Covent Garden Ladies: Ein Almanach für den Herrn von Welt. Хэлли Рубенхолд
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СКАЧАТЬ Kennern sagen mehr über Charlottes vollendete Meisterschaft in ihrem Fach aus als über ihre wahren Charakterqualitäten. Eine begüterte Kurtisane und eine der mächtigsten Bordellwirtinnen Londons ist sie sicherlich nicht geworden, indem sie gütig und rechtschaffen war. Hätte durch irgendeinen Zufall auch eine der weiblichen Bekanntschaften aus ihrem Metier eine schriftliche Erinnerung hinterlassen, ein Fragment aus einem von diesem komplizierten Wesen überschatteten Leben, wäre womöglich ein getreueres Bild dieser Frau auf uns gekommen. Wo ihre männlichen Besucher nur ihr Äußeres gesehen haben mögen, konnte eine weibliche Wegbegleiterin vielleicht einen Blick ins Innere erhaschen. Sie hätte unter Umständen bemerkt, wie Charlotte sich mühte, ihr Mitgefühl für andere mehr und mehr abzutöten, ihre Gefühle auszuschalten und die frei gewordenen Räume mit falschem Lächeln und Krokodilstränen zu füllen. Ihre scheinbar mühelose Täuschung der Männer ist ein Zeugnis für die in frühen Jahren von der Mutter erlernten Künste. Freilich sollte sie in den ersten Jahrzehnten ihrer Laufbahn noch so manche weitere Lektion erhalten.

      Kapitel 5

      Der Aufstieg von »Pimp General Jack«

      Als Harrison in den frühen fünfziger Jahren des 18. Jahrhunderts seinen Posten antrat, gehörte die Shakespear’s Head Tavern bereits seit Generationen zum festen Inventar von Covent Garden. Im Ruf stehend, die erste Adresse am Platz zu sein, machte das Shakespear ein ansehnliches Geschäft und war, neben dem Bedford Head Coffee House, eine der einträglichsten Stätten der Vergnügung, mit denen sich Harris hätte verbinden können. Eine wichtige Rolle spielte dabei die günstige Lage in der Nordostecke der Covent Garden Piazza, in bequemer Torkeldistanz zu beiden großen Theatern, sowie die Verfügbarkeit von separaten Räumlichkeiten im Obergeschoss. Bis zur Gründung von privaten Clubs für beitragszahlende Mitglieder brachten solche gesonderten Gastzimmer den Wirtshäusern lukrative Zusammenkünfte von Männern (und bisweilen auch Frauen) ein. Diese Veranstaltungen waren völlig legal und wurden in den Lokalblättern öffentlich angekündigt. Am bekanntesten waren die von der »Beefsteak Society« organisierten Bankette. Wenn die Zimmer nicht an Gesellschaftsmitglieder vermietet wurden, die sich an reichlich Rindfleisch und Bier delektieren wollten, gestattete man Einzelgästen auch, sich dort mit beliebig vielen der berühmten Huren von Covent Garden zu vergnügen.

      Das Publikum des Shakespear war gemischt, und es ging dort hoch her. Das Haus war eine bekannte Anlaufstelle der Theaterleute, und so konnte man nach Ende der Vorstellung die lauten und betrunkenen Stimmen von Ned Shuter, Charles Macklin und Peg Woffington durch den Kneipenlärm schallen hören. Adlige und wohlhabende Spießbürger wie William Hickey prägten hier genauso die Szenerie wie die anrüchigsten Elemente des Platzes. Das Shakespear war jener Typ Kneipe, wo alles erlaubt war, niemand Fragen stellte und Kunden machten, wonach ihnen gelüstete. Die treuen Stammgäste und der lokale Arm des Gesetzes – vertreten durch Richter Saunders Welch und die Gebrüder Fielding, die Schrecken des Lasters – taten wenig, um jenem Treiben Einhalt zu gebieten, das in den weniger exponierten Winkeln des Schankraums florierte. In scheinheiliger Einfalt taten sie sich im Obergeschoss an ihren Rindsschnitten gütlich, als hätten sie nicht die leiseste Ahnung von den Dingen, die sich direkt unter ihren Füßen abspielten.

      Auch wenn in den Schenken von Covent Garden das Glückspiel offiziell verboten war, beherbergte das Shakespear dennoch einen Hasardclub, wo große Summen gewonnen und verloren wurden. So manchen Glückspilz sah man mit Hüten voller Guineen von den illegalen Spieltischen davongehen. Die Draufgänger und Lebemänner liebten das Shakespear. Einer von ihnen war auch der Schriftsteller James Boswell, dem ein freies Séparée im Oberstock sehr zupasskam: Er geleitete zwei willige Liebesdamen ins Shakespear, und »ich tröstete meine arme Seele mit ihnen – eine nach der anderen, nach dem Range ihres Alters«. Wer sich kein ungestörtes Zimmer leisten konnte oder zum Warten zu ungeduldig war, konnte solchen »Trost« auch einfach in einem stillen Winkel bei einer der »trunkenen und hungernden Metzen« suchen, die oft darüber klagten, dass solche »wollüstigen Umarmungen« auf dem Wirtshausboden »ihre Kleider besudelten«.

