Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac
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Читать онлайн книгу Honoré de Balzac – Gesammelte Werke - Honore de Balzac страница 172

Название: Honoré de Balzac – Gesammelte Werke

Автор: Honore de Balzac

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962815226

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СКАЧАТЬ flüs­sig und kann an­ge­tre­ten wer­den. Seit vier­zehn Ta­gen such­te ich ver­ge­bens die Rechts­nach­fol­ger der De­moi­sel­le Bar­be-Ma­rie O’Fla­har­ty, bis ges­tern bei Tisch …«

      In die­sem Au­gen­blick sprang Ra­pha­el plötz­lich mit ei­ner hef­ti­gen Be­we­gung auf wie je­mand, der eine Wun­de emp­fängt. Es ging wie ein schwei­gen­der Zu­ruf durch den Raum; die ers­te Re­gung der Gäs­te wur­de von dump­fem Neid dik­tiert; alle Bli­cke rich­te­ten sich wie ste­chen­de Flam­men auf ihn. Dann be­gann ein Mur­meln, ähn­lich dem Mur­ren ei­nes un­zu­frie­de­nen Thea­ter­pu­bli­kums; eine re­bel­li­sche Stim­mung kam auf und wuchs, und je­der sag­te ein Wört­chen, mit dem er das un­ge­heu­re Ver­mö­gen, das der No­tar ge­bracht hat­te, be­grüß­te. Ra­pha­el, durch den promp­ten Ge­hor­sam des Schick­sals wie­der völ­lig bei Sin­nen, leg­te so­fort die Ser­vi­et­te auf den Tisch, an der er vor we­ni­gen Stun­den das Cha­grin­le­der ge­mes­sen hat­te. Er hör­te auf kei­ne der Be­mer­kun­gen, leg­te den Ta­lis­man dar­auf, und ein Schau­der über­lief ihn, denn er be­merk­te zwi­schen der auf das Lei­nen ge­zo­ge­nen Kon­tur und der des Le­ders einen klei­nen Ab­stand.

      »Nun, was hat er denn?« rief Tail­le­fer, »er ist wohl­feil zu sei­nem Ver­mö­gen ge­kom­men.«

      »Steh ihm bei, Châtil­lon!« zi­tier­te Bi­xiou, zu Émi­le ge­wandt, »die Freu­de wird ihn tö­ten!«

      Eine furcht­ba­re Bläs­se ließ je­den Mus­kel in dem wel­ken Ge­sicht die­ses Er­ben her­vor­tre­ten, sei­ne Züge ver­krampf­ten sich, die vor­sprin­gen­den Par­ti­en sei­nes Ge­sich­tes wur­den krei­de­bleich, die Höh­lun­gen tief­schwarz, eine fah­le Mas­ke, die Au­gen starr­ten. Er sah den TOD. Die­ser üp­pi­ge Ban­kier im Krei­se der ver­welk­ten Kur­ti­sa­nen, die­se über­sät­tig­ten Ge­sich­ter, die­ser To­des­kampf des Ge­nus­ses wa­ren ein leib­haf­tes Ab­bild sei­nes Le­bens. Drei­mal sah Ra­pha­el sei­nen Ta­lis­man an, der zwi­schen den un­barm­her­zi­gen Li­ni­en auf der Ser­vi­et­te Spiel­raum hat­te, er ver­such­te zu zwei­feln, aber ein kla­res Vor­ge­fühl mach­te sei­nen Un­glau­ben zu­nich­te. Die Welt ge­hör­te ihm, er konn­te al­les und woll­te nichts mehr. Wie ein Rei­sen­der in der Wüs­te hat­te er ein klei­nes Quan­tum Was­ser ge­gen den Durst und muß­te sein Le­ben nach der Zahl der Schlu­cke be­mes­sen. Er sah, daß je­der Wunsch ihm Tage sei­nes Le­bens kos­ten wür­de. Nun glaub­te er an das Cha­grin­le­der, er lausch­te auf sei­nen Atem, fühl­te sich schon krank, frag­te sich: »Bin ich nicht schwind­süch­tig? Ist nicht mei­ne Mut­ter an ei­nem Lun­gen­lei­den ge­stor­ben?«

      »Oh, Ra­pha­el«, rief Aqui­li­na, »jetzt wer­den Sie in Saus und Braus le­ben! Was schen­ken Sie mir?«

      »Trin­ken wir auf den Tod sei­nes On­kels, des Ma­jors O’Fla­har­ty! Das war ein Mann!«

      »Er wird Pair von Frank­reich wer­den.«

      »Bah! was ist nach der Ju­li­re­vo­lu­ti­on ein Pair von Frank­reich!« mein­te der Nörg­ler.

      »Wirst du dir eine Loge in den Bouf­fons neh­men?«

      »Ich hof­fe, Sie wer­den uns alle frei­hal­ten!« sag­te Bi­xiou.

