Название: Covent Garden Ladies: Ein Almanach für den Herrn von Welt
Автор: Хэлли Рубенхолд
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9788711449448
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Der größte Nutznießer eines solchen Kurtisanenlebens würde natürlich Charlotte selbst sein, doch konnte auch ihre Mutter erwarten, davon zu profitieren. Die Gepflogenheiten des Bordellwesens verlangten eine akzeptable Abfindung, um eine Hurenwirtin für die Trennung von einer Frau zu entschädigen, die ihrem Haus im Kreise der Wollüstlinge hohes Ansehen verlieh. Diese Abschiedsgeste ließen sich die Kupplerinnen vorzugsweise in Banknoten auszahlen – je größer die Summe desto besser. Dies sollte aber noch keineswegs die letzte Begünstigung sein, die Charlotte ihrer Frau Mama verschaffte. Ein jedes treu ergebene Kind würde seine Mutter selbstredend aus den stets prall gefüllten Taschen seines Liebhabers versorgen, ihr teure Geld- und Essensgeschenke machen und ihre Rechnungen begleichen. Die meisten Femmes entretenues umgab ein ganzes Gefolge aus bedürftigen Familienmitgliedern und Freunden, die sich stets in ihrer Nähe hielten und von dem lebten, was von ihrer üppigen Ausstattung so abfiel. Ein freigebiger Entreteneur billigte solche Aufwendungen bis zu einem gewissen Maß. Trotzdem konnte Charlottes bedenklich nahe Verbindung zur notorischen Mrs. Ward für keinen ihrer Beschützer ein Anlass gewesen sein, sich in entspannter Vertrauensseligkeit zu wiegen; viel eher war sie ein Grund, Charlotte im Auge zu behalten und sich vor etwaigen Kniffen zu hüten, welche die Mutter der Tochter beigebracht haben könnte. Um Charlottes Erfolg in der Arena der Vergnügungssuchenden zu sichern, war daher die Wahl eines »Künstlernamens« ohne jede Verbindung zu dem Kuppelweib, das das Dirnenhaus in Spring Garden regierte, ein notwendiger Schritt.
Einen Namen abzulegen oder zu ändern war unter den Frauen von Charlottes Profession keineswegs ungewöhnlich. Ein Nachname war wertlos und vernachlässigenswert, wenn er keine direkte Verbindung zu einem bedeutenden Geschlecht oder einer Familie von Rang hatte. Es war viel besser, sich einen passenden Namen beizulegen, den eine verlockende Aura umgab, indem er etwa auf eine illustre Herkunft oder besondere Talente anspielte. Hatte sie das Glück, eine unterhaltene Mätresse zu werden, konnte sie auch den Nachnamen ihres Kurtisans wählen, was gleichzeitig ihr den Status einer Quasi-Ehefrau verleihen und die wohlanständige Gesellschaft in Rage versetzen würde. Warum Charlotte gerade auf den Namen Hayes anstelle von Ward verfiel, ist unbekannt. Vielleicht gibt er uns einen Hinweis darauf, wer ihr erster Buhler gewesen sein könnte, auch wenn die Annalen ihrer Lebensgeschichte keinen Mister, Lord oder Captain Hayes verzeichnen.
Im Jahr 1740, um die Zeit, als Charlotte Hayes ins öffentliche Leben eintrat, tauchten noch zwei weitere Mädchen »förmlich aus dem Nichts« im Londoner Nachtleben auf: Lucy Cooper und Nancy Jones. Sie sollten sich, zusammen mit der Kurtisane Fanny Murray, als Charlottes größte Konkurrentinnen erweisen. Wie die Zureiter von Rennpferden waren die tüchtigsten Kupplerinnen jener Zeit immer auf der Suche nach einem verheißungsvollen jungen Blut, aus dem sich ein Champion formen ließ. Zur gleichen Zeit, da Mrs. Ward hohe Summen investierte, um ihre Tochter gut vorbereitet ins Rennen zu schicken, zogen andere Zuhälterinnen eigene Favoriten heran. Als Charlotte antrat, hatte sich Fanny Murray bereits als die Mätresse von Beau Nash, dem amtierenden Zeremonienmeister von Bath, einen Namen gemacht. Ihre größte Rivalin schien gleichwohl Lucy Cooper zu sein.
Wie Charlotte war auch sie die Tochter einer Kupplerin und in den Schoß eines Hurenhauses hineingeboren; allerdings fehlte im Falle Lucys eine ähnlich ambitionierte Zukunftsperspektive. Hätte die Natur sie nicht mit überwältigender Schönheit ausgestattet, sie wäre wohl zusammen mit all den anderen Damen, die mit ihr unter dem Dach des zweitklassigen Etablissements ihrer Mutter hausten, in der Versenkung verschwunden. Es ist nur dem Weitblick von Elizabeth Weatherby, einer der »Kuppelkoryphäen« von Covent Garden, zu verdanken, dass Lucy rundum aufpoliert und groß herausgebracht wurde: in ihren frühen Teenagerjahren das neueste Hochglanzprodukt für die Welt der Edelprostitution. Auch wenn sie als die »Vollkommenste ... unter den großen Sünderinnen« und als auf verführerische Weise »unzüchtiger denn all die Huren aus der Regentschaftszeit von König Charles« gerühmt wurde, gelang es Lucy nicht, jenen anhaltend wirkenden Zauber zu verströmen, der Charlottes Licht fortdauernd erstrahlen ließ. Lucy und Mrs. Weatherby, die als eine Art »Manager und Mutter«-Figur fungierte, stritten sich oft und heftig. Als sie beschloss, die Ratschläge ihrer Kuppelmutter in den Wind Zu schlagen, war Lucys Glück aufgebraucht, und sie endigte ihre Tage in Schulden und Armut, als Charlottes Stern noch immer erst im Aufgehen war.
