Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac
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Название: Honoré de Balzac – Gesammelte Werke

Автор: Honore de Balzac

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962815226

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СКАЧАТЬ doch war es mir bis­her durch äu­ßers­te Sorg­falt ge­lun­gen, den mei­nen in ei­nem er­träg­li­chen Zu­stand zu er­hal­ten. Ohne daß er auf­fal­lend neu oder ab­ge­nutzt alt, sehr sei­dig oder ganz ohne al­len Glanz ge­we­sen wäre, konn­te er für den Hut ei­nes sorg­fäl­tig ge­klei­de­ten Men­schen gel­ten; aber sei­ne künst­li­che Exis­tenz lang­te nun bei ih­rer letz­ten Pe­ri­ode an; er war ver­bo­gen, zer­beult, fer­tig, ein wah­rer Lum­pen, wür­di­ger Re­prä­sen­tant sei­nes Herrn. We­gen feh­len­der 30 Sous ging ich mei­ner müh­sa­men Ele­ganz ver­lus­tig. Oh! Wie vie­le Op­fer hat­te ich Fœ­do­ra seit drei Mo­na­ten ge­bracht, von de­nen sie nichts wuß­te! Oft gab ich das Geld für eine Wo­che Brot da­hin, um sie einen Au­gen­blick zu se­hen. Mei­ne Ar­beit lie­gen­las­sen und hun­gern, das war nichts! – aber durch die Stra­ßen von Pa­ris ei­len, ohne sich be­sprit­zen zu las­sen, ren­nen, um nicht in den Re­gen zu kom­men, in eben­so ta­del­lo­ser Klei­dung vor ihr zu er­schei­nen wie die Stut­zer, die sie um­ga­ben –, ja, die­se Auf­ga­be barg für einen ver­lieb­ten und zer­streu­ten Poe­ten un­zäh­li­ge Schwie­rig­kei­ten! Mein Glück, mei­ne Lie­be hing von ei­nem Sprit­zer­chen Stra­ßen­schmutz auf mei­ner ein­zi­gen wei­ßen Wes­te ab! Da­rauf ver­zich­ten zu müs­sen, sie zu se­hen, wenn ich schmut­zig oder naß wur­de! Nicht fünf Sous zu be­sit­zen, um von ei­nem Stie­fel­put­zer die Kotsprit­zer auf mei­nen Stie­feln ent­fer­nen zu las­sen! Und trotz al­ler die­ser klei­nen un­be­kann­ten Mar­tern, die für einen reiz­ba­ren Men­schen un­ge­heu­er wa­ren, war mei­ne Lei­den­schaft ge­wach­sen. Die Un­glück­li­chen müs­sen Op­fer brin­gen, über die sie mit den Frau­en, die in ei­ner Sphä­re des Lu­xus und der Ele­ganz le­ben, nicht spre­chen dür­fen; jene se­hen die Welt durch ein Pris­ma, das Men­schen und Din­ge ver­gol­det. Op­ti­mis­tisch aus Ego­is­mus, grau­sam aus gu­tem Ton, schen­ken sich die­se Frau­en das Nach­den­ken um des Ge­nie­ßens wil­len und spre­chen sich von ih­rer Gleich­gül­tig­keit ge­gen das Un­glück da­mit frei, daß sie vom Ver­gnü­gen zu sehr in An­spruch ge­nom­men