Название: Covent Garden Ladies: Ein Almanach für den Herrn von Welt
Автор: Хэлли Рубенхолд
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9788711449448
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Wo ich erblickt’ des Tages Licht.
Dir geb ich anheim mein sterblich Gebein,
Wenn einst mein schwindend Auge bricht.
Hier habt ihr Musen mir zuerst euren Segen erteilt,
Ihr Bäume mir hegenden Schatten geboten.
Nun sehet, wie bald das menschliche Los mich ereilt,
Beigezählt zum Heere der vergess’nen Toten.
Falls meinem Ruhme meine Zeilen nicht Fortdauer geben
Und es ruft, wer sie liest – durch Fortunas Intrigen –:
Derrick hieß er! Ich kannt’ ihn im Leben:
In jenem Grabe seine Knochen dort liegen.
Gewiss blieb Derrick nach seinem Tod unvergessen. Freilich nicht seiner Verse wegen.
Kapitel 4
Eine Venus wird geboren
Es kommt selten vor, dass Männer, die überreichlich in fleischlichen Freuden geschwelgt haben und denen zwischen den mit Seide ausgeschlagenen Boudoirs von Kurtisanen und der Unterwäsche von Straßendirnen nichts fremd geblieben ist, eine einzige, ganz bestimmte Unzuchtsdienerin auserwählen können, der sie ihre unumschränkte Hochachtung zollen. Selbst noch als sie alt geworden und die letzten Spuren der Schönheit aus ihren vom Leben gegerbten Zügen gewichen waren, scharten sich Männer von hoher Geburt und großem Einfluss um sie. Sie nannten sie »einzigartig« und »ehrenwert«, Bezeichnungen, mit denen man in Beschreibungen ältlicher Bordellmütter gemeinhin nicht mal eben so um sich wirft. Jene Ehrenmänner erkannten in ihr den Ausdruck eines reinen Herzens, wahre Großmut, Warmherzigkeit und ungekünstelte Aufrichtigkeit, und diese Attribute haben überhaupt jeden gefangengenommen, der sie von ihren frühesten Jahren im Geschäft bis an ihre letzten Tage persönlich erlebte. Doch war das bloß der eine Teil von Charlotte Hayes und weitgehend nur schöner Schein. Die Wahrheit sollte diesen Leuten immer verschlossen bleiben; sie verbarg sie hinter einem Netz von Täuschungen wie hinter einem wedelnden Fächer – ein Netz, dessen erste Fäden schon vor dem Tag ihrer Geburt gesponnen worden waren.
Ihr genaues Geburtsdatum hat sich, wie auch ihre Todesursache, längst in den Tiefen der Geschichte verloren, nur jahr und Ort sind bekannt. Es geschah 1725 in der italienischen Hafenstadt Genua, dass eine Engländerin eine Tochter zur Welt brachte. Von seiner Wollust zur Torheit getrieben, hatte ein wohlhabender englischer Ehrenmann seine Mätresse geschwängert und damit sein Leben wesentlich komplizierter gemacht. Die exakten Umstände der Entbindung sind nicht überliefert, doch wäre es interessant zu wissen, was die Mutter des Kindes, eine unter dem Namen Elizabeth Ward bekannte Londonerin, hochschwanger nach Genua verschlagen hatte. War sie mit ihrem rasch anschwellenden Bauch sitzengelassen worden und hatte daraufhin die Reise über die Alpen unternommen, um den Vater zu finden? Oder war dieser ein junger, in Leidenschaft entbrannter Mann, der, ins Ausland versetzt, seine Geliebte dreist einfach mitgenommen hatte? Oder er war auf Kavalierstour und hatte sie in seinem Gefolge untergebracht? Wir werden die Wahrheit nie erfahren. Sicher ist jedoch, das sich die junge Mutter und ihr Kind, das sie Charlotte Ward nannte, bald nach der Geburt auf einem Schiff zurück nach England wiederfanden; abgeschoben von einem Mann, der sich seiner Mätresse und der Unannehmlichkeit eines unehelichen Kindes schnellstens entledigen wollte. Vor ihrer Abreise wurde der selbst ernannten »Mrs. Ward« noch eine stattliche Abfindung ausgezahlt, um sicherzustellen, dass alle Verbindungen von nun an gelöst waren, dass eine gewisse Diskretion gewahrt wurde und dass das Kind, sollte es einmal erwachsen werden, nicht um väterliche Zuwendungen vorstellig würde. Charlotte Ward hatte stets nur ein Elternteil gehabt, um sie mit den Wegen der Welt vertraut zu machen.
