Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac
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Читать онлайн книгу Honoré de Balzac – Gesammelte Werke - Honore de Balzac страница 154

Название: Honoré de Balzac – Gesammelte Werke

Автор: Honore de Balzac

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962815226

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СКАЧАТЬ Be­trach­tun­gen ver­sen­ken. Wie soll­te ich die­se flüch­ti­gen Far­ben­tö­ne des Ge­fühls zu schil­dern wa­gen, die­se Nich­tig­kei­ten, die so be­deut­sam sind, die­se Wor­te, de­ren Ton­fall die Schät­ze der Spra­che aus­schöpft, die­se Bli­cke, die be­fruch­ten­der sind als die reichs­ten Ge­dich­te? In je­der die­ser mys­ti­schen Sze­nen, durch die wir un­merk­lich für eine Frau ent­bren­nen, öff­net sich ein Ab­grund, der alle mensch­li­chen Dich­tun­gen ver­schlingt. Ach, wie könn­ten wir die le­ben­di­gen und ge­heim­nis­vol­len Er­schüt­te­run­gen der See­le wie­der­ge­ben, wenn uns schon die Wor­te feh­len, um die sicht­ba­ren Ge­heim­nis­se der Schön­heit zu schil­dern. Welch be­zau­bern­de Macht! Wie vie­le Stun­den habe ich in ei­ner un­aus­sprech­li­chen Ek­sta­se ver­bracht, ein­zig da­mit be­schäf­tigt, ›sie‹ zu se­hen! Glück­lich, wor­über? Ich weiß es nicht. Wenn in je­nen Au­gen­bli­cken ihr Ge­sicht ganz von Licht über­strömt war, ging eine ge­heim­nis­vol­le Er­schei­nung auf ihm vor und ließ es auf­leuch­ten. Der fei­ne Flaum, der ihre zar­te Haut ver­gol­de­te, zeich­ne­te sanft die Kon­tu­ren ih­res Ge­sichts mit je­ner An­mut, die wir an den fer­nen Li­ni­en des Ho­ri­zonts be­wun­dern, wenn sie sich in der Son­ne ver­lie­ren.

