Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac
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Читать онлайн книгу Honoré de Balzac – Gesammelte Werke - Honore de Balzac страница 171

Название: Honoré de Balzac – Gesammelte Werke

Автор: Honore de Balzac

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962815226

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СКАЧАТЬ Schlaf hat­te die ele­gan­ten Fri­su­ren zer­stört und die Klei­der zer­knit­tert, so bo­ten die Frau­en im hel­len Ta­ges­licht einen ab­sto­ßen­den An­blick: ihre Haa­re hin­gen wirr her­un­ter, der Aus­druck ih­rer Züge hat­te sich ver­än­dert, ihre strah­len­den Au­gen wa­ren vor Über­mü­dung trü­be ge­wor­den. Die gel­be Haut, die bei Ker­zen­schein schim­mer­te, war ab­scheu­er­re­gend; die blut­lee­ren Ge­sich­ter, so zart und weich, als sie aus­ge­ruht wa­ren, sa­hen nun grün aus; die sonst lieb­li­chen ro­ten Mün­der wa­ren jetzt tro­cken und blaß und wie­sen die schmäh­li­chen Spu­ren der Trun­ken­heit auf. Die Män­ner wi­chen vor den nächt­li­chen Ge­lieb­ten zu­rück, die sie so al­len Glan­zes le­dig sa­hen, lei­chen­haft, gleich zer­tre­te­nen Blu­men, die nach ei­ner Pro­zes­si­on auf der Stra­ße lie­gen. Die­se hoch­mü­ti­gen Män­ner je­doch wa­ren noch schreck­li­cher an­zu­se­hen. Die­se mensch­li­chen Ge­sich­ter hät­ten sie zu­rück­schau­dern las­sen mit ih­ren hoh­len schwarz um­rän­der­ten Au­gen, die vom Wein um­ne­belt und durch einen üb­len Schlaf, der mehr er­mü­dend als er­fri­schend war, ge­trübt, nichts wahr­zu­neh­men schie­nen. Die­se über­näch­tig­ten Ge­sich­ter, auf de­nen die phy­si­schen Trie­be nackt zu­ta­ge tra­ten, ohne die Poe­sie, mit der un­se­re See­le sie schmückt, hat­ten et­was grau­en­haft Wil­des und Bes­tia­li­sches an sich. Die­ses Er­wa­chen des hül­len­lo­sen un­ge­schmink­ten Las­ters, die­ses ent­blö­ßten, kal­ten, hoh­len Ge­rip­pes des Bö­sen, das, der So­phis­men des Geis­tes oder der Ver­zau­be­run­gen des Lu­xus be­raubt, die­se un­ver­zag­ten Strei­ter ent­setz­te, so sehr sie auch den Kampf mit der Aus­schwei­fung ge­wöhnt wa­ren. Künst­ler und Kur­ti­sa­nen blie­ben stumm und sa­hen ver­stört auf die Un­ord­nung in den Räu­men, wo das Feu­er der Lei­den­schaft al­les ver­heert und ver­wüs­tet hat­te. Ein in­fer­na­li­sches Ge­läch­ter er­hob sich mit ei­nem Male, als Tail­le­fer auf das dump­fe Rö­cheln sei­ner Gäs­te hin sich zur Be­grü­ßung eine Gri­mas­se ab­quä­len woll­te; sein rot auf­ge­dun­se­nes, vor Schweiß trie­fen­des Ge­sicht ließ über die­ser höl­li­schen Sze­ne das Bild des Ver­bre­chens ohne Reue schwe­ben. Die Sze­ne­rie war voll­stän­dig. Das war schmut­zi­ge Voll­kom­men­heit mit­ten im Lu­xus, eine grau­si­ge Mi­schung aus mensch­li­chem Glanz und Elend, das Er­wa­chen der Aus­schwei­fung, wenn sie mit ih­ren star­ken Hän­den alle Früch­te des Le­bens aus­ge­preßt hat und nichts um sich läßt als schmach­vol­le Trüm­mer und Lü­gen, an die sie nicht mehr glaubt. Das Bild er­in­ner­te an den grin­sen­den Tod mit­ten in ei­ner pest­kran­ken Fa­mi­lie: kei­ne be­täu­ben­den Düf­te und Lich­ter mehr; kei­ne Hei­ter­keit und kein Ver­lan­gen; da­für der Über­druß mit sei­nen eklen Gerü­chen und sei­ner ät­zen­den Phi­lo­so­phie; die Son­ne, strah­lend hell wie die Wahr­heit, eine Luft, rein wie die Tu­gend, im Ge­gen­satz zu der schwü­len At­mo­sphä­re, die mit wid­ri­gen Düns­ten, mit dem Pest­hauch ei­ner Or­gie ge­schwän­gert war! Das eine oder an­de­re Mäd­chen, ob­wohl sie das Las­ter ge­wohnt wa­ren, dach­te wohl an ihr Er­wa­chen von ehe­mals, wo sie un­schul­dig und rein durch ihre länd­li­chen Fens­ter, an de­nen Geiß­blatt und Ro­sen rank­ten, eine mor­gen­fri­sche Land­schaft im tau­schim­mern­den Dunst­kleid der auf­ge­hen­den Son­ne schau­ten, die das freu­di­ge Schmet­tern der Ler­che ver­zau­ber­te. An­de­re mal­ten sich das Früh­stück in der Fa­mi­lie aus, den Tisch, um den in un­schul­di­ger Freu­de die Kin­der und der Va­ter sa­ßen, wo um al­les ein un­be­schreib­li­cher Zau­ber lag und die Ge­rich­te ein­fach wa­ren wie die Her­zen. Ein Künst­ler dach­te an den Frie­den sei­nes Ate­liers, an sei­ne keu­sche Sta­tue, an das gra­zi­öse Mo­dell, das ihn er­war­te­te. Ein jun­ger Mann er­in­ner­te sich an den Pro­zeß, von dem das Schick­sal ei­ner Fa­mi­lie ab­hing, und eine wich­ti­ge Ver­hand­lung fiel ihm ein, bei der sei­ne Ge­gen­wart un­er­läß­lich war. Der Ge­lehr­te dach­te mit Be­dau­ern an sein stil­les Ar­beits­zim­mer, wo­hin ihn ein ed­les Werk rief. Fast alle wa­ren mit sich un­zu­frie­den. In die­sem Au­gen­blick er­schi­en Émi­le, frisch und ro­sig, wie der schmucks­te La­den­die­ner ei­nes flo­rie­ren­den Ge­schäfts, und lach­te.

