Название: Covent Garden Ladies: Ein Almanach für den Herrn von Welt
Автор: Хэлли Рубенхолд
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9788711449448
isbn:
Zuhälter und Hure schmiedeten dann häufig ein Komplott, um, wenn möglich, sogar noch mehr Geld aus dem Interessenten herauszuschinden. Begann ein Klient ein ausgeprägtes Faible für eine Dame an den Tag zu legen, konnte dabei wie folgt vorgegangen werden:
Nach einer oder zwei Nächten des Beilagers geht sie davon, irgendeinen Verdruss vorschützend, und ist verschwunden; keine Menschenseele weiß, wohin. Dann werden wir damit betraut, sie ausfindig zu machen. – Allein ... wir raten ihm zu, nicht mehr an sie zu denken – ein Rat, der sein Verlangen nur noch stärker entbrennen lässt, bis er sich entschließt, sie um jeden Preis haben zu wollen, mag es kosten, was es wolle.
Nachdem der gefoppte Kunde Harris also direkt in die Hände gearbeitet hat, holt dieser zum letzen Stoß aus: Er teilt seinem Klienten mit, dass er seine Herzensdame aufgespürt habe; sie zu ihm zurückzubringen, würde ihn allerdings nicht nur ein Entgelt von »um die dreißig Pfund« kosten, sondern sie würde auch lediglich unter der Bedingung in die Versöhnung einwilligen, dass er »ihr allerlei Tändeleien etc. zum Geschenke mache«. Selbstredend könne er, der Kuppler, seinem Kunden die Unannehmlichkeit solcher Einkäufe gerne abnehmen, er möge einfach so gütig sein, ihm die entsprechende Summe auszuhändigen.
Die Vielfalt der Tricks, um Freiern das Geld aus der Tasche zu ziehen, variierte von Kuppler zu Kuppler und von Schenke zu Schenke. Giacomo Casanova, der sich 1764 einen Einblick ins Londoner Nachtleben verschaffte, klagte bitterlich über die schlechte Behandlung, die er von einem Kellner der Star Tavern in der Strand-Straße erfahren hatte. Diesen hatte der große Liebhaber gebeten, ihm eine Dame zu bringen, woraufhin er zu seinem nicht geringen Verdruss zu hören bekam, dass er für jede, die er begutachtete, einen Shilling zahlen müsse, ob er sie nun zu seiner Bettgenossin erkor oder nicht. Der Kuppler ließ eine Reihe von weniger ansehnlichen Huren an ihm vorbeiparadieren und hob sich die attraktivste für den Schluss auf. Zwanzig Shilling später und immer noch ohne eine lohnende Frau zu Gesicht bekommen zu haben, trollte sich Casanova beleidigt davon. Wäre er einer von Harris’ Kunden gewesen, so wäre, selbst wenn er eine Wahl getroffen hätte und mit der Dame nach oben gegangen wäre, noch lange nicht garantiert gewesen, dass sie ihm ihre Dienste auch wirklich ungestört gewährte. Um aus der geleisteten Gesellschaft einer Lohnhure den maximalen Profit zu pressen, vermittelte Harris seinen Damen oft zwei Termine zugleich. Er nannte das »einen fliegenden Wechsel einrichten« (a Flier). Nur sehr ungern beschied er eine Anfrage nach einer seiner Ladys abschlägig, besonders, wenn der Kunde eine bestimmte Dame namentlich verlangte. Obgleich sie bereits mit einem anderen Mann zugange ist, wird das Paar dann dezent unterbrochen und »ich sage ihr, dass eine Dame sie nebenan zu sprechen wünsche. Die in den Bübereien der Großstadt Unbewanderten lassen sie gehen.« Die Hure streicht ihre Röcke glatt, richtet ihr Haar und verschwindet im Nachbarzimmer, wo ungeduldig schon ihr nächster Courmacher wartet. Es folgt ein rasches geschlechtliches Intermezzo, und schon »kehrt sie wieder zu ihrem Gesellschafter zurück, so sittsam, als sei nicht das Mindeste geschehn«. Harris gesteht selbst ein, dass es sich hier um ein reichlich gewagtes Manöver handelte, da die junge Frau das Risiko einging, von Liebhaber Nummer zwei die Syphilis einzufangen und sie direkt an Liebhaber Nummer eins weiterzugeben. »Daher kommt es vor«, erklärt er, »dass ein Mädchen, welches ihren Liebeshandel noch ohne Makel begonnen, sich durch solcherlei kurze Ablenkungen ansteckt.«
Strenge Ordnung, klare Verfahrensweisen und ständige Kontrolle bestimmten das System, nach dem Jack Harris’ kontinuierlich expandierendes Imperium funktionierte. Wie ein echter Imperator sorgte auch er dafür, dass seine Untergebenen nach einem festen Regelwerk lebten. Er hatte gelernt, dass ein laxer Führungsstil unweigerlich Unannehmlichkeiten heraufbeschwören musste. Da durfte es keine Nachsicht mit den persönlichen Problemen seiner Listendamen geben; keine Verfehlungen konnten geduldet werden. Harris (oder seine literarische Stimme) erwähnt zwar an keiner Stelle, zur Durchsetzung seiner Autorität Zuflucht zu Gewalt genommen zu haben, doch konnten andere Bestrafungen genauso wirksam sein. Der Kuppler wusste, dass eine Frau wenig Chancen hatte, »wieder ihr Glück zu machen«, wenn ihr Namen erst einmal »von seiner Liste gestrichen« war. Viele seiner Damen standen nur eine Stufe über den Niedrigsten der Niedrigen, den mittellosen Straßenhuren, die Tobias Smollett als »nackte Elende in Lumpen und Schmutz« beschreibt, die sich »wie die Schweine in den Winkeln einer dunklen Gasse aneinanderdrängten«. Um eine Frau in den Abgrund zu stoßen, sie von einer gelisteten Liebesdame zum von aller Welt ausgestoßenen Paria zu machen, musste man nur ihren guten, gesunden Ruf besudeln. Leider brauchte es nicht viel, um Harris’ Zorn zu erregen. Es reichte schon, wenn ihn eine Frau anlog. Vor allem ließ er es sich nicht gefallen, wenn man Schmu mit ihm trieb und versuchte, ihn um seine Provision zu prellen. Die Folgen waren bitter: Der mitleidlose Lude strich den Namen der Betreffenden von der Liste und »wenn hernach Kundschaft nach ihr verlangt, sagen wir immer, sie mache eine Salivationskur, und verderben ihr so das Geschäft. Viele mussten daraufhin im Hunger darben – ein zur Abschreckung anderer unvermeidliches Notmittel, um jene zur Ehrlichkeit anzuhalten.« Glaubt man dem Verfasser von The Remonstrance of Harris, so erwartete ein ähnliches Schicksal auch alle, die sich weigerten, das Bett mit ihm zu teilen, wenn es Harris nach ihren nächtlichen Diensten verlangte.
