gelungen war, den Rand des Lochs zu erklimmen. Als einer der beiden Sioux zurückkam, lehnte er sein Gewehr an einen Baumstamm und blickte in die Grube hinab. Da nahm der Älteste das Gewehr und schoss ihn nieder. Als auch der zweite Sioux zurückkam, wurde er das Opfer des jüngeren Bruders. Sie skalpierten ihre besiegten Gegner. Dadurch wurden die beiden jungen Burschen Krieger ihres Stammes. Wir mussten für die Squaw unbedingt frisches Wundkraut haben. Während wir noch danach suchten, kamen die Upsarokas. Ich schickte den Häuptling in den Wald hinein. Nach einiger Zeit kehrte er zurück. Er trat zu uns mit den Worten: „Old Shatterhand und Winnetou haben bewiesen, dass sie unsere Brüder sind, denn sie haben ihr Leben für meine Squaw und meine Söhne gewagt, und meine Söhne sind durch sie zu Kriegern geworden.“ Der Upsaroka-Häuptling ‚Schwarze Schlange‘ war damit einverstanden, dem gefangenen Unterhäuptling der Sioux, ‚Langer Leib‘, das Leben zu schenken und ihn mit seinen Kriegern ohne Kampf nach Hause ziehen zu lassen. Der Indianer-Agent Folder aber sollte am Marterpfahl sterben. ‚Schwarze Schlange‘ bestand unbedingt darauf, mit ihm in ihr Dorf zu reiten, was wir nicht abschlagen konnten.
Donnerstag, 4. August 1864:
Die Upsaroka boten, als wir ihr Wigwam erreicht hatten, alles Mögliche auf, um uns zu beweisen, dass sie es mit der Pfeife des Friedens ernst und aufrichtig gemeint hatten. Das einzige Ereignis, an dem wir uns nicht beteiligten, war die Hinrichtung Folders am Marterpfahl. Einer der größten Indianerquäler büßte da seine Schandtaten.
Samstag, 6. August 1864:
Die Squaw konnte schon nach einigen Tagen das Zelt verlassen und war nach einer Woche so gesund wie je. Wir verabschiedeten uns von den Upsarokas, deren Gastfreundschaft wir über eine Woche genossen hatten, und setzten unseren unterbrochenen Ritt weiter fort.
Mittwoch, 10. August 1864:5
Wir hatten uns vor einigen Tagen von den Upsarokas verabschiedet und Dick Hammerdull und Pitt Holbers noch eine Strecke weit begleitet, weil beide die Black Hills zum Ziel hatten.
Der Weg von Winnetou und mir war nach Süden gerichtet, dem North Platte River zu, an dessen Ufer wir aufwärtsreiten wollten. Wir waren seit drei Tagen wieder allein unterwegs und befanden uns etwa auf der Höhe des Blutsees, der nicht aus Wasser, sondern aus tiefem Sand bestand und so genannt wurde, weil hier einmal eine Schar Schoschonen von СКАЧАТЬ