Der Schreiberling. Patrick J. Grieser
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Название: Der Schreiberling

Автор: Patrick J. Grieser

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Der Primus

isbn: 9783947816040

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СКАЧАТЬ erhobener Faust. Desmond Pickett blieb nichts anderes übrig als zu nicken, da er den Jungen körperlich unterlegen war.

      Die Gruppe entfernte sich und ließ Desmond Pickett vor dem Laden des Barbiers allein zurück. Tief in ihm wüteten zwei so starke Gefühlswelten, dass er glaubte, sie würden ihm den Verstand rauben. Auf der einen Seite war da ein überwältigendes Schamgefühl. Er schämte sich, dass er den Siedlerjungen nicht die Stirn geboten hatte und dass er so schwächlich war. Diese Scham! Sie hatten ihn vor den Augen von Anne erniedrigt. Das war so peinlich gewesen. Er war kein richtiger Mann! Und jetzt folgte diese blöde Kuh Ron Jenkins wie eine läufige Katze! Und damit explodierte die zweite Emotion in seinem Inneren: blanker Hass und ohnmächtige Wut. Diese Wut ließ ihn die Zähne fest zusammenbeißen. Er ballte seine Hände zu Fäusten und schwor Rache. Er verharrte so lange in dieser Haltung, bis die Siedlerjungen mit Anne nur noch ein grauer Schemen am Ende der Straße waren.

      Wütend und enttäuscht blickte er sich um, weil er Angst hatte, dass jemand gesehen haben könnte, wie er von den Jungen bedroht wurde. Als er den Mann auf der Bank erblickte, erschrak er zutiefst. Der Mann trug einen schwarzen Anzug, hatte lässig die Beine übereinandergeschlagen, sodass man seinen fein glänzenden Schnürschuh (auf dem sich merkwürdigerweise kein Straßenstaub befand) mit dem Budapestermuster sehen konnte. Was Desmond aber so beunruhigte, war die Gesichtsfarbe des Mannes, die feuerrot war. Nicht einmal die Rothäute hatten einen solchen intensiven Farbton wie dieser Fremde. Das blauschwarze Haar war mit zu viel Pomade bearbeitet worden. Der Mann grinste Desmond an und offenbarte dabei eine Reihe makellos weißer Zähne. Er zwinkerte ihm verschworen zu mit einem Gesichtsausdruck, der sagte: Junge, ich habe alles beobachten können von meiner Bank aus!

      Irritiert wandte sich Desmond von dem Fremden ab und ging unsicheren Schrittes weiter. Schließlich wagte er noch einmal einen flüchtigen Blick über die Schulter zu werfen, denn dieser Mann war so unglaublich sonderbar und bizarr. So eine Gestalt hatte er noch nie zuvor in seinem Leben gesehen. Doch die Parkbank war leer. Verwundert drehte er sich um. Von dem rothäutigen Fremden fehlte jede Spur. Sein Blick glitt über die Arkaden und Geschäfte, doch nirgendwo war der Mann zu sehen. Desmond lief in Richtung Bank, doch auch da war niemand.

      Er schüttelte den Kopf. Für einen Moment war seine Wut vergessen. Er fragte sich, ob er vielleicht auf ein Trugbild hereingefallen war. Eine Fata Morgana, über die Reisende oftmals berichten, die die Wüste und das Ödland durchqueren.

      Sehr seltsam!, dachte Desmond und lief zurück zum Schulheim, in dem er mit den anderen Kindern untergebracht war. Plötzlich wurde die Szene undeutlich, löste sich vor seinen Augen auf. Auf einmal fühlte er sich federleicht. Eine unbekannte Kraft schien seinen Geist ähnlich einem starken Magnetfeld nach oben zu ziehen. Und dann erwachte Desmond Pickett. Es dauerte fast eine ganze Minute, bis er realisierte, dass es nur ein Traum gewesen war. Eine Szene aus seiner traurigen und beschämenden Kindheit. Der Schleier lüftete sich und das alte Ich von Desmond Pickett übernahm die Kontrolle. Jetzt war er wieder der gnadenlose Boss und Tyrann der Three-Pearls-Ranch. Er schüttelte sich, als wollte er die letzten Fetzen des Traums loswerden, und erhob sich von seinem Bett.

      Rainer Mehnert, der Cowboy, schlug die Augen auf. Instinktiv wusste er, dass etwas nicht stimmte. Es war mehr als nur eine Ahnung. Da war wieder dieses vertraute Gefühl, das er aus der Stadt der Nacht kannte. Sein Überlebenssinn, geschärft durch die schrecklichen Erlebnisse aus der Vergangenheit, hatte ihn aus dem Schlaf geholt. Etwas stimmte nicht! Sie waren in Gefahr!