      Es war, als ob das Ta­ges­licht sie lieb­kos­te, in­dem es mit ihr ver­schmolz, oder als ob von ih­rem strah­len­den Ant­litz ein Leuch­ten aus­gin­ge, hel­ler als das Licht selbst; dann flog ein Schat­ten über ihr schö­nes An­ge­sicht, und im Wech­sel­spiel der Farb­tö­ne ver­än­der­te es sei­nen Aus­druck. Oft schi­en sich ein Ge­dan­ke auf ih­rer Mar­morstirn ab­zu­zeich­nen, ihr Auge sich zu rö­ten, ihre Li­der zuck­ten, ihre Züge beb­ten, von ei­nem Lä­cheln be­wegt; das be­red­te Korall ihre Lip­pen ver­tief­te sich, kräu­sel­te sich, glät­te­te sich; war­me Re­fle­xe fie­len von ih­ren brau­nen Haa­ren auf ihre rei­nen Schlä­fen; aus je­der kleins­ten Wand­lung sprach sie zu mir. Jede Nuan­ce ih­rer Schön­heit ge­währ­te mei­nen Au­gen neue Fes­te, of­fen­bar­te mei­nem Her­zen un­be­kann­te Won­nen. In je­dem Wech­sel ih­rer Züge woll­te ich ein Ge­fühl, eine Hoff­nung le­sen. Die­se stum­men Zwie­spra­chen dran­gen von See­le zu See­le wie ein Ton in das Echo und spen­de­ten mir eine Fül­le flüch­ti­ger Freu­den, die tief in mir nach­wirk­ten. Ihre Stim­me ver­setz­te mich in einen Sin­nen­tau­mel, den ich nur schwer be­meis­tern konn­te. Ich hät­te wie je­ner loth­rin­gi­sche Prinz, des­sen Name mir ent­fal­len ist, eine glü­hen­de Koh­le in mei­ner Hand nicht ge­fühlt, wenn ihre lieb­ko­sen­den Fin­ger durch mein Haar ge­glit­ten wä­ren. Das war nicht mehr Be­wun­de­rung, Be­geh­ren, es war ein Zau­ber, ein Ver­häng­nis. Oft, wenn ich wie­der un­ter mei­nem Da­che saß, schweb­te Fœ­do­ra vor mei­nen Au­gen; ich teil­te ihr Le­ben; wenn sie litt, litt auch ich, und ich sag­te ihr am nächs­ten Tage: ›Sie ha­ben Kum­mer ge­habt!‹ – Wie oft er­schi­en sie bei mir in der Stil­le der Nacht, von der Macht mei­ner Ek­sta­se her­bei­ge­ru­fen. Manch­mal schlug sie mir, wie der Schlag ei­nes Blit­zes, die Fe­der aus der Hand, ver­scheuch­te Wis­sen­schaft und Stu­di­um, die tief be­küm­mert ent­flo­hen; sie zwang mich, sie in der rei­zen­den Pose, in der ich sie un­längst ge­se­hen hat­te, zu be­wun­dern. Bald ging ich ihr in der Welt der Er­schei­nun­gen selbst ent­ge­gen, grüß­te sie wie eine Hoff­nung und fleh­te sie an, mich ihre Sil­ber­stim­me hö­ren zu las­sen; dann er­wach­te ich wei­nend. Ei­nes Ta­ges, nach­dem sie mir ver­spro­chen hat­te, mit mir ins Thea­ter zu ge­hen, wei­ger­te sie sich plötz­lich lau­nisch, aus­zu­ge­hen, und bat mich, sie al­lein zu las­sen. Verzwei­felt über einen Wi­der­spruch, der mich einen gan­zen Ar­beits­tag und – soll ich es ge­ste­hen? – mei­nen letz­ten Ta­ler ge­kos­tet hat­te, be­gab ich mich da­hin, wo auch sie hät­te sein sol­len, da ich das Stück se­hen woll­te, das sie zu se­hen ge­wünscht hat­te. Kaum hat­te ich Platz ge­nom­men, als ich et­was wie einen elek­tri­schen Schlag im Her­zen fühl­te. Eine Stim­me sag­te mir: Sie ist da! Ich dreh­te mich um, ich sehe die Com­tes­se im Hin­ter­grund ih­rer Par­ter­re­lo­ge, im Schat­ten ver­bor­gen. Mein Blick zö­ger­te nicht, mei­ne Au­gen fan­den sie so­gleich mit ih­rer fa­bel­haf­ten Klar­heit, mei­ne See­le war ih­rem Le­ben zu­ge­flo­gen wie ein In­sekt sei­ner Blu­me. Auf wel­che Wei­se hat­ten mei­ne Sin­ne die Mit­tei­lung emp­fan­gen? Sie rührt her von je­nem in­ne­ren Er­schau­ern, das ober­fläch­li­che Men­schen über­ra­schen mag; und doch sind die­se Wir­kun­gen un­se­rer in­ne­ren Na­tur eben­so ein­fach wie die ge­wohn­ten Er­schei­nun­gen der äu­ße­ren Wahr­neh­mung; so­mit war ich nicht er­staunt, son­dern är­ger­lich. Mei­ne Stu­di­en über die Macht un­se­res Geis­tes, über die man recht we­nig weiß, dienten we­nigs­tens dazu, mir in mei­ner Lei­den­schaft ei­ni­ge le­ben­di­ge Be­wei­se für mein Sys­tem vor Au­gen zu füh­ren. Die­se Ver­bin­dung des Ge­lehr­ten mit dem Ver­lieb­ten, ei­ner wahr­haft ab­göt­ti­schen mit ei­ner wis­sen­schaft­li­chen Lie­be hat­te et­was höchst Selt­sa­mes. Die Wis­sen­schaft frohlock­te oft, wenn der Lie­ben­de ver­zwei­fel­te; und wenn er sich nahe dem Sie­ge glaub­te, jag­te er fro­hen Her­zens die Wis­sen­schaft von dan­