Covent Garden Ladies: Ein Almanach für den Herrn von Welt. Хэлли Рубенхолд
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СКАЧАТЬ bisweilen mit verheerenden Folgen, wenn das Publikum zum zerstörungswütigen Mob wurde, der über das vergoldete Interieur des Theaters herfiel. Ging es einmal weniger gefährlich zu, bot so ein Abend im Theaterhaus stets ein anregendes Erlebnis; und selbst das Risiko solcher Fährnisse vermochte die feine Gesellschaft doch nie von seinen Türen fernzuhalten. Solange sie nur das Parterre mieden, wo man schnell mal bespuckt oder bepinkelt wurde, konnten vornehme Leute die Ereignisse des Abends aus ihren vor Störungen gefeiten Logen genießen. Auch der handeltreibende Stand war sorgsam bedacht, Distanz zu halten, und bevorzugte die unteren und mittleren Ränge.

      Wohin man auch blickte, gab es etwas zu sehen oder jemanden zu beobachten, was den Theaterabend zu einer willkommenen Gelegenheit für Gespräche, Klatsch und Tändelei machte. Gegenüber dem eigentlichen Anlass der gesellschaftlichen Begegnung waren die Vorgänge auf der Bühne für viele reine Nebensache. Vom Raum unter den wachstropfenden Kronleuchtern erhob sich ein ständiges Getöse, und die Schauspieler mussten sich alle Mühe geben, gegen das kreischende Gelächter der Betrunkenen, gegen Schreie, Spottrufe, Husten und die ständige Unruhe herein- und hinausströmender Theaterbesucher anzuspielen. Behinderungen durch Zuschauer, die bis 1747 sogar während der Aufführungen auf der Bühne stehen durften, trugen ihren Teil zum chaotischen Gesamteindruck bei. Kein hehrer Glanz umgab das Theater. In all dem Lärm und Spektakel herrschte eine karnevaleske Atmosphäre der Ungezwungenheit, und das bunte Publikum aus geschminkten Frauen und sich zügellos gebarenden Männern machte den kunstreich ersonnenen Geschichten von Liebe, Trug und Tapferkeit, die oben auf der Bühne gespielt wurden, mächtig Konkurrenz. In seinen Lehrlingsjahren wird Derrick jede sich bietende Gelegenheit zum Theaterbesuch genutzt haben. Dass er die nötigen Pennys für einen Sitzplatz mühsam zusammenkratzen und sich womöglich allen Verboten seines Lehrherrn zum Trotz davonstehlen musste, hat dessen Reiz sicher nur noch vergrößert. Sowohl im Parkett als auch hinter der Bühne wird er dann so manche der liederlicheren Gestalten aus seinem Bekanntenkreis, nebst deren Theaterbekanntschaften, getroffen haben. Für einen jungen Lehrburschen muss deren unbekümmertes, von scheinbar endlosem Gelächter erfülltes Leben mit seiner lockeren Sexualmoral höchst verlockend gewesen sein. Und vor allem bot sich ihm hier eine Gelegenheit zum Plausch mit Leuten, die seine Liebe zur Sprache und zur Dichtung teilten.

      Angesichts all der unzähligen Ablenkungen und Versuchungen erstaunt es geradezu, dass Sam seine Lehrjahre erfolgreich zu Ende brachte. Gut möglich, dass die Furcht vor den Folgen eines etwaigen Versagens der einzige hierzu nötige Antrieb war. Vermutlich betrachtete Sam seine Beschäftigung als Mittel und Weg, um seine höheren Ziele zu erreichen. Bei aller Tristesse eines um Tuchhandel und Tuchproduktion kreisenden Lebens bot das Tuchhändlergewerbe doch immerhin den Vorzug häufiger Geschäftsreisen nach London und konnte ihm so als ein ideales Vehikel dienen, um bei potenziellen Mäzenen außerhalb Irlands mit seinen Dichtungen hausieren zu gehen. Gegenüber den doch eher bescheidenen Dimensionen des Dubliner Druck- und Verlagswesens eröffnete die Themsestadt viel weitere Perspektiven. Im 18. Jahrhundert waren alle Formen künstlerischen Schaffens auf Gönnerschaft und Mäzenatentum angewiesen, und eine so bedeutungsvolle finanzielle Unterstützung stellte stets eine ganz besondere Huld dar, die dem Künstler von den einflussreichsten Größen der Gesellschaft erwiesen wurde. Auch wenn Irland gleichfalls seine begüterten Aristokraten und wohlbeleibten Kaufleute mit gesellschaftlichem Aufstiegsdrang hatte, war dieser Menschenschlag doch in England und vor allem in London in viel höherer Dichte vertreten. Die geschäftige Kapitale der englischen Sprache bot da einen Reichtum an Gelegenheiten, mit dem Dublin einfach nicht Schritt halten konnte. Sams Freund und Mentor George Faulkner wird ihm diesen Punkt sicher mehr als nur einmal eingeschärft haben.

      Da die literarisch interessierte Gesellschaft Dublins mehr oder weniger ein geschlossener Kreis war, könnte Sams Bekanntschaft mit George Faulkner bereits in seinen Schuljahren über die Empfehlung seiner Lehrer geknüpft worden sein. Obgleich fünfundzwanzig Jahre älter, empfand der Verleger doch eine große Zuneigung zu Derrick, und in der Hoffnung, seine Karriere befördern zu können, nahm er den jungen Mann unter seine Fittiche. Faulkner war nicht allein mit dem schätzenswerten Jonathan Swift, sondern auch mit Alexander Pope, Samuel Johnson und Lord Chesterfield befreundet – durchaus ein nützlicher Name also, mit dem man in den Londoner Zirkeln punkten konnte. Zweifellos waren es Faulkners Empfehlungsschreiben, die die wenigen wirklich wichtigen Türen zu Derricks literarischer Zukunft in London öffneten. Alle übrigen rannte Sam selbst ein.