Das Wissen, dass Harris’ Damen von Covent Garden weitestgehend jeder Laune ausgeliefert waren, die es ihren Zuhälter an ihnen auszulassen gelüstete, könnte sehr gut der Anlass zur Gründung des Whore’s Club gewesen sein. Selbst für den Fall, dass diese Gesellschaft womöglich nur eine augenzwinkernde Erfindung des Autors von Fanny Murrays Memoirs ist – unter den gegebenen Umständen ist es doch sehr zu vermuten, dass sich die Prostituierten der Liste zum gegenseitigen Beistand und Schutz zusammentaten, so wie das auch ihre weniger privilegierten Kolleginnen, die Winkeldirnen auf der Gasse, machten. Die Satzungstafeln des Clubs scheinen, wenig überraschend, nahezulegen, dass die unmittelbare Funktion der Gesellschaft die Berauschung ihrer Mitglieder war, doch bestand ihre dauerhaftere Bestimmung darin, der Schwesternschaft stärkeren Rückhalt zu geben.
Erklärtermaßen waren die zur Mitgliedschaft alleinig qualifizierten Frauen diejenigen, die »auf des Vermittlers Harris’ Liste stehen und nie die Strafe verwirkt haben, von dieser Liste ausgetilgt zu werden, weil sie kein Pfundgeld zahlten – und so den billigen Preis für ihre Gesundheit zu entrichten verabsäumten – oder aus welchem Grunde immer«. Des Weiteren wurde zur Bedingung gemacht, dass »keine Mitschwester dieser Gesellschaft mehr als einmal im Bridewell-Zuchthaus [dem Prostituiertengefängnis im Londoner Stadtteil Clerkenwell] gesessen haben darf« und dass »keiner Mitschwester, die irgendeines Verbrechens wegen – Taschendiebstahl ausgenommen – am Old Bailey vor Gericht gestellt worden, nach einem Freispruch die Wiederaufnahme verweigert werden soll, wofern sie keine Schwangerschaft vorschützte, um ihren Hals zu retten«.
Man kann sich den Sonntagabend im Shakespear’s Head – womöglich der einzige ruhige Abend der Woche – lebhaft vorstellen. Nun können Harris’ Damen einigermaßen freie Stunden verbringen und sich zumindest ein wenig von ihrer sonstigen Plackerei erholen. Manche treffen in einer Portechaise ein, die von den Sänftenträgern würdevoll zu Boden herabgelassen wird; andere kommen bereits halb trunken und von einer Ginfahne umweht. Wenn sie einander aufgeregt schwatzend begrüßen, sich umarmen oder auch aneinandergeraten, heben die wenigen Zecher im Raum neugierig die Augen und beobachten das Flattern von billiger Seide und Spitzenhauben, wie es die Treppen hinauf nach oben entschwindet. Bevor dann die Sauferei so richtig losgeht, werden erst einmal die anstehenden ernsten Angelegenheiten zur Sprache gebracht. Vorrangig wird es da darum gegangen sein, finanzielle Unterstützung für diejenigen aus dem Kreis aufzubringen, die gerade im Gefängnis waren oder sich die »Spanischen Pocken«, also die Syphilis, zugezogen hatten. Diese Mittel setzten sich aus Clubbeiträgen sowie aus den namentlichen Spenden solcher Mitschwestern zusammen, die als Mätressen in den Händen fester Liebhaber »züchtig« geworden waren. Der Whore’s Club erwartete in diesem Fall Großzügigkeit und bestand darauf, dass die milde Gabe der entsprechenden Dame zu der ihr von ihrem Entreteneur »zubedungenen Vergütung im rechten Verhältnis« stand. Sobald das Geschäftliche erledigt war, konnte der angenehme Teil des Abends beginnen.
Wenn СКАЧАТЬ