Название: Covent Garden Ladies: Ein Almanach für den Herrn von Welt
Автор: Хэлли Рубенхолд
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9788711449448
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Dienstmädchen – und berufstätige Frauen überhaupt – waren die Hauptziele von Harris’ Anwerbungsbemühungen. Seiner Überzeugung nach kam es nur selten vor, dass solche Existenzen ihre Tugend nicht bereits zuvor aufs Spiel gesetzt hatten. Es entsprach der unbarmherzigen Sicht der Gesellschaft des 18. Jahrhunderts, dass Frauen, die gezwungen waren, sich ihren Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen, auf alle möglichen Arten gekauft und verkauft werden konnten. Ob sie nun eine ordentliche Lehre in einem Putzgeschäft oder in einer Strumpfwirkerei absolviert hatte, ob sie Waschfrau, Küchenmagd oder Äpfelweib an einer Straßenecke war – eine Arbeitende verkaufte sich für Geld. Sie konnte ja nie eine Dame oder irgendein Individuum von wirklichem Wert in der Welt werden, und die Männer, besonders solche von höherem gesellschaftlichen Rang, waren sich darüber auch von vornherein im Klaren. Harris konstatierte, dass derartige Frauen die bei weitem gefügigsten unter seinen Neubekehrten waren. Er sei beständig auf der Jagd nach ihnen gewesen, wenn er »durch die Straßen strich« und »an jeder Tür wachsam Ausschau hielt«. Dann fährt er fort: »Wenn immer ich eine hübsche Dirne gefunden, die ich verderben wollte, begab ich mich unverzüglich ins nächste Schankhaus, bestellte eine Kanne Bier, und dort bekam ich dann alle nötigen Auskünfte.« Hatte er eine Zusammenkunft eingefädelt, ließen sich die meisten dieser Frauen, wie Harris feststellte, durch ein unverblümtes Zursprachebringen ihrer Lebensumstände schnell überreden, so dass sie schon »bald der Ansicht zustimmten, dass ein Leben in glücklichem Überflusse dem der harten Schinderei vorzuziehen sei, welches nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge im besten Falle mit der Vermählung mit einem Dienstboten oder einem Gesellen in irgendeinem beschwerlichen Handwerk endigen konnte«. Glaubt man den zeitgenössischen Darstellungen, so dürfte vielen der Frauen, an die Harris auf diese Weise herantrat, und insbesondere jenen, die sich als Hausangestellte verdingten, die Prostitution in der Tat keineswegs fremd gewesen sein. Schlechte Bezahlung veranlasste so manche, ihr Leben in wechselnder Stellung zu verbringen und Arbeit in Bordellen genauso wie unter dem Dienstpersonal reputierlicherer Häuser zu suchen.
Neben den Arbeiterinnen bot sich noch eine weitere Quelle, aus der man schöpfen konnte. Harris gab an, seine Erfahrungen mit dem schönen Geschlecht hätten ihn gelehrt, die Möglichkeit, auch verheiratete Frauen unter seine Fittiche zu nehmen, nie zu unterzuschätzen. Diese waren selbstverständlich gleichfalls neue »Ware«, die, abgesehen von ihren Ehemännern, niemand zuvor verkostet hatte, und stellten somit eine sehr brauchbare Bereicherung des Angebots dar. Um sich Vertreterinnen dieser Spezies zu angeln, waren ihm Besuche in den Theatern sehr wichtig:
Mein Vorgehen bestand darin, mich bei Frauenspersonen von nicht unansehnlichem Äußeren, die ich ohne Begleitung einer männlichen Bekanntschaft angetroffen, lieb Kind zu machen. Ich beschenkte sie mit Früchten und erwies ihnen allerlei andere kleine Artigkeiten, wie sie an solchen Orten gewöhnlich sind. Durch beiläufige und nicht allzu eifrige Befragung erfuhr ich bald die Verhältnisse der meisten von ihnen.
