Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac
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Название: Honoré de Balzac – Gesammelte Werke

Автор: Honore de Balzac

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962815226

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СКАЧАТЬ zu be­geg­nen, in de­nen die ih­ren ru­hen könn­ten. Ei­nes Abends fand ich den Mut, ihr in leb­haf­ten Far­ben ihr ver­öde­tes, ein­sa­mes und lee­res Al­ter aus­zu­ma­len. An­ge­sichts sol­cher schreck­li­chen Ra­che der hin­ter­gan­ge­nen Na­tur sag­te sie et­was Ab­scheu­li­ches: ›Ich wer­de im­mer Geld ha­ben. Mit Geld aber kön­nen wir im­mer die Ge­füh­le um uns schaf­fen, die zu un­se­rem Wohl­be­ha­gen nö­tig sind.‹ Ich ging fort, nie­der­ge­schmet­tert von der Lo­gik die­ses Lu­xus, die­ser Frau, die­ser Welt, über­häuf­te mich mit Vor­wür­fen, daß ich sie so hirn­ver­brannt ver­göt­ter­te. Ich lieb­te ja die arme Pau­li­ne auch nicht; hat­te die rei­che Fœ­do­ra nicht das Recht, den ar­men Ra­pha­el zu­rück­zu­wei­sen? Un­ser Ge­wis­sen ist ein un­fehl­ba­rer Rich­ter, wenn wir es noch nicht ge­mor­det ha­ben. – ›Fœ­dora‹, rief mir eine so­phis­ti­sche Stim­me zu, ›liebt nie­man­den und weist nie­man­den zu­rück; sie ist frei, aber ehe­dem hat sie sich für Gold ver­kauft. Der rus­si­sche Graf, mag er Gat­te oder Lieb­ha­ber ge­we­sen sein, hat sie be­ses­sen. War­te es ab!‹

      Ohne Tu­gend und ohne Las­ter leb­te die­se Frau fern von der Mensch­heit, in ei­ner Sphä­re für sich, ei­ner Höl­le oder ei­nem Pa­ra­dies. Die­ses weib­li­che Rät­sel in Kasch­mir und Sti­cke­rei­en setz­te alle mensch­li­chen Trieb­kräf­te in mir in Be­we­gung: Stolz, Ehr­geiz, Lie­be, Neu­gier­de. Eine Mo­de­lau­ne oder die Ma­nie, ori­gi­nell zu er­schei­nen, von der wir alle be­ses­sen sind, hat­te uns dazu ge­trie­ben, ein klei­nes Bou­le­vard­thea­ter zu be­vor­zu­gen. Die Com­tes­se äu­ßer­te den Wunsch, die be­pu­der­te Phy­sio­gno­mie ei­nes Mi­men zu se­hen, den ei­ni­ge Leu­te von Geist himm­lisch fan­den, und mir ward die Ehre zu­teil, sie zur Pre­mie­re ir­gend­ei­ner mie­sen Pos­se zu be­glei­ten. Die Loge kos­te­te kaum 100 Sous, doch be­saß ich nicht einen lum­pi­gen Hel­ler. Da ich noch einen hal­b­en Band Me­moi­ren zu schrei­ben hat­te, wag­te ich nicht, Fi­not um Geld an­zu­ge­hen, und Ras­ti­gnac, mein hel­fen­der En­gel, war ver­reist. Die­se be­stän­di­ge Ver­le­gen­heit mach­te mein gan­zes Le­ben zum Fluch. Ein­mal, als wir aus der Oper ka­men und es schreck­lich reg­ne­te, hat­te Fœ­do­ra einen Wa­gen für mich vor­fah­ren las­sen, ohne daß ich mich die­sem eit­len Lie­bes­dienst hät­te ent­zie­hen kön­nen: sie ließ kei­ne mei­ner Ent­schul­di­gun­gen gel­ten, we­der mei­ne