Wo auch immer Mrs. Ward vor ihrem italienischen Intermezzo hergekommen war, ob ihr Galan sie aus einem Freudenhaus geholt oder hinter dem Karren eines Apfelverkäufers hervorgezogen hatte, nach ihrer Rückkehr in die Hauptstadt hatte sie jedenfalls nicht vor, einen Verlust ihrer privilegierten Stellung hinzunehmen. Durch ihre Affäre hatte sie Welterfahrung gesammelt und in den wohlhabenderen Gesellschaftskreisen Kontakte geknüpft, und nun verwendete sie ihre Energie und was ihr von der Entschädigungssumme ihres Liebhabers verblieben war, an die Eröffnung eines Bordells. Aus der Riege der Huren in die der Kupplerinnen überzuwechseln, sobald die körperlichen Reize dahinzuschwinden begannen, war ein klarer gesellschaftlicher Aufstieg: Es bedeutete den Rückzug in den geschützten Hintergrund, weg von den unmittelbaren Gefahren, denen die an vorderster sexueller Front Dienenden ausgesetzt waren. Frauen, die von jungen Jahren an den Männern der Nation ihre Dienste verkauft hatten, konnten von nun an darauf hoffen, sich ihren Lebensunterhalt zu sichern, indem sie die Reize anderer für sich einspannten. Ob sie nun irgendwann einmal selbst in einem Bordell gearbeitet hatte oder nicht, Elizabeth Ward hatte das Geschäft jedenfalls genau genug beobachtet, um zu wissen, wie sie ihr eigenes Haus zu führen wünschte. Londons Straßen waren gesäumt von abschreckenden Beispielen heruntergekommener, schmutziger und schlecht geführter Hurenwinkel, wo in zugigen Dachkammern kranke, kaum ihrer Sinne mächtige Frauen von ihren Buhlern ein paar Pennys zugesteckt bekamen. »Mutter« Ward hatte keinerlei Interesse daran, ein solches übel beleumdetes Unternehmen zu leiten. Sie hatte eine Klientel im Auge, die einen weit erleseneren Geschmack besaß und hinsichtlich ihres geschlechtlichen Wohlergehens um vieles anspruchsvoller war. Genauso wenig war sie darauf aus, mit den in Covent Garden angesiedelten warenhausartigen Großbordellen zu konkurrieren, sondern hatte es vielmehr auf einen exklusiven Nischenplatz in einer florierenden Gegend des West Ends abgesehen.
Spring Garden, ein Fleckchen Erde, das später einmal vom Trafalgar Square und den umliegenden Bauten verschluckt werden sollte, war ein ruhiger und vornehmer Ort, nicht weit weg vom Rand des St. James’s Parks. Er war der Pall Mall nahe genug, um exklusiv zu wirken, lag aber auch noch in guter Reichweite des am Haymarket neu entstandenen Little Theatre, um so auch eine genussfreudigeres, wollüstiges Völkchen anziehen zu können. Vor allem das bescheidene Ambiente der Gegend hatte es Elizabeth Ward angetan. Ihr Etablissement war eher kleineren Zuschnitts, konnte aber auf einen bevorzugten Kreis von Stammkunden zurückgreifen, der durchaus auch aus jenen Kontakten erwachsen sein könnte, die sie während ihrer Zeit in Genua geknüpft hatte. Nur wer von der Existenz des Bordells wusste, konnte es hinter der Fassade von Ladenfronten ausfindig machen. Für den unangekündigten Besucher erweckte Mrs. Wards Unternehmen den Eindruck eines ganz normalen Galanteriewarenladens, dem von Mrs. Cole, der Bordellwirtin in John Clelands Roman Fanny Hill, geführten Geschäft gar nicht unähnlich. Im Hause Elizabeth Wards saßen im Vorzimmer junge Damen, die sich ganz unschuldig mit der »Verfertigung von Damenumhängen, Häubchen etc.« abmühten: ein nutzreicher Deckmantel für »den Handel mit einer viel kostbareren Ware«.
Doch trotz dieses sauberen und einladenden Erscheinungsbilds gestaltete sich die alltägliche Lebenswirklichkeit unter dem Dach ihres Etablissement nicht sonderlich angenehm. Wie jede Bordellmutter wusste, durfte man Huren nicht vertrauen und musste immer ein Auge auf sie haben. Geld und Geschenke händigte man ihnen am besten nie direkt aus, man durfte auch keinen Besuch von Freunden gestatten oder dulden, dass sie heimlich Botengänge und Besorgungen machten. Gewährte man ihnen Freiheiten, führte das immer schnell zu Schwierigkeiten – vornehmlich dazu, dass plötzlich nicht mehr die Arbeitgeber ihre Angestellten über den Tisch zogen, sondern die Angestellten die Arbeitgeber. Wollte Mrs. Ward sich und ihrer Tochter eine gesicherte Zukunft bieten, musste sie ihren Laden fest im Griff haben. Eine tüchtige Zuhälterin nutzte alle verfügbaren Mittel, um dafür zu sorgen, dass ihr keine ihrer Frauen abspringen konnte; dazu gehörten auch verschiedene Formen von Strafe und Nötigung. Um rechtmäßig behalten zu können, was sie als ihr Eigentum betrachteten, bemühten die im Kuppeleigewerbe Tätigen des 18. Jahrhunderts sogar das Gesetz. Jede junge Frau, die so töricht war, aus dem Haus ihrer Kuppelmutter fortzulaufen, konnte damit rechnen, vor einen Friedensrichter СКАЧАТЬ