Wie die Berufstätige bedurfte auch die unglücklich verheiratete Frau nur einer offenen Schilderung der Art und Weise, wie ihr Harris »ihre gegenwärtige Lage angenehmer zu gestalten« plane. Zur Ermunterung war meist nicht mehr vonnöten als das Angebot der finanziellen Unabhängigkeit von einem »bösartigen, sauertöpfischen Manne«, der »in der Erfüllung seiner Ehepflichten äußerst nachlässig« war. Harris prahlte: »Durch diese Schliche habe ich eine ganze Zahl verheirateter Weiber verlockt, insonderheit die Gattin eines Ballenbinders, die nicht weit von der Royal Exchange wohnte, sowie auch die eines Arzneiverkäufers nahe Crutched Friar’s, beides ausnehmend schöne Frauenzimmer.«
Harris schuf nicht nur ein wahres Pantheon verfügbarer Londoner Damen, er erwarb sich auch für seine »vortreffliche Pflanzschule« irischer Huren einen guten Ruf. Sowohl in The Remonstrance of Harris als auch in The Memoirs of the Celebrated Miss Fanny Murray spricht er davon, zur Ausweitung seines Angebots auf diese Frauen zurückgegriffen und sich sogar selbst aktiv auf die Suche nach »irischen Novizinnen« gemacht zu haben. Er habe sich »nicht nur alle von Chester her kommenden Landkutschen zwischen Highgate und St. Alban’s« vorgenommen, sondern, als seine Geschäfte immer besser liefen, auch »in jedem Sommer eine Reise nach Dublin« getan, um neue Damen ins Land zu holen. Auf seinen Fahrten war er dort auf eine wahre Goldader potenzieller neuer Kräfte gestoßen. Da viele irische Prostituierte »selten entlohnt und häufig geschlagen« wurden, waren sie, wie er feststellen konnte, von der Möglichkeit, sich nach London davonzumachen, hellauf begeistert. Andere, denen er begegnete, hatten eine »so schmale Börse« und einen »so großen Hunger«, dass sie ihm schon auf das bloße Versprechen einer warmen Mahlzeit hin zu folgen bereit waren. Im Anschluss erwähnen beide Schriften auch, dass der findige Harris eine Art Schule für seine Mädchen von der Grünen Insel eingerichtet habe, um »ihnen ihre irische Wildheit zu nehmen und sie ein wenig gesitteter zu machen« und so sicherzustellen, dass sie auch »vollkommene Meisterinnen ihrer Kunst« waren, bevor er sie auf die Londoner Männerwelt losließ. Solche Usancen waren in Harris’ Metier nichts Ungewöhnliches. Die besseren Kupplerinnen der Hauptstadt waren dafür bekannt, dass sie ihre neu akquirierten Mädchen einer Schulung unterzogen und ihnen beibrachten, sich verführerisch zu bewegen und mit Worten zu betören, bevor sie sie ihrer solventen männlichen Klientel anboten. Harris behauptete, in der Kunst, die ungehobelten Manieren dieser Frauen zu verfeinern, nicht schlechter zu sein als jede Kuppelmutter, und er brüstete sich, sie nach ein wenig Unterricht »als sehr liebreizende Geschöpfe, ja Göttinnen – jede eine Venus an Schönheit und eine Minerva an Verständigkeit –, an nicht wenige unserer hochempfindlichen urenglischen Ehrenmänner weitergeben« zu können.
Doch selbst nachdem sie gründlich geputzt und auf Manieren getrimmt worden waren, erfüllten Harris’ Frauen noch nicht die Anforderungen aller seiner Bekanntschaften. Nicht jeder war auf eine Gespielin erpicht, die er schlicht der willkürlichen Wahl eines Kupplers zu verdanken hatte. Manche seiner wohlhabenderen adligen Auftraggeber erbaten sich von ihm vielmehr exklusivere Dienste. Seinem eigenen Bericht zufolge erhielt Harris häufig Anweisung, für die Vergnügungen seines Kundenkreises ganz bestimmte Mädchen herbeizuschaffen. Schlimme Geschichten von Bordellwirten und Kuppelweibern, die finstere Pläne schmieden, um unbefleckte junge Damen in die Falle zu locken, waren das täglich Brot der Literatur des 18. Jahrhunderts, und dass solche Szenarien keine alleinige Domäne der Fiktion waren, bezeugen die zeitgenössischen Gerichtsakten. Wenig überraschend, dass in mehreren dieser Geschichten auch der Name Harris auftaucht. Der Kuppler habe über etliche in der ganzen Stadt verstreute angemietete Zimmer und »kleine Unterschlupfe« verfügt, hieß es, und in diesen Räumen habe er viele seiner Untaten an jungen Frauen begangen, die er »verführte« und dort »unterhielt«, um sie für Spezialkunden vorzubereiten. Die Memoirs of the Celebrated Miss Fanny Murray berichten, dass auf diese Weise auch eine unter dem Namen Charlotte Spencer bekannte Frau in ihr Gewerbe eingeführt worden sei.
Es sollte einer von Harris’ ganz großen Coups sein, als er im Zenit seiner Macht stand. Lord Robert Spencer hatte, anlässlich eines Aufenthalts in Newcastle, auf einer Gesellschaft eine begehrenswerte junge Dame tanzen sehen und sich auf der Stelle in sie verliebt. Charlotte war, wie ihm bald zu Ohren kam, die Tochter eines angesehenen, aber sehr geizigen Kohlenhändlers, der trotz seines ansehnlichen СКАЧАТЬ