Vor­lie­be für den Re­gen noch den Ein­wand, daß ich spie­len ge­hen wol­le. Sie ahn­te nichts von mei­ner Not; sie er­riet sie nicht aus mei­ner ver­le­ge­nen Hal­tung und nicht aus mei­nen trau­rig scher­zen­den Wor­ten. Mei­ne Au­gen brann­ten scham­voll, aber ver­stand sie einen ein­zi­gen mei­ner Bli­cke? Das Le­ben der jun­gen Leu­te ist son­der­ba­ren Lau­nen un­ter­wor­fen! Auf der Fahrt be­schwor jede Um­dre­hung der Rä­der Ge­dan­ken in mir her­auf, die mir das Herz ver­zehr­ten; ich ver­such­te, aus dem Bo­den des Wa­gens ein Brett zu lö­sen, in der Hoff­nung, auf das Pflas­ter glei­ten zu kön­nen; aber da ich auf un­über­wind­li­che Hin­der­nis­se stieß, fing ich krampf­haft zu la­chen an und ver­harr­te dann in ei­ner düs­te­ren Ruhe, stumpf, wie ein Mensch am Pran­ger. Als ich zu Hau­se an­ge­langt war, un­ter­brach mich Pau­li­ne bei den ers­ten Wor­ten, die ich stam­mel­te, und sag­te: ›Wenn es Ih­nen an Geld fehlt …?‹ Oh! Ros­si­nis Mu­sik war nichts ge­gen die­se Wor­te. Aber zu­rück zum Théâtre des Fu­n­am­bu­les. Um die Com­tes­se dort hin­füh­ren zu kön­nen, woll­te ich den gol­de­nen Rah­men vom Bild mei­ner Mut­ter ver­pfän­den. Das Leih­haus stel­le ich mir von je­her wie eins der Tore zum Ba­gno vor; aber es war im­mer noch bes­ser, so­gar mein Bett da­hin zu tra­gen, als Al­mo­sen zu er­bet­teln. Der Blick ei­nes Men­schen, den man um Geld bit­tet, tut so weh! Man­che Dar­le­hen kos­ten uns un­se­re Ehre, wie manch ab­schlä­gi­ger Be­scheid aus Freun­des­mund uns eine letz­te Il­lu­si­on raubt. Pau­li­ne ar­bei­te­te, ihre Mut­ter hat­te sich zur Ruhe be­ge­ben. Nach ei­nem flüch­ti­gen Blick auf das Bett, des­sen Vor­hän­ge leicht zu­rück­ge­zo­gen wa­ren, glaub­te ich Ma­da­me Gau­din fest ein­ge­schla­fen, da ich ihr gel­bes ru­hi­ges Pro­fil auf dem Kopf­kis­sen wahr­nahm. – ›Sie ha­ben Kum­mer?‹ frag­te Pau­li­ne und leg­te den Pin­sel auf ihre Mal­ar­beit. – ›Gu­tes Kind, Sie kön­nen mir einen großen Ge­fal­len er­wei­sen‹, er­wi­der­te ich ihr. Sie sah mich so be­glückt an, daß ich er­zit­ter­te. ›Soll­te sie mich lie­ben?‹ dach­te ich. ›Pau­li­ne‹, be­gann ich von neu­em und setz­te mich nun nahe zu ihr, um sie aus­zu­for­schen. Sie er­riet, was ich woll­te, so ein­dring­lich fra­gend war mein Ton; sie senk­te die Au­gen, und ich sah sie prü­fend an. Ich glaub­te in ih­rem Her­zen le­sen zu kön­nen wie in mei­nem ei­ge­nen, denn der Aus­druck ih­res Ant­lit­zes war rein und un­schul­dig. – ›Sie lie­ben mich?‹ frag­te ich end­lich. – ›Ein biß­chen, über alle Ma­ßen, gar nicht!‹ rief sie. Sie lieb­te mich nicht. Ihr necki­scher Ton und ihre pos­sier­li­chen Ge­bär­den zeug­ten nur von der mut­wil­li­gen Dank­bar­keit ei­nes jun­gen Mäd­chens. Ich ge­stand ihr also mei­ne schlim­me Lage, die Ver­le­gen­heit, in der ich mich be­fand, und bat sie, mir zu hel­fen. – ›Wie, Mon­sieur Ra­phael‹, rief sie, ›Sie wol­len nicht aufs Leih­haus ge­hen und schi­cken mich!‹ Ich er­rö­te­te. Ihre kind­li­che Lo­gik setz­te mich in Ver­le­gen­heit. Dann er­griff sie mei­ne Hand, als wol­le sie die Wahr­heit ih­res Aus­rufs durch eine Zärt­lich­keit wie­der­gut­ma­chen. – ›Oh!‹ fuhr sie dann fort, ›ich gin­ge schon gern, aber der Gang ist un­nö­tig. Heu­te mor­gen habe ich hin­ter dem Kla­vier zwei 100-Sous-Stücke ge­fun­den, die Sie wohl aus Ver­se­hen zwi­schen Wand und Scheu­er­leis­te rol­len lie­ßen; ich habe sie Ih­nen auf Ihren Tisch ge­legt.‹ – ›Sie wer­den ge­wiß bald Geld be­kom­men, Mon­sieur Ra­phael‹, sag­te nun die gute Mut­ter und steck­te den Kopf durch die Vor­hän­ge, ›ich kann Ih­nen in­zwi­schen gut und gern ein paar Ta­ler lei­hen.‹ – ›O Pau­li­ne!‹, rief ich und drück­te ihr die Hand, ›ich woll­te, ich wäre reich!‹ – ›Bah! Wa­rum denn?‹ rief sie keck. Ihre Hand zit­ter­te in mei­ner und er­wi­der­te alle Schlä­ge mei­nes Her­zens; sie zog ihre Fin­ger rasch zu­rück und be­trach­te­te prü­fend mei­ne Hand. ›Sie wer­den eine rei­che Frau hei­ra­ten‹, sag­te sie dann, ›a­ber sie wird Ih­nen viel Kum­mer ma­chen. O mein Gott! sie wird Sie tö­ten! Das weiß ich si­cher.‹ In ih­rem Auf­schrei lag ein ge­wis­ser Glau­ben an die när­ri­schen Pro­phe­zei­un­gen ih­rer Mut­ter. – ›Sie sind sehr leicht­gläu­big, Pau­li­ne!‹ – ›Oh, ganz si­cher‹, ver­setz­te sie und sah mich ent­setzt an, ›die Frau, die Sie lie­ben, wird Sie tö­ten!‹ Sie griff wie­der zu ih­rem Pin­sel, tauch­te ihn, tief­be­wegt, in die Far­be und sah mich nicht mehr an. In die­sem Au­gen­blick hät­te ich schon an der­lei Hirn­ge­spins­te glau­ben mö­gen. Ein Mensch ist nicht so elend dran, wenn er aber­gläu­bisch ist. Der Aber­glau­be ist oft eine Hoff­nung. In mei­nem Zim­mer sah ich in der Tat zwei präch­ti­ge Ta­ler auf dem Tisch lie­gen, de­ren Da­sein mir un­er­klär­lich schi­en. In den wir­ren Ge­dan­ken wäh­rend des Ein­schla­fens ging ich mei­ne Aus­ga­ben durch, um die­sen un­er­hoff­ten Fund zu recht­fer­ti­gen, aber in ver­geb­li­che Rech­ne­rei­en ver­lo­ren, schlief ich ein. Am nächs­ten Mor­gen kam Pau­li­ne, als ich ge­ra­de aus­ge­hen woll­te, um eine Loge zu be­stel­len. ›Vi­el­leicht rei­chen Sie mit zehn Fran­cs nicht aus‹, sag­te das lie­be, hol­de Kind er­rö­tend, ›im Auf­trag mei­ner Mut­ter soll ich Ih­nen die­ses Geld an­bie­ten. Neh­men Sie, neh­men Sie!‹ Sie leg­te drei Ta­ler auf den Tisch und woll­te ei­ligst hin­aus; aber ich hielt sie fest. Be­wun­de­rung trock­ne­te die Trä­nen, die mir in die Au­gen tra­ten. ›Pau­li­ne‹, rief ich, ›Sie sind ein En­gel! СКАЧАТЬ