Covent Garden Ladies: Ein Almanach für den Herrn von Welt. Хэлли Рубенхолд
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Читать онлайн книгу Covent Garden Ladies: Ein Almanach für den Herrn von Welt - Хэлли Рубенхолд страница 15

СКАЧАТЬ sein Arbeitgeber Tomkins war auch Harris ein ausgebuffter Geschäftsmann. Als er ins Shakespear kam, war er mit der Rolle des Kuppelkellners bereits wohlvertraut, und unter Tomkins’ Anleitung konnte er sie zur Perfektion weiterentwickeln. Er hatte bereits seine feste Auffassung davon, welche grundlegenden Eigenschaften ein guter Kuppler oder Hurenwirt mitbringen musste. Das Erste und Wichtigste war Erfahrung in der Kunst des Bekniens potenzieller Kunden, was Geschick im »Andeuten, Heucheln, Schmeicheln, Katzbuckeln« und »Hofieren« voraussetzte. Zwar passte es nicht sonderlich zu seinem Charakter, um junge Gentlemen mit schlechten Manieren herumzuscharwenzeln, doch stellte er fest, dass eine pragmatische Selbstbeherrschung es ihm erleichterte, »die schnaubenden Fragen hitziger Bengel zu erwidern« und seinen »Zorn zu zügeln«. Auch wenn ihm vor Wut »schier der Schädel zerspringen wollte«, lernte er, seinen »Blick zu Boden zu senken ..., ihn dann ganz allmählig zu heben und im gewinnenden Tone der Unterwürfigkeit zu sprechen«. Diese Kröte zu schlucken war für ihn alles andere als leicht, und es wäre ihm, wie er später behauptete, auch nicht gelungen, wenn er sich nicht eine gewisse Charakterstärke und »die nötige Weltweisheit, einen Tritt ungerührt hinzunehmen« angeeignet hätte. Sein einziger Trost war die Rache, die er über den Umweg der Geldbörse seines wohlhabenden Klienten würde nehmen können.

      Harris stellte zudem fest, dass in einem größeren Haus auch die Ansprüche der Kunden an ihn deutlich höher waren. Ein breiteres Spektrum von Männern, darunter Stammgäste genauso wie Besucher aus anderen Teilen Londons, verlangte zu seinem Amüsement eine vielfältigere Bandbreite von Frauen. Die Harris bekannten Huren aus der näheren Umgebung konnten da den Bedarf nur kurze Zeit decken. Wollte er sich allein auf das im Umkreis von Covent Garden verfügbare Sortiment verlassen, konnte in einem so gut besuchten Haus wie dem Shakespear die Nachfrage schnell einmal das Angebot übersteigen, besonders wenn mehrere seiner bewährten Damen etwa wegen einer unverhofft aufgetretenen Syphilis- oder Tripperinfektion arbeitsunfähig waren. Ungeachtet seiner akuten Verlegenheit und Ratlosigkeit waren »die jungen Brauseköpfe gleichwohl unvermindert in Hitze und riefen nach kühlender Linderung, um ihre Brunst zu stillen«. Rückblickend konnte Harris darüber philosophieren: »Der Mensch ist ein von der Leidenschaft getriebenes Wesen«, schloss er, und »was seinen Leidenschaften unterworfen ist, kennt keine Standhaftigkeit ..., noch kann es an irgendetwas über lange Zeit Gefallen finden.« Die Antwort auf eine solche Problemlage war klar: »Sorge für eine Vielfalt von Gesichtern!« Aber woher nehmen? Und wie konnte er für die Tadellosigkeit der feilgebotenen Ware einstehen, wenn er die Geschichte ihrer Lieferantinnen nicht kannte? Und was war, wenn dieselben Heißsporne zu allem Übel »den Quell, der ihnen Labsal geschenkt, vergiftet fanden«? Gewiss würden sie »demjenigen, der sie zu ihm hingeleitet, die Schuld anlasten, insonderheit wenn dies allein um der schnöden Liebe zum Mammon willen geschehen« war. Vermutlich war Harris schon seit den frühen Tagen seiner Laufbahn körperliche Gewalt nicht fremd: Eifersüchtige Liebhaber, wütende Ehemänner und vormals gesunde Kunden, die sich die Franzosenkrankheit eingehandelt hatten, sie alle mögen sich den Kuppler irgendwann einmal vorgeknöpft haben. Niemand von ihnen konnte so unangenehm werden wie die Herren der letzten Gruppe, die, wie sich plötzlich herausstellte, für ein rasches Tête-à-Tête in unbesonnener Wollust ihr ganzes Leben in die Waagschale geworfen hatten. Hier hatte jemand vielleicht unwissentlich seine Frau und seine ungeborenen Kinder angesteckt, sein eigenes Leben und das seiner ganzen Familie verkürzt, und alles nur, weil ihn ein Lude schlecht beraten hatte. Mit dieser Angstfigur in Fleisch und Blut konfrontiert zu werden, war eine unbehagliche Vorstellung – vielleicht hat auch dies John Harrison zu seinem Identitätswechsel bewogen.