      »Ein Mann wie er wird al­les in großem Stil er­le­di­gen«, mein­te Émi­le.

      Das Hur­ra die­ser la­chen­den Ge­sell­schaft scholl Va­len­tin in den Ohren, ohne daß er den Sinn ei­nes ein­zi­gen Wor­tes zu fas­sen ver­moch­te; un­be­stimmt ge­dach­te er des ein­tö­ni­gen, wunsch­lo­sen Le­bens ei­nes bre­to­ni­schen Bau­ern, der eine Her­de Kin­der hat, sein Feld be­stellt, Buch­wei­zen ißt, Ap­fel­wein aus dem Krug trinkt, an die Jung­frau Ma­ria und den Kö­nig glaubt, am Os­ter­fest zur hei­li­gen Kom­mu­ni­on geht, am Sonn­tag auf dem grü­nen Ra­sen tanzt und von der Pre­digt sei­nes Pfar­rers kein Wort ver­steht. Das Schau­spiel, das sich in die­sem Au­gen­blick sei­nen Bli­cken dar­bot, die­ses ver­gol­de­te Ta­fel­werk, die­se Kur­ti­sa­nen, die­ses Ge­la­ge, die­ser Lu­xus, all das würg­te ihn in der Keh­le, er muß­te hus­ten.

      »Wün­schen Sie Spar­gel?« rief ihm der Ban­kier zu.

      »Ich wün­sche nichts!« fuhr ihn Ra­pha­el mit Don­ner­stim­me an.

      »Bra­vo!« gab Tail­le­fer zu­rück. »Sie ver­ste­hen, was es hei­ßen will, reich zu sein. Es ist ein Frei­brief für die Un­ver­schämt­heit. Sie sind ei­ner der Un­sern! Mes­sieurs, trin­ken wir auf die Macht des Gol­des. Mon­sieur de Va­len­tin ist sechs­fa­cher Mil­lio­när und da­mit eine Macht ge­wor­den. Er ist Kö­nig, er kann al­les, er steht über al­lem, wie alle Rei­chen. Für ihn ist von jetzt ab der Satz »alle Fran­zo­sen sind vor dem Ge­setz gleich!« eine an der Spit­ze der Char­ta ste­hen­de Lüge. Nicht er wird den Ge­set­zen, son­dern die Ge­set­ze wer­den ihm ge­hor­chen. Für Mil­lio­näre gibt es kein Scha­fott und kei­ne Hen­ker!«

      »Rich­tig«, er­wi­der­te Ra­pha­el, »sie sind ihre ei­ge­nen Hen­ker!«

      »Noch ein Vor­ur­teil!« rief der Ban­kier.

      »Trin­ken wir!« rief Ra­pha­el und steck­te den Ta­lis­man in die Ta­sche.

      »Was machst du da?« fra­ge Émi­le und hielt sei­ne Hand fest. »Mes­sieurs!« da­mit wand­te er sich an die Ge­sell­schaft, die über das Be­neh­men Ra­phaels recht ver­blüfft war, »Sie müs­sen wis­sen, daß un­ser Freund, was sage ich, M­on­sieur le Mar­quis de Va­len­tin, ein Ge­heim­nis be­sitzt, um reich zu wer­den. Sei­ne Wün­sche er­fül­len sich in dem Au­gen­blick, wo er sie hegt. Wenn er nicht als ge­mein und herz­los gel­ten will, wird er uns alle reich ma­chen.«

      »Ach, lie­ber klei­ner Ra­pha­el«, rief Eu­phra­sie, »ich möch­te ein Per­len­kol­lier.«

      »Wenn er dank­bar ist, schenkt er mir zwei Equi­pa­gen mit ed­len, flin­ken Pfer­den da­vor«, bet­tel­te Aqui­li­na.

      »Wün­schen Sie für mich 100 000 Li­vres Ren­te!«

      »Mir Kasch­mir!«

      »Be­zah­len Sie mei­ne Schul­den!«

      »Schi­cke mei­nem Oheim, dem zä­hen Kerl, einen Schlag!«

      »Ra­pha­el, 10 000 Li­vres Ren­te, und ich bin dir ewig dank­bar!«

      »Das sind viel­leicht Schen­kun­gen!« rief der No­tar. »Mich müß­te er von der Gicht hei­len.«

      »Las­sen Sie den Ren­ten­kurs sin­ken!« rief der Ban­kier.

      Alle die­se Rufe schos­sen in die Höhe wie die Feu­ergar­ben am Schluß ei­nes Feu­er­werks. Die­se hit­zi­gen Wün­sche wa­ren viel­leicht mehr ernst als scherz­haft ge­meint.

      »Lie­ber Freund«, sag­te Émi­le mit erns­ter Mie­ne, »ich wer­de mich mit 200 000 Li­vres Ren­te be­gnü­gen; sei so nett und be­sor­ge das!«

      »Émi­le«, er­wi­der­te СКАЧАТЬ