Название: Honoré de Balzac – Gesammelte Werke
Автор: Honore de Balzac
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962815226
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»Und reicher als du glaubst«, versetzte er lachend. »Errätst du nicht, daß, falls mir Finot eine Provision bei diesem Geschäft gibt, diese für dich bestimmt ist? Gehen wir in den Bois de Boulogne«, sagte er, »wir werden dort deine Comtesse sehen, und ich will dir die hübsche kleine Witwe zeigen, die ich heiraten soll, eine reizende Person, Elsässerin, freilich ein bißchen fett. Sie liest Kant, Schiller, Jean Paul und noch eine Menge »wasserfördernder« Bücher. Sie hat die Manie, mich immer nach meiner Meinung zu fragen; dann muß ich eine Miene schneiden, als verstünde ich diese ganze deutsche Empfindelei und kennte einen Haufen Balladen: lauter Drogen, die mir vom Arzt verboten sind. Ich habe ihr ihren literarischen Enthusiasmus noch nicht abgewöhnen können, sie heult zum Steinerweichen, wenn sie Goethe liest, und ich muß aus Gefälligkeit ein bißchen mit weinen, denn es stehen 50 000 Livres Rente in Frage, mein Lieber, und der niedlichste Fuß, das reizendste Händchen der Welt. Ach! wenn sie nicht ›mon anche‹ sagte statt ›mon ange‹ und ›proulier‹ statt ›brouiller‹, wäre sie eine vollkommene Frau.« Wir sahen die Comtesse, glänzend in glänzender Equipage. Die Kokette grüßte uns sehr herzlich und warf mir ein Lächeln zu, das mir damals himmlisch und voller Liebe vorkam. Ach! ich war sehr glücklich, ich glaubte mich geliebt, hatte Geld und Schätze an Leidenschaft. Das Elend war vorbei. Leichten Herzens, heiter, mit allem zufrieden, fand ich auch die Geliebte meines Freundes bezaubernd. Die Bäume, die Luft, der Himmel, die ganze Natur schienen mir das Lächeln Fœdoras widerzuspiegeln. Auf dem Rückwege von den Champs-Elysées gingen wir zu dem Hutmacher und dem Schneider Rastignacs. Die Halsbandgeschichte erlaubte mir, von meinem kläglichen Friedenspfad auf einen stolzen Kriegspfad überzuwechseln. In Zukunft konnte ich mich furchtlos mit der Grazie und Eleganz der jungen Männer, die Fœdora umschwärmten, messen. Ich ging nach Hause, ich schloß mich ein und saß anscheinend ruhig vor meiner Dachluke; in Wahrheit aber sagte ich meinen Dächern auf ewig Lebewohl, lebte bereits in der Zukunft, malte mir mein Leben aus, genoß im voraus die Liebe und deren Freuden. Oh, wie stürmisch kann das Leben zwischen den vier Wänden einer Mansarde werden! Die menschliche Seele ist eine Fee, sie verwandelt Stroh in Diamanten; unter ihrem Zauberstabe erstehen die Märchenschlösser wie die Blumen des Feldes unter dem warmen Hauch der Sonne. Am nächsten Tage um die Mittagsstunde klopfte Pauline leise an meine Tür und brachte mir – rate was? – einen Brief von Fœdora. Die Comtesse bat mich, sie im Luxembourg abzuholen und sie ins Museum und den Jardin des Plantes35 zu begleiten. »Der Bote wartet auf Antwort«, sagte sie nach einem Moment des Schweigens. Ich kritzelte eiligst einen Dankbrief, den Pauline mitnahm. Ich kleidete mich an. Im Augenblick, da ich recht zufrieden mit mir meine Toilette beendete, überlief es mich eiskalt bei dem Gedanken: Ist Fœdora zu Fuß oder im Wagen gekommen? Wird es regnen, wird es schön sein? Aber gleichviel, sagte ich mir, ob zu Fuß oder im Wagen, ist man jemals vor den phantastischen Launen einer Frau sicher? Sie wird kein Geld bei sich haben und einem kleinen Savoyarden 100 Sous geben wollen, weil er in seinen Lumpen so hübsch aussieht. Ich besaß keinen roten Heller und sollte erst am Abend Geld bekommen. Oh, wie teuer zahlt ein Dichter in jenen entscheidenen Augenblicken der Jugend seine geistige Überlegenheit, die er der Arbeit und seiner strengen Lebensweise verdankt! Im Nu schossen mir tausend schmerzhafte Gedanken wie spitze Pfeile durch den Kopf. Ich blickte durch mein Dachfenster zum Himmel. Das Wetter war sehr unsicher. Wenn es not täte, könnte ich allenfalls einen Wagen für den Tag mieten; aber würde ich nicht in meinem Glück jeden Augenblick zittern, Finot am Abend nicht anzutreffen? Ich fühlte mich nicht stark genug, so viele Ängste inmitten meiner Freuden auszuhalten. Obwohl ich gewiß war, nichts zu finden, unternahm ich eine ausgedehnte Suchaktion in meinem Zimmer, bis in die Tiefen meines Strohsacks hinab forschte ich nach nicht vorhandenen Talern, ich kehrte das Unterste zuoberst, schüttelte sogar die alten Stiefel aus. In fieberhafter Aufregung starrte ich auf meine СКАЧАТЬ