sind. Für sie ist ein Hel­ler eine Mil­li­on, die Mil­li­on scheint ih­nen ein Hel­ler. Wenn die Lie­be ihre Sa­che mit großen Op­fern ver­fech­ten muß, so muß sie die­se auch zart­füh­lend mit ei­nem Schlei­er ver­hül­len, sie im Still­schwei­gen be­gra­ben. Den rei­chen Män­nern aber kom­men, wenn sie sich auf­op­fern und ihr Ver­mö­gen und ihr Le­ben ver­geu­den, die ge­sell­schaft­li­chen Vor­ur­tei­le zu­gu­te, die ihre ver­lieb­ten Tor­hei­ten im­mer mit ei­nem ge­wis­sen Glanz um­ge­ben; das Schwei­gen re­det für sie, und der Schlei­er ist eine Gunst, wäh­rend mei­ne schreck­li­che Not mich zu ent­setz­li­chen Lei­den ver­damm­te, ohne daß es mir ver­gönnt ge­we­sen wäre zu sa­gen: Ich lie­be! oder: Ich st­er­be! Und konn­te man das schließ­lich Auf­op­fe­rung nen­nen? War ich denn nicht reich­lich be­lohnt durch die Freu­de, al­les für sie hin­zu­ge­ben? Die Com­tes­se hat­te den all­täg­lichs­ten Er­eig­nis­sen mei­nes Le­bens au­ßer­or­dent­li­chen Wert, un­sag­ba­re Won­nen ver­lie­hen. Frü­her war ich in punk­to Klei­dung gleich­gül­tig, jetzt re­spek­tier­te ich mei­nen An­zug wie ein zwei­tes Ich. Zwi­schen ei­ner Wun­de und ei­nem Riß in mei­nem Frack hät­te ich kei­nen Au­gen­blick ge­schwankt. Ver­set­ze dich in mei­ne Lage, dann wirst du die wut­schäu­men­den Ge­dan­ken, die wach­sen­de Ra­se­rei be­grei­fen, die mich beim Ge­hen durch­tob­ten und viel­leicht mei­nen Schritt noch be­schleu­nig­ten. Ich emp­fand eine gleich­sam in­fer­na­li­sche Freu­de, mich nun auf dem Gip­fel des Un­glücks zu se­hen. Ich woll­te in die­ser letz­ten Kri­se ein Un­ter­pfand des Glücks er­bli­cken; aber das Un­heil ist an Schät­zen un­er­schöpf­lich. Die Haus­tür mei­nes Ho­tels war halb­of­fen. Durch die herz­för­mi­gen Aus­schnit­te des Fens­ter­la­dens fiel ein Licht­schein auf die Stra­ße. Pau­li­ne und ihre Mut­ter er­war­te­ten plau­dernd mein Nach­hau­se­kom­men. Ich hör­te mei­nen Na­men, ich lausch­te. »Ra­pha­el«, sag­te Pau­li­ne, »ist viel hüb­scher als der Stu­dent von Nr. 7! Sei­ne blon­den Haa­re ha­ben eine so schö­ne Far­be. Fin­dest du nicht, daß er et­was in der Stim­me hat, was ei­nem, ich weiß nicht wie, das Herz be­wegt? Auch ist er so gut, ob­wohl er ein biß­chen stolz aus­sieht, und hat so fei­ne Ma­nie­ren. Oh! er ist wirk­lich sehr nett! Ich bin über­zeugt, daß alle Frau­en in ihn ver­narrt sind.« – »Du sprichst von ihm, als ob du ihn lieb­test«, be­merk­te Ma­da­me Gau­din.

