Название: Covent Garden Ladies: Ein Almanach für den Herrn von Welt
Автор: Хэлли Рубенхолд
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9788711449448
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Sein Imperium zu verwalten und zu wahren, war nur der eine Teil seiner Tätigkeit. Daneben galt es, die finanzielle Ernte seines Tuns einzufahren. Seinem Stil treu, ging Harris auch hier genau nach Plan vor. Wie jeder gute Zuhälter bewies er ein ausgeprägtes Talent dafür, mit allen erdenklichen Mitteln Geld zu machen. Von dem Moment, wo der Name einer Frau in seine Liste eingetragen wurde, über den Moment, wo ein Freier ihr Erscheinen wünschte, bis hin zu dem Augenblick, wo sie die geforderten Dienste geleistet hatte – stets war Jack Harris zugegen und hielt die Hand auf.
Die Memoirs of the Celebrated Miss Fanny Murray werfen einen interessanten Blick hinter die Kulissen von Harris’ Betrieb. Wie deren Autor schreibt, mussten sich Frauen, die »als ein neues Gesicht auf dem Pergament seiner Liste« verzeichnet werden sollten, einer gewissen Zeremonie unterziehen. Es gab keinen Grund, warum Harris seinen Venusgeweihten hätte vertrauen sollen (wie zweifellos auch sie ihm nicht verrauten), und so bestand er darauf, dass sie sich von einem Arzt untersuchen ließen, bevor er sie in seine Reihen aufnahm. Erst wenn »ein Wundarzt eine vollständige Untersuchung ihres Leibes« vorgenommen hatte und sie »für gesund oder krank befunden« hatte, ließ Harris einen »Advokaten« kommen, »um ihren Namen etc. einzutragen, sobald sie eine schriftliche Erklärung ihres Einverständnisses unterzeichnet hatte, dass sie zwanzig Pfund verwirke, so sie in irgendeinem Punkte falsche Nachricht über ihre Gesundheitsverfassung gegeben«. Nachdem er sich zur Genüge davon überzeugt hatte, dass die neu Einberufene ohne Makel war, ließ der Kuppler »ihren Namen ... in großen Buchstaben über einen ganzen Pergamentbogen schreiben«. Darunter blieb reichlich Raum für allerlei dichterische Ergüsse. Laut Verfasser der Memoirs sah so ein handschriftlicher Eintrag dann etwa wie folgt aus:
Name: Fanny Murray
Verfassung: von blühender Gesundheit
Beschreibung: Ein trefflicher Braunschopf, neunzehn binnen des nächsten Jahres. Ein propres Weibsstück für die Seitenlogen unserer beiden Theater – kann sich auf dem Fleischmarkte gut sehen lassen – und wird sich gut halten – mag noch zwölf Monate allemal als Jungfer hingehen – hat erst vor sechs Monaten diesseits der Temple Bar Logis genommen. Taugt gut zur Kokotte eines reichen Judenkaufmanns. (Notabene: Dito zahlen gute Preise!) – Danach Haus der offenen Tür – und kann, dafern sie nicht im Lock-Hospital [einem Krankenhaus für Geschlechtskranke] endigt, ihr Vermögen machen und die Männer der halben Stadt zugrunde richten.
Wohnsitz: Im ersten Stockwerk bei Mrs. —, Putzmacherin in Charing Cross.
Die Zwanzig-Pfund-Bürgschaft, mit der sie für ihre Gesundheit geradestanden, war nur der erste von vielen Sollposten, mit denen sich Harris’ Damen unwillkürlich in die Schuld ihres Zuhälters begaben. »Pfundgeld (The Sportsman’s pound)«, so erläutert die in Harris’ Namen geführte Feder, »ist die seit langem übliche, dem Kuppler zu zahlende Abgabe von fünf Shilling aus jeder Guinee, welche hübsche Damen für ihre den Herren erwiesene Gunstbezeigungen erhalten«. Es war gängige Praxis, dass Harris’ Damen ihre Schuld anlässlich ihrer allsonntäglichen Zusammenkünfte in Covent Garden beglichen.