Nancy Jones’ Ruhm war ebenfalls nur von kurzer Dauer. Nach nur wenigen Jahren fielen ihre hübschen Gesichtszüge den Blattern zum Opfer. Ebenjener Vorzüge beraubt, die ihr üppiges Leben gewährleistet hatten, stieg auch sie aus den lichten Höhen der glanzvollen Welt in die dunklen Niederungen der Hintergassen ab. Dort soll die unbarmherzige Klaue der Syphilis nach ihr gegriffen und sie in ein Armengrab gezerrt haben, als sie noch keine fünfundzwanzig war. Ein strategischer Fehler oder etwas Pech konnte reichen, um eine profitable Karriere als exklusive Liebesdienerin zu ruinieren. Von den dreien, die in jenem Jahr 1740 gemeinsam das große Rennen begonnen hatten, gelang es nur Charlotte, das Tempo zu halten und reiche Triumphe zu ernten.
Je häufiger Charlottes Gesicht auf den vorderen Logenplätzen der Theater auftauchte, umso häufiger war sie am Arm eines ihrer eleganten Liebhaber zu sehen, umso reichlicher wurde sie von ihnen mit Schmuck behängt und umso öfter fiel ihr Name in den Gesprächen der liederlichen »Schickeria« von Covent Garden. Klatsch konnte der beste Freund einer Kurtisane sein und als nützliche Hilfe eingesetzt werden, wenn die Gerüchteküche mit den richtigen Zutaten arbeitete. Je mehr sich ihr Ruf als einer der appetitlichsten Happen auf der Tageskarte verbreitete, desto mehr leckten sich die vermögenden Gentlemen die Finger nach ihr – auch wenn es, anders als im Fall von Lucy Cooper und Fanny Murray, nicht unbedingt Charlottes Schönheit war, wovon ihre Bewunderer schwärmten. Ihre Verzauberungskraft beruhte auf mehr denn nur auf hübschen Gesichtszügen.
Auch wenn keiner ihrer Zeitgenossen in Abrede stellte, dass Charlotte attraktiv, wenn nicht gar ungemein hübsch war, werden die zum Preis ihrer Schönheit gewählten Begriffe doch sparsam und besonnen eingesetzt. Sie war, mit den Worten ihrer Bewunderer, »drall« und »artig«, also anmutig hübsch. Der Dichter Edward Thompson gedenkt ihrer als einer Frau, die sich nicht nur ihre jugendlichen Züge zu bewahren wusste, sondern die auch bewundernswert »wenig Schminke« auftrug, und selbst Sam Derrick, der sie in allem stets wohlwollend beurteilte, erwähnt in puncto Äußeres lediglich ihre »grauen Augen« und ihr »braunes Haar«. Doch auf all diesen Merkmalen beruhte ihre wahre Schönheit in den Augen ihrer Verehrer nur zum Teil: Charlotte »strahlte«, wie einer ihrer Liebhaber schrieb. Durch ihre Gelassenheit, Würde und vornehme Art hob sie sich von der Mehrzahl ihrer vulgären Schwestern im Gewerbe ab. Wie eine Frau von so niedriger Geburt mit dem Anstand und der Liebenswürdigkeit einer tugendhaften Ehefrau auftreten konnte, war für Männer von Stand ein zugleich faszinierendes wie sexuell erregendes Mysterium. Ein Zeitzeuge schrieb:
Sie ist eine überaus feine und elegante Frauensperson ... All ihre Züge [sind] von Anmut, ihr Auftreten ist vornehm, ihre Manieren höflich, in ihrer Kleidung beweist sie unleugbar einen feinen Geschmack. Sie ist ein Weib von Verstand, spricht gleichwohl weniger als die meisten ihres Geschlechts, es sei denn, sie ist mit ihren Gesellschaftern sehr gut bekannt; dann gibt es nur wenige Frauenzimmer, die angenehmer zu unterhalten wüssten.
Über ihren gesamten Lebensweg hinweg fand sich kaum einmal wer, der sich negativ über sie geäußert hätte. Männer wie Edward Thompson, der ihrer Magie verfallen war, zeigten sich am meisten von ihrer ungekünstelten Offenheit bezaubert, die sie, zumindest in seinen Augen, »rechtschaffen wie eine Heilige« erscheinen ließ. Dieser Charakterzug fesselte auch Sam Derrick, der sie dafür pries, dass sie »nie die Kunst der Täuschung erlernte ..., obgleich sie doch den Wechselfällen des Lebens in so mannigfacher Form begegnete«. Für ihn СКАЧАТЬ