      Über eine solche »Vielfalt von Gesichtern« den Überblick zu behalten, erforderte die Ausbildung eines einwandfrei arbeitenden Gedächtnisses. Um sich diese große Palette verschiedener Frauengesichter besser merken und bei Bedarf das gewünschte herbestellen zu können, bedurfte ein erfolgreicher Zuhälter eines Hilfsmittels. Der allseits bekannte Kuppler des Shakespear, von dem man das größte Sortiment in ganz London erwartete, hatte hier Beträchtliches zu leisten. Ein gutes Gedächtnis brauchte er auch für die Kundenseite: Wenn er sich die Freier und deren Vorlieben gut einprägte und immer wusste, mit welchen der Damen unter seinen Fittichen ein jeder sich bereits vergnügt hatte, konnte sich ein tüchtiger Zuhälter gegenüber seinen Klienten eine gute Position verschaffen. Die Rekrutierung von Frischfleisch stellte ebenfalls ein Problem dar und konnte einen Großteil der Energie eines Maquereaus beanspruchen. Er musste immerzu nach neu Auszuhebenden Ausschau halten, dabei stets die Vorlieben seiner besser zahlenden Interessenten im Hinterkopf; musste sich gut einprägen, wer jugendlich frische Mädels vom Lande bevorzugte und wer vollbusige reifere Damen. Möglicherweise betraute man ihn auch mit speziellen Projekten, und ein gelangweilter Vertreter des Hochadels oder ein reicher Bankier gab ihm dem Auftrag, ihm eine neue, jüngere, noch unverdorbene Mätresse aufzuspüren. In einem kleineren Etablissement und in überschaubareren Ausmaßen betrieben, mögen diese Aufgaben weniger beängstigend groß gewirkt haben, aber nun, da sich sein Aktionsradius erweitert hatte, stand Jack Harris vor der schwierigen Herausforderung, all den an ihn gestellten Ansprüchen gerecht zu werden. Wenn er alles erfolgreich bewältigte, konnte er sich eine goldene Nase verdienen, und nicht minder würde auch Packington Tomkins davon profitieren.

      Als Tomkins John Harris einstellte, mag er schon so manches über diesen Spross von Covent Garden gewusst oder es zumindest aus dem Funkeln seiner Augen herausgelesen haben. Harrison war ehrgeiziger als die meisten. Er war vor allem unglaublich clever; ein Mann, der es vielleicht auch als Kaufmann oder Bankier sehr weit gebracht hätte, der aber aufgrund seiner Herkunft in einer viel niedrigeren Sphäre gelandet war. »Ich erkannte, dass in der Profession der Kuppelei vieles verbesserlich war«, sollte Harris später berichten, und so »saß ich da und zerbrach mir den Kopf und fand bald, dass es, wie im Staate so auch in unserem Geschäfte, an einem System mangelte, planvoll zum Werke zu schreiten«. Kuppler, so klagte er, seien »Männer, die, bar aller Vorausschau, stets nur aus der Not heraus handelten« und Schwierigkeiten immer nur angingen, wie sie sich ergaben. Nachdem er die maßgeblichen Hindernisse ausgemacht hatte, ging Harris, wie ein geschickter Ingenieur, entschlossen daran, etliche Änderungen vorzunehmen.

      Das verfügbare Angebot, so befand er, war für eine effiziente Kuppelei das größte Hindernis. Hier musste die Antwort lauten: »Bei Abwesenheit oder Versagen der altgedienten Truppe für frischen Nachschub sorgen.« Regelmäßig mussten neue Kräfte aus anderen Teilen Londons rekrutiert werden. Die Nachfrage im Shakespear war zu groß, um einzig aus den Ressourcen von Covent Garden gedeckt zu werden. Zunächst war es für Harris recht einfach, »an dem einen Tage einen Streifzug von den Kolonnaden Covent Gardens hinüber ins St.-James-Viertel zu unternehmen, an dem anderen einen in die City, an wieder einem anderen einen zu den Tower Hamlets und weiter dann auch nach Rotherhith, Wapping und Southwark«. Dort traf er sich mit den Venusdienerinnen vor Ort und verschaffte sich einen Eindruck von deren Vorzügen und Fähigkeiten. Wieder zurück im Shakespear, konnte er dann seine Pläne in die Praxis umsetzen. Wenn ein Stammkunde nach einem neuen Gesicht verlangte, »lief ich los und schickte nach einer Hure aus Southwark oder vom Tower Hill und hieß sie, spornstreichs wie ein keuchendes Krämerweib herbeigeeilt zu kommen«. Um die Zeit bis zu ihrem Eintreffen zu überbrücken, »setzte ich mich mit meinem feinen Herren oder adligen Buhler zusammen, trank seinen Claret, rauchte mit ihm ein Pfeifchen und tischte ihm Lügen auf, bis ich beinahe meiner selbst überdrüssig wurde«. Diese Methode wirkte Wunder, wie Harris prahlte. »Meist schickte ich zu den Männern meine Venusschwestern aus dem St.-James-Viertel, die ihren Stadtburschen oder neu vom Lande hergekommenen Bauerntölpel mit ihrem vornehmen Gebaren so unvergleichlich glücklich machten wie nichts auf der Welt.«

      Alle seine Kunden konnte er auf diese Weise jedoch nicht zufriedenstellen. Es gab immer vielerlei Erschwernisse, die ihn zwangen, erfinderisch zu bleiben. Sehr zu seiner Verlegenheit musste er bald feststellen, dass manche seiner Klienten ihre Liebesergötzlichkeiten nicht allein auf Covent Garden begrenzten, sondern gerne weitere Kreise zogen, um auch die Genüsse der berüchtigten Bordelle in der Londoner City und in Southwark zu genießen. Sie waren wenig erfreut, dort auf dieselben Gesichter zu stoßen, die ihnen Harris zuvor auf der anderen Seite der Stadt präsentiert hatte. Die Sittenrichter und Sozialreformer der Zeit klagten oft, Frauen würden nur deshalb in die Kanäle der Prostitution eingeschleust, weil lasterhafte Männer СКАЧАТЬ