Bei diesem Anlass konnte es auch passieren, dass sie tief in ihre Taschen greifen mussten, um ihrem Beschützer die sogenannte »Putzgebühr« (tire-money) zu entrichten. Harris erklärt: »Putzgebühr ist, was ich die Damen dafür zahlen lasse, dass ich sie mit all den Notwendigkeiten eines feinen Auftretens ausstatte. Andere Leute in der Stadt verfahren genauso, die nennt man Abzahlungshändler, doch hat keiner von diesen so wohlgefüllte Kleiderschränke wie ich.« Die unglücklichen Mädchen, die der Verlockung nicht widerstehen konnten, teure Kleidung anlegen zu dürfen, musste diese Taxe wohl am härtesten treffen. Das Abkassieren der Putzgebühr war neben der an Kuppler oder Kupplerin abzuführenden Provision die älteste Methode, Geld von Prostituierten einzutreiben. Da wohl jede Novizin im Gewerbe erst nach Zeiten der Not und Entbehrung zur Aufnahme dieser Beschäftigung bereit gewesen sein dürfte, war es eher unwahrscheinlich, dass sie schon eine fürs Männerbetören zweckdienliche Garderobe mitbrachte. Und nun gab man ihr schöne Kleider, Spitzenmanschetten, elegante Hüte mit Schleifen und Schuhe mit glitzernden Schnallen und schob sie vor die Tür, um anschaffen zu gehen. Des schönen »Geschenks« wurde mit keinem Wort mehr Erwähnung getan, bis ihre Hurenmutter oder ihr Louis die wöchentliche Provision von ihr einforderte und die junge Dame feststellen musste, dass man ihr eine Gebühr für das Mieten ihrer Kleidung berechnete. Häufig hatte eine junge Frau somit für all ihre unangenehme Arbeit letztlich praktisch nichts vorzuweisen, was auch Fanny Murray feststellen musste: »Am Ende der Woche hatte sie fünf Pfund, zehn Shilling und sechs Pence eingenommen«, doch nachdem all ihre Abgaben beglichen waren, »hatte sie nur noch den Sixpence in der Tasche«.
Mit der Putzgebühr war indes Harris’ fein ausgeklügeltes Schröpfprogramm noch keineswegs zu Ende: Er war so dreist, seinen unglücklichen Söldnerinnen darüber hinaus auch noch eine letzte Abgabe abzupressen. Nachdem sie ihm am Sonntagabend seine Forderungen ausgezahlt hatten, blieben viele seiner Damen noch zu einem feuchtfröhlichen Gelage beisammen. Hierzu hatten sie sich, in Nachahmung der vielen Männerclubs, die sich häufig in den Kaffeehäusern und Schenken rund um Covent Garden zum Essen oder zum Zechen trafen, den offiziellen Namen »The Whore’s Club« gegeben. Wie in jedem Verein waren auch die Mitglieder dieses »Hurenclubs« verpflichtet, Beiträge zu zahlen: Die Damen waren gehalten, eine halbe Krone (zwei Shilling und Sixpence) lockerzumachen. Während ein Shilling aus dieser Summe aufgewendet wurde, um »solchen Mitschwestern zum Beistand zu dienen, die sich in medizinischer Behandlung befinden und daher ihrem Geschäfte nicht nachzugehen vermögen, insgleichen aber auch nicht im Stande sind, sich ins Lock-Hospital zu begeben«, gingen die sechs Pence »an unseren Mittelsmann: für seine in der schicklichen Führung dieser würdigen Gesellschaft bewiesene große Fürsorge und Fleißigkeit«. Der nun noch verbliebene Shilling sollte, nicht unverdient, »dem Erwerb starker Getränke« zufließen.
Auch wenn es scheinen mag, als habe die Hure Harris’ Raffgier am stärksten zu spüren bekommen, sollten wir doch auch einen kurzen Moment ihres Freiers gedenken, der ebenfalls bis zum letzten Blutstropfen geschröpft wurde. Ein wehrlos seiner Erektion ausgelieferter Betrunkener war der Traum eines jeden Zuhälters. Kuppler und Kupplerinnen ersannen unzählige Tricks und Kniffe, um verzweifelt nach Sex japsenden Männern einen möglichst fetten Batzen Geld abzupressen. Während der Maquereau seiner Dirnen Provision und Putzgebühr abkassierte, mussten deren Kunden »Tragsessel-« oder »Sänftengeld« (chair-money) zahlen.
Sänftengeld fordere ich ein, wenn ich eine Portechaise für ein Mädchen in Rechnung stelle, die aber, als man nach ihr verlangte, im Haus [dem Wirtshaus] war; oder die, in der Nähe wohnhaft, zu Fuße herbeikam; oder wenn aber wegen schlechten Wetters wirkliche Notwendigkeit bestand, in einer Portechaise zu kommen, dann forderte ich das doppelte Fuhrgeld, und sagte, dass die Dame, eine unterhaltene Mätresse, sehr weit weg, am Berkeley Square, wohne.
In diesem Fall handelte es sich um eine Zusatzgebühr, die bei einer ganz alltäglichen Anfrage nach einer Dame, deren Name auf der Liste stand, auf den Preis geschlagen werden konnte. Wollte jemand aber die Dienste einer exklusiveren Buhlschwester in Anspruch nehmen, konnte es ihm leicht passieren, dass er unwissentlich größere Summen in Jack Harris’ »Schwindeltopf« (humming fund) spendete.
Vom Schwindeltopf spreche ich, wenn wir einem reichen Pinsel vorgaukeln, es sei überaus schwer, ihm die Gewünschte zu verschaffen, die nämlich eine ausgehaltene Mätresse sei oder eine Frau, die ihre Gunst nur demjenigen gewähre, der ihr Wohlgefallen finde – wir schröpfen ihm von Zeit zu Zeit ein paar Guineen СКАЧАТЬ