      Es gab in Covent Garden nur wenige, die ihren Wohlstand so ostentativ zur Schau tragen konnten, wie der Besitzer des Shakespear, Packington Tomkins. Sein Wirtshaus bot dem Kunden alles, was er wollte, und noch mehr: Alkohol, Frauen, fröhliche Geselligkeit, gefeierte Berühmtheiten und unerwartete Überraschungen. Sein Haus war ungeheuer beliebt und Tomkins’ Zapfhähne versiegten nie. Er besaß einen der größten Keller im Umkreis, »mit nie weniger denn hundert Weinfässern gefüllt«. Natürlich machte das brummende Geschäft Tomkins unverschämt reich. Neben einem Haus in London besaß er auch ein Gut in Herefordshire und eine Privatkutsche, um ihn nach Belieben hin- und zurückzubringen. Auch wenn er der Inhaber eines übel beleumdeten Hauses war, konnte er doch den Schmutzfleck des sittlichen Makels von seiner Weste wischen und als ein völlig ehrbar wirkender Familienvater durch Londons Straßen paradieren. Am Ende seines Lebens hatte er seine Tochter in die Verlegerfamilie der Longmans verheiratet, und er starb mit einem Vermögen von über zwanzigtausend Pfund. Anders als die Mehrzahl seiner Gäste war Tomkins schlau genug, sich nichts vormachen zu lassen, bewahrte einen nüchternen Kopf und mied die Spieltische.

      Florieren konnte so ein Geschäft nicht ohne ein Heer von Helfern, und um den Laden am Laufen zu halten, beschäftigte Tomkins sieben Kellner: unter anderem einen Oberkellner, einen Kellermeister und einen Schankburschen. Er stellte auch Lehrlinge ein, und seine Küche war für ihre kulinarischen Hochgenüsse berühmt. Die Angestellten des Shakespear hätten wahrscheinlich in ganz London kaum besser bezahlte Posten finden können. Packington Tomkins war sehr darauf bedacht, den guten Ruf seines Hauses zu wahren, und bestand darauf, dass »jeder Kellner fein geputzt in seinen Manschetten« erschien. Neu eingestellte Arbeitskräfte wie John Harrison erhielten zunächst wohl eine Zulage, damit sie sich einkleiden konnten, bald jedoch waren ihre Taschen schwer genug mit Goldstücken gefüllt, dass sie sich so viele schmucke Hemden, Röcke und Beinkleider kaufen konnten, wie sie wollten. Die stattlichen Trinkgelder, die die Kellner des Shakespear einsteckten, zauberten ein selbstzufriedenes Lächeln auf ihre Lippen. Wie sich »Old Twigg«, ein ehemaliger Koch des Wirtshauses, erinnert, befand es ein Portier für »eine schlechte Woche, wenn er keine sieben Pfund machte«, eine Summe, die dem gesamten Jahresverdienst eines Dienstboten entsprach. Selbst für den Sohn eines Gastwirts muss das eine Menge Geld gewesen sein. Dazu kam dann noch sein Kupplerlohn, und so wurden seine finanziellen Wünsche sicher vollauf befriedigt.

      Unter dem Dach von Packington Tomkins erhielt John Harrison die einmalige Chance zu einem Neuanfang. Als er noch Kellner einer Kneipe in den Hintergassen von Covent Garden war, werden außer den Stammgästen nur wenige seinen Namen und sein Gesicht gekannt haben, aber im Shakespear, mitten im quirligen Zentrum des Geschehens, wurde Harrison von einem Tag auf den anderen eine bekannte Persönlichkeit. Das Shakespear’s Head war schon an sich eine beliebte Zieladresse, ein Ort, wo sich Männer aus allen Ecken Londons zu einem vergnüglichen Abend trafen. Als junger und aufstrebender Zuhälter erkannte Harrison, wie sehr er sein Vermögen würde vergrößern können, wenn er die Möglichkeiten seiner Position nur optimal nutzte, und genauso müssen ihm umgekehrt auch die möglichen Gefahren eines solchen Erfolgs deutlich geworden sein. Obgleich um Unauffälligkeit bemühte Bordellwirtinnen, Kuppelkellner und die feineren Maquereaus in den gehobenen Etagen des Hurenwesens von der leicht zu bestechenden Obrigkeit nur wenig zu befürchten hatten, gab sich Harrison, was die Rechtmäßigkeit seines Tuns anbelangte, keinerlei Illusionen hin. Ein Deckname war in seiner Branche unverzichtbar, eine Art unsichtbar machender Tarnumhang, der jederzeit im Nu übergezogen werden konnte. Wenn also Tomkins’ Gäste nach einem Kellner grölten, der Frauen beibringen sollte, riefen sie nicht nach John Harrison, sondern verlangten stattdessen jenen aufmerksamen, gut gekleideten Mann, der schlicht als »Jack Harris« bekannt war. Der vom Vater ererbte Name, wie geschätzt, gehasst oder völlig belanglos er auch immer gewesen sein mochte, wurde zugunsten einer völlig neuen Identität abgelegt. Nun, da er nicht mehr der Sohn von Harris dem Wirt war, stand es ihm frei, zu werden, wer immer er werden wollte.

      Glaubt man den beiden zeitgenössischen »maßgeblichen Quellen« zu Jack Harris – The Remonstrance of Harris und The Memoirs of the Celebrated СКАЧАТЬ