Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac
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Читать онлайн книгу Honoré de Balzac – Gesammelte Werke - Honore de Balzac страница 170

Название: Honoré de Balzac – Gesammelte Werke

Автор: Honore de Balzac

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962815226

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      Ra­phaels Ge­schrei, das bis da­hin im Bas­so con­ti­nuo des all­ge­mei­nen Schnar­ch­kon­zerts un­ter­ge­gan­gen war, fand plötz­lich Ge­hör. Die meis­ten Schlä­fer fuh­ren hoch und stie­ßen lau­te Ver­wün­schun­gen aus; sie er­blick­ten den Stö­ren­fried, der auf un­si­che­ren Bei­nen schwank­te, und über­schüt­te­ten sei­nen lär­men­den Rausch mit ei­nem Kon­zert von Flü­chen.

      »Schweigt!« rief Ra­pha­el. »Hun­de, kuscht euch! – Émi­le, ich habe Schät­ze, ich wer­de dir Ha­van­na­zi­gar­ren schen­ken.«

      »Ich höre dich«, ant­wor­te­te der Dich­ter, »Fœ­do­ra oder der Tod! Nur im­mer­zu! Die­se Zier­pup­pe Fœ­do­ra hat dich be­tro­gen. Alle Wei­ber sind Eva­stöch­ter. Dei­ne Ge­schich­te ist nicht im min­des­ten dra­ma­tisch.«

      »Ah! Du hast ge­schla­fen, du Duck­mäu­ser?«

      »Nein … Fœ­do­ra oder der Tod! Ich hab’s be­grif­fen!«

      »Wach auf!« rief Ra­pha­el und be­rühr­te Émi­le mit dem Cha­grin­le­der, als wol­le er ein elek­tri­sches Flui­dum auf ihn ein­strö­men las­sen.

      »Don­ner­wet­ter!« rief Émi­le, stand auf und pack­te Ra­pha­el mit den Ar­men, »den­ke doch dar­an, Freund­chen, daß du mit an­rü­chi­gen Frau­en­zim­mern zu­sam­men bist.«

      »Ich bin Mil­lio­när!«

      »Wenn du auch kein Mil­lio­när bist, be­trun­ken bist du tod­si­cher.«

      »Trun­ken von Macht! Ich kann dich tö­ten! Schweig, ich bin Nero! Ich bin Ne­bu­kad­ne­zar!«

      »Aber Ra­pha­el, wir sind in schlech­ter Ge­sell­schaft, du soll­test end­lich Ruhe ge­ben, aus Ach­tung vor dir selbst.«

      »Mein Le­ben ist ein zu lan­ges Schwei­gen ge­we­sen. Jetzt will ich mich an der gan­zen Welt rä­chen. Ich wer­de mich nicht da­mit ver­gnü­gen, elen­de Ta­ler zum Fens­ter hin­aus­zu­wer­fen, ich wer­de mei­ne Zeit nach­ah­men, sie kon­zen­trie­ren und Men­schen­le­ben und Men­schen­geist und Men­schen­see­len ver­pras­sen. Das ist doch ein Lu­xus, der nicht arm­se­lig ist, was? Das ist der Über­fluß der Pest! Ich wer­de mit dem gel­ben, blau­en und grü­nen Fie­ber kämp­fen, mit Ar­meen und Schaf­ot­ten. Ich kann Fœ­do­ra ha­ben. Aber nein, ich will Fœ­do­ra nicht, Fœ­do­ra ist mei­ne Krank­heit, mein Tod! Ich will Fœ­do­ra ver­ges­sen.«

      »Wenn du mit dei­nem Ge­schrei nicht auf­hörst, tra­ge ich dich in den Spei­se­saal.«

      »Siehst du die­se Haut hier? Das ist das Ver­mächt­nis Sa­lo­mos. Sa­lo­mo ge­hört mir, die­ser lum­pi­ge Pe­dant von ei­nem Kö­nig ge­hört mir! Ara­bi­en und Pe­träa dazu. Das gan­ze Uni­ver­sum ge­hört mir. Du ge­hörst mir, wenn ich will. Du, wenn ich will, nimm dich in acht! Ich kann dei­ne gan­ze Jour­na­lis­ten­bu­de kau­fen, und du wirst mein La­kai. Dann mußt du mir Cou­plets dich­ten und mei­ne Pa­pie­re ord­nen. La­kai! La­kai! – das heißt: ›Es geht ihm gut, weil er an nichts denkt.‹«

      Bei die­sen Wor­ten schlepp­te Émi­le Ra­pha­el in den Spei­se­saal.

      »Schön, du hast recht, Freund­chen, ich bin dein La­kai. Aber du sollst Che­fre­dak­teur ei­ner Zei­tung wer­den, schweig! Be­nimm dich ge­sit­tet, aus Rück­sicht auf mich. Hast du mich lieb?«

      »Ob ich dich lieb­ha­be? Du sollst Ha­van­na­zi­gar­ren ha­ben, durch die­ses Le­der hier. Im­mer das Le­der, Freund­chen, das all­mäch­ti­ge Le­der! Ein vor­treff­li­ches Pflas­ter, ich kann die Hüh­ne­rau­gen mit ihm weg­brin­gen. Hast du Hüh­ne­rau­gen? Ich ent­fer­ne sie dir.«

      »Ich habe dich nie so al­bern ge­se­hen.«

      »Al­bern, Freund­chen? Nein. Die­ses Le­der wird klei­ner, wenn ich einen Wunsch habe … das ist eine An­ti­no­mie. Der Brah­ma­ne – es steckt ein Brah­ma­ne da­hin­ter! –, der war doch ein rech­ter Spaß­vo­gel, denn siehst du, die Wün­sche, die müs­sen doch grö­ßer ma­chen …«

      »Na­tür­lich, ver­steht sich.«

      »Ich sage dir …«

      »Ja ge­wiß, sehr rich­tig, du hast ganz recht. Der Wunsch macht grö­ßer …«

      »Ich sage, das Le­der …«

      »Ja, ge­wiß.«

      »Du glaubst mir nicht. Ich ken­ne dich, al­ter Freund, du lügst wie ein neu­ge­ba­cke­ner Kö­nig.«

      »Ja, ver­langst du denn, ich soll den Un­sinn, den du im Rau­sche da­her­schwatzt, für bare Mün­ze neh­men?«

      »Was gilt die Wet­te? Ich kann es dir be­wei­sen. Neh­men wir das Maß …«

      »Oh je, wenn er doch schla­fen woll­te!« rief Émi­le, als er sah, wie Ra­pha­el im Spei­se­saal hin und her such­te.

      Dank der selt­sa­men Hell­sicht, die bei Trun­ke­nen manch­mal auf­tritt und die et­was ganz an­de­res ist als die stump­fen Vi­sio­nen des Rau­sches, ge­lang es Va­len­tin mit af­fen­ar­ti­ger Be­hen­dig­keit, ein Schreib­zeug und eine Ser­vi­et­te zu be­schaf­fen, wo­bei er un­un­ter­bro­chen wie­der­hol­te: »Wir wol­len Maß neh­men! Wir wol­len Maß neh­men!«

      »Schön«, sag­te Émi­le, »wir wol­len Maß neh­men!«

      Die bei­den Freun­de ent­fal­te­ten die Ser­vi­et­te und leg­ten das Cha­grin­le­der dar­auf. Émi­le, des­sen Hand si­che­rer schi­en als die Ra­phaels, zog mit der Fe­der die Kon­tu­ren des Ta­lis­mans nach, wäh­rend sein Freund zu ihm sag­te:

      »Ich habe mir 200 000 Li­vres Ren­te ge­wünscht, nicht wahr? Wenn ich sie be­kom­me, dann wirst du se­hen, wie mein Le­der klei­ner ge­wor­den ist.«

      »Ja. Schlaf jetzt. Soll ich dich auf das Sofa le­gen? Liegst du gut?«

      »Ja­wohl, du Pres­se­ba­by! Du sollst mein Spaß­ma­cher wer­den, du sollst mir die Flie­gen weg­ja­gen. Der Freund im Un­glück hat ein Recht, der Freund der Mäch­ti­gen zu wer­den. Und ich wer­de dir – gar – ren, Ha – van …«

      »Nun, nun, schlaf nur dein Rausch­gold aus, Mil­lio­när!«

      »Und du dei­ne Ar­ti­kel. Gute Nacht! Willst du wohl Ne­bu­kad­ne­zar gute Nacht sa­gen! Lie­be! Zu trin­ken! Frank­reich … Ruhm und reich … reich …«

      Bald ver­ei­nig­te sich das Schnar­chen der bei­den Freun­de mit der Mu­sik, die aus den Sa­lons er­scholl. Ein Kon­zert, das nie­mand hör­te! Die Ker­zen er­lo­schen eine nach der an­de­ren und zer­spreng­ten ihre kris­tal­le­nen Man­schet­ten. Die Nacht hüll­te ih­ren Schlei­er über die­se end­lo­se Or­gie, in der Ra­phaels Er­zäh­lung wie eine Or­gie von Wor­ten ge­we­sen war, von Wor­ten ohne Ide­en, und von Ide­en, de­nen oft der rech­te Aus­druck СКАЧАТЬ