      »Ihr seid häß­li­cher als Ge­richts­büt­tel!« rief er. »Heu­te könnt Ihr doch nichts tun, der Tag ist ver­lo­ren; ich mei­ne, wir set­zen uns zum Früh­stück.«

      Nach die­sen Wor­ten ging Tail­le­fer hin­aus, um das Nö­ti­ge an­zu­ord­nen. Müde und miß­mu­tig brach­ten die Frau­en vor den Spie­geln ihre Toi­let­ten in Ord­nung. Alle schüt­tel­ten sich. Die Ver­derb­tes­ten pre­dig­ten den Maß­volls­ten Moral. Die Kur­ti­sa­nen spöt­tel­ten über jene, die nicht die Kraft zu fin­den schie­nen, die­ses wil­de Ge­la­ge fort­zu­set­zen. Nach ei­ner Wei­le kam neu­es Le­ben in die­se Ge­s­pens­ter, sie bil­de­ten Grup­pen, plau­der­ten und lach­ten. Ei­ni­ge Be­dien­te stell­ten ge­schickt und flink die Mö­bel und üb­ri­gen Din­ge wie­der auf ih­ren Platz. Ein üp­pi­ges Früh­stück wur­de auf­ge­tra­gen. Die Ge­sell­schaft stürz­te in den Spei­se­saal. Wenn­gleich auch dort al­les den un­tilg­ba­ren Stem­pel der nächt­li­chen Aus­schwei­fun­gen trug, gab es dar­in doch we­nigs­tens noch eine Spur von Le­ben und Den­ken, wie in den letz­ten Zu­ckun­gen ei­nes Ster­ben­den. Wie bei dem Fast­nachts­zug wur­de die Sa­tur­na­lie von Mas­ken be­er­digt, die, ih­rer Tän­ze müde, ih­ren Rausch satt hat­ten und nun al­les Ver­gnü­gen fad fan­den, um sich die ei­ge­ne Ohn­macht nicht ein­ge­ste­hen zu müs­sen. In dem Au­gen­blick, wo die­se un­ver­zag­te Ge­sell­schaft sich um die Ta­fel des Ka­pi­ta­lis­ten schar­te, tauch­te das sanft lä­cheln­de Be­am­ten­ge­sicht Car­dots auf, der sich am Abend vor­her klüg­lich nach dem Di­ner ver­drückt hat­te, um sei­ne Or­gie im Ehe­bett zu be­schlie­ßen. Er mach­te eine wich­ti­ge Mie­ne. Er schi­en ge­ahnt zu ha­ben, daß es eine Nach­fol­ge, einen Nach­laß zu tei­len, zu in­ven­ta­ri­sie­ren, ur­kund­lich fest­zu­hal­ten gäl­te, einen Nach­laß mit vie­len Ak­ten­stücken und fet­ten Ho­no­ra­ren, so saf­tig wie das zit­tern­de Fi­let, in das der Gast­ge­ber ge­ra­de sein Mes­ser stach.

      »Oh, oh! wir sol­len im Bei­sein des No­tars früh­stücken!« rief Mon­sieur de Cur­sy.

      »Sie kom­men ge­ra­de zu­recht, um all die­se Stücke zu ru­bri­zie­ren und zu pa­ra­gra­phie­ren«, sag­te der Ban­kier zu ihm und wies auf das präch­ti­ge Früh­stück.

      »Es ist kein Te­sta­ment zu ma­chen, aber viel­leicht Ehe­ver­trä­ge«, mein­te der Ge­lehr­te, der seit ei­nem Jahr glück­lich ver­hei­ra­tet war.

      »Oho!«

      »Aha!«

      »Ei­nen Au­gen­blick«, er­wi­der­te Car­dot, den ein gan­zer Chor von schlech­ten Wit­zen nie­der­schrie, »ich kom­me in ei­ner erns­ten Sa­che. Ich brin­ge ei­nem von Ih­nen sechs Mil­lio­nen.« (Tie­fes Schwei­gen). »Mon­sieur«, wand­te er sich an Ra­pha­el, der eben da­mit be­schäf­tigt war, sich ohne viel Um­stän­de mit ei­nem Zip­fel sei­ner Ser­vi­et­te die Au­gen aus­zu­wi­schen, »war Ihre Frau Mut­ter nicht eine ge­bo­re­ne O’Fla­har­ty?«

      »Ja­wohl«, ant­wor­te­te Ra­pha­el me­cha­nisch, »Bar­be-Ma­rie.«

      »Ha­ben Sie«, fuhr Car­dot fort, »Ihren Ge­burts­schein und den der Ma­da­me de Va­len­tin bei sich?«

      »Ich СКАЧАТЬ