      Ganz langsam drehte er sich auf die Seite. Das Feuer war zu einer schwachen Glut heruntergebrannt. Die Männer lagen in ihren Betten und schliefen. Es hatte aufgehört zu regnen. Selbst das Brüllen des Windes war vollends verstummt. Ein Blick zum Fenster zeigte ihm, dass es draußen noch dunkel war. Neben der Tür saß einer von Jeremy Slaters Männern, dessen Namen er vergessen hatte. Dessen Kopf ruhte auf der Brust, die sich gleichmäßig hob und wieder senkte. Der verfluchte Kerl war eingeschlafen! Nur mühsam unterdrückte der Cowboy einen Fluch. Ganz langsam und vorsichtig erhob er sich von seiner oberen Schlafstätte. Trotzdem knarrte das Bett bei der Bewegung.

      Jetzt sah er, dass Morgan Elroy ebenfalls wach war. Der Indianer saß aufrecht auf seinem Bett. Als er den Cowboy sah, hob er langsam die Hand und hielt den Zeigefinger vor die Lippen. Sssshhhh! Kein Wort! Der Pawnee hatte es auch gespürt. Sie verharrten in ihren Betten und lauschten in die Stille. Und dann hörten sie es. Etwas war da draußen und bewegte sich langsam um die Hütte. Was auch immer es war, es versuchte, sich leise fortzubewegen, doch die nasse Erde ließ jeden Schritt zu einem gedämpften Schmatzen werden. Mit seinem Körper schabte es immer wieder gegen die Holzwände.

      Vorsichtig verließ der Pawnee sein Bett und schlich zum Fenster. Seine Füße glitten lautlos über den Boden. Die anderen Männer schliefen immer noch. Auch der Cowboy verließ sein Bett und kletterte die Holzleiter des Etagenbettes hinunter. Schritt für Schritt, damit er kein verräterisches Geräusch erzeugte. Die beiden Männer positionierten sich links und rechts von dem Fenster.

      »Vielleicht ein Bär?«, wisperte der Cowboy so leise, dass er glaubte, Morgan würde ihn nicht verstehen. Doch der Indianer schüttelte den Kopf.

      »Zu groß!«, hauchte er.

      Die Augen des Cowboys weiteten sich. Zu groß? Zu groß für einen Bär? Und plötzlich beschlich ihn eine ungute Vorahnung. Sein Mund wurde trocken.

      Der Pawnee blickte kurz aus dem Fenster und wich dann blitzschnell wieder zurück. Sein Gesicht war blass geworden. Was auch immer Morgan Elroy gesehen hatte, es hatte ihn aus der Fassung gebracht. Und dann stand die Kreatur direkt vor dem Fenster. Der Cowboy spürte, wie sie durch das schmutzige Glas in die Hütte starrte. Er wagte es nicht sich zu rühren. Ein unheimliches Grollen drang von der anderen Seite des Fensters an sein Ohr, das sich wie das Vibrieren eines Erdbebens anfühlte, bevor der Schall das Gehör erreicht. Diesem Knurren wohnte eine so bösartige Intensität inne, dass der Rahmen der Fensterscheibe anfing zu zittern. Obwohl das Geräusch laut war, nahm der Cowboy es mehr mit dem Körper wahr als mit seinen anderen Sinnesorganen. Und plötzlich wusste er, was für eine Kreatur da draußen stand. Dieses Knurren hatte er schon einmal gehört. In der Stadt der Nacht, Dionaea muscipula! Offenbar war Hekate noch am Leben und hatte schlechte Laune …

      5

       In einer fernen Parallelwelt …

      »Fuck!«, war das erste Wort, das über Jakob Großmüllers Lippen kam. Er schloss die Augen, weil er dachte, dass er träumte. Doch als er sie wieder öffnete, waren die Nacktschnecken immer noch da. Sie waren verendet, hatten eine schwärzliche Farbe angenommen und lagen in einem weiten Kreis um ihn herum. Er spürte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte. Vorsichtig hob er den Fuß und versuchte, über die Schnecken hinwegzutreten. Sie lagen überall verstreut – es waren bestimmt Hunderte. Nur nicht auf eine drauftreten!, dachte er verzweifelt, während er sich einen Weg durch die Wiese bahnte. Er fühlte sich in diesem Moment in einer Endlosschleife gefangen, in einem schrecklichen Déjà-vu-Erlebnis, das ihn so lange heimsuchen würde, bis er ein gebrochener Mann sein und aufgeben würde.

      Wenn die Schnecken anfangen zu sterben, dann ist es soweit. Die Welt wird aufhören zu existieren. Sie wird in Flammen untergehen! So ähnlich waren die Worte von Leonhard Hoyer, dem Primus, gewesen. Hinter dem Primus versteckte sich ein legendenumrankter Mann namens Epimetheus, der ein Nachkomme der Gaia und des Uranos war. Er hatte Jakob auf diese Welt gebracht und ihm versprochen, dass er hier ein ganz normales Leben würde führen können. Irgendetwas war falsch gelaufen. Oder der Primus hatte ihn schlichtweg verarscht. Diese Welt war instabil geworden – vermutlich ausgelöst durch seine bloße Existenz.

      »Verlier jetzt nur nicht den Verstand!«, versuchte er sich selbst zu beruhigen, was ihm aber nicht gelang, denn seine Stimme СКАЧАТЬ