      1746, im Alter von etwa zweiundzwanzig Jahren, unternahm Samuel Derrick eine seiner ersten Erkundungsreisen nach London. Sicherlich verließ er den Hafen mit einer Tuchsendung im Gepäck, doch dürften sich seine Gedanken vermutlich nicht allzu lange mit ihrem Verkauf beschäftigt haben. Stattdessen kreisten sie vielmehr um die Gedichte, die er zu veröffentlichen hoffte, und um die in Dublin geknüpften Bekanntschaften mit wandernden Schauspielern, die er nun in London zu erneuern gedachte. Zu denen, die er besuchen wollte, gehörte auch Francis Gentleman, nun Leutnant in der Armee seiner königlichen Majestät. Wie Derrick durchlebte er gerade bedrückende Zeiten in einem ihm auferlegten Beruf; auch er in Erwartung der Erlösung in Form eines Erbes, das es ihm gestattete, seine Bühnenambitionen weiterzuverfolgen. Sam hatte gerade seine Lehre abgeschlossen, und die sich mit seiner neuen Unabhängigkeit eröffnenden Aussichten sowie all die Freiheiten, die ihm der Aufenthalt in London gestatten mochte, erfüllten ihn mit Hochstimmung. Auf dem Weg in die Hauptstadt sprudelte aus ihm ein Strom von Versen hervor, die an den »teuren Frank«, »den ersten« unter seinen Freunden, gerichtet waren und Sams rauer Überfahrt und seinem lahmenden Ross ein lyrisches Denkmal setzten. Abschließend versprach er Gentleman, nach seiner Ankunft in London »die lust’gen Freuden der Stadt« mit ihm gemeinsam zu genießen. Da er jedoch nicht willens war, sich dieser Freuden, für die er offenbar bereits ein Faible entwickelt hatte, bis dahin gänzlich zu enthalten, unterbrach Derrick seine Reise nach Süden in der Falcon Tavern. Dort nahm er nicht nur »ein Abendmahl und ein Glas Claret« zu sich, sondern genoss, bevor er seinen Weg fortsetzte, auch noch die freundlichen Gunstbezeigungen Miss Keneas: einer »holden Dame«, die »jedwedem Kunden eine dienende Handreiche« zu geben vermochte.

      Um die Zeit als Sams Mietklepper gemächlich in die Stadt eintrottete, beherbergte London ungefähr 650 000 Seelen. Wenngleich auch die Straßen Dublins von fast 150 000 Menschen bevölkert wurden, konnte doch nichts auf der Welt den Dimensionen und dem verwirrenden Durcheinander der Szenerie gleichkommen, die ihn nun erwartete. Anders als Sams Heimatstadt breitete sich London mit seinen immer neuen Straßen und Vierteln weithin in alle Richtungen aus. Die Stadt erstreckte sich bis ans Ufer der Themse und fand kein Ende, drüben hingesprengselt lagen Southwark und Lambeth; und Richtung Norden schob sie ihre immer raumgreifenderen Bezirke Marylebone, Bloomsbury und Islington Straße um Straße weiter ins Hinterland. Lange bevor sein Pferd den ersten Huf auf die Pflastersteine der Metropole setzte, muss Sam schon das wilde Dröhnen und der scharfe Dunst Londons entgegengeschlagen haben. Die ins Herz der Kapitale führenden Hauptverkehrsadern waren verstopft vom emsigen Treiben all jener, die über die Stadtgrenzen drängten: Fußreisende, Kutschen, Viehhirten mit ihren Herden, mit Marktgütern vollgepackte Lastkarren. Hatte Sam endlich seinen Weg ins Zentrum gefunden, muss ihn das dichte Gewühl von Gesichtern und Stimmen, all der Lärm und Tumult förmlich erschlagen haben. Zeitlebens sollte ihm der spektakelhafte Trubel der Hauptstadt eine wichtige Inspirationsquelle sein. Dublin, so hatte ihn George Faulkner gewarnt, war ein Ort, der weder Dichter noch Schauspieler zu schätzen wusste; London wiederum verfügte über talentierte Köpfe im Übermaß.

      Durch Londons Eingangstore strömten ständig neue Männer und Frauen, die wie Derrick an ihre schöpferische Begabung oder ihre schauspielerischen Talente glaubten. Auch wenn die Empfehlungsschreiben Faulkners Sam durchaus Vorteile verschafften, konnten doch schon ein paar mit lebhaften Gesprächen angefüllte Abende in Covent Garden den gleichen Effekt haben und diese potenziellen Hilfsmittel schnell überflüssig machen. Die Fleet Street, das Zentrum des Londoner Verlagswesens, konnte zwar mit ihren eigenen fröhlich lärmenden Schankstuben und Kaffeehäusern aufwarten, doch auch in einigen Lokalen an der nahe gelegenen Piazza verkehrte ein eher intellektuelles Publikum. Hier, im Bedford Coffee House und im Shakespear’s Head, tummelte sich die ganze Palette vom berühmten Dichter bis zum altgedienten Lohnschreiberling, vom wohlhabenden Verleger bis zum kleinen Bücherkrämer. Da der Platz СКАЧАТЬ