      »Oh! ich lie­be ihn wie einen Bru­der«, er­wi­der­te sie fröh­lich. »Es wäre schön un­dank­bar von mir, wenn ich kei­ne Freund­schaft für ihn emp­fän­de. Hat er mir nicht die Mu­sik bei­ge­bracht, das Zeich­nen, die Gram­ma­tik, kurz al­les, was ich weiß? Du ach­test nicht sehr auf mei­ne Fort­schrit­te, lie­be Mut­ter; aber ich wer­de so ge­scheit, daß ich in ei­ni­ger Zeit selbst wer­de Un­ter­richt er­tei­len kön­nen, und dann kön­nen wir uns einen Dienst­bo­ten hal­ten.« Ich zog mich lei­se zu­rück, und nach­dem ich mich laut be­merk­bar ge­macht hat­te, be­trat ich den Vor­saal, um dort mei­ne Lam­pe zu ho­len, die Pau­li­ne an­zün­den woll­te. Die lie­be Klei­ne hat­te so­eben köst­li­chen Bal­sam in mei­ne Wun­de ge­träu­felt. Die­ses kind­li­che Lob mei­ner Per­son gab mir wie­der et­was Mut. Es tat mir not, an mich zu glau­ben und ein un­par­tei­isches Ur­teil über den wah­ren Wert mei­ner Vor­zü­ge zu hö­ren. Mei­ne also wie­der­be­leb­ten Hoff­nun­gen strahl­ten viel­leicht auf die Din­ge zu­rück, die ich sah. Vi­el­leicht hat­te ich die­se Sze­ne, die mir die bei­den Frau­en in die­sem Raum mei­nen Bli­cken schon oft ge­bo­ten hat­ten, noch nie so auf­merk­sam be­trach­tet; doch an je­nem Abend be­wun­der­te ich das köst­lichs­te Bild schlich­ter Na­tür­lich­keit, wie es flä­mi­sche Ma­ler so ur­sprüng­lich dar­ge­stellt ha­ben, in sei­ner Wirk­lich­keit. Die Mut­ter, am hal­b­er­lo­sche­nen Feu­er des Ka­mins sit­zend, strick­te St­rümp­fe und hat­te ein gü­ti­ges Lä­cheln auf den Lip­pen. Pau­li­ne be­mal­te Licht­schir­me; ihre Far­ben und ihre Pin­sel, die auf ei­nem klei­nen Tisch­chen aus­ge­brei­tet wa­ren, zo­gen das Auge durch ein ma­le­ri­sches Far­ben­spiel an. Sie war auf­ge­stan­den, um mei­ne Lam­pe an­zu­zün­den, und das Licht fiel nun voll auf ihr wei­ßes Ge­sicht; man muß­te schon der Skla­ve ei­ner schreck­li­chen Lei­den­schaft sein, um von ih­ren durch­schei­nend ro­si­gen Hän­den, ih­rem vollen­det schö­nen Kopf und ih­rer jung­fräu­li­chen Hal­tung nicht be­zau­bert zu wer­den. Die Nacht und die Stil­le er­höh­ten den Reiz die­ses ar­beit­sa­men Bei­sam­men­seins, die­ses fried­li­chen In­te­rieurs. Die­ses un­aus­ge­setz­te Sichab­mü­hen, das hei­te­ren Sinns er­tra­gen wur­de, zeug­te von ei­ner from­men Er­ge­bung voll er­ha­be­nen Ge­fühls. Zwi­schen den Din­gen und Per­so­nen wal­te­te eine un­säg­li­che Har­mo­nie. Bei Fœ­do­ra herrsch­te nüch­ter­ner Prunk, der schlim­me Ge­dan­ken in mir er­weck­te, wäh­rend die­ses de­mut­vol­le Elend und die­se un­ver­fälsch­te Na­tur mir die See­le er­quick­ten. Vi­el­leicht fühl­te ich mich an­ge­sichts je­nes Lu­xus ge­de­mü­tigt; ne­ben die­sen bei­den Frau­en, in die­sem dunklen Raum, wo das ein­fa­che Le­ben sich in die Emp­fin­dun­gen des Her­zens zu­rück­zu­zie­hen schi­en, söhn­te ich mich mit mir sel­ber aus, viel­leicht weil ich hier den Schutz aus­üben konn­te, den ein Mann so ei­fer­süch­tig zu ge­wäh­ren trach­tet. Als ich ne­ben Pau­li­ne stand, warf sie mir einen bei­na­he müt­ter­li­chen Blick zu und rief, wäh­rend sie mit zit­tern­den Hän­den die Lam­pe nie­der­setz­te: »Mein Gott, wie blaß Sie sind! Oh! er ist ganz durch­näßt. Mei­ne Mut­ter wird Sie ab­trock­nen … Mon­sieur Ra­pha­el«, fuhr sie nach ei­ner klei­nen Pau­se fort, »Sie trin­ken doch so ger­ne Milch; wir hat­ten Sah­ne heu­te abend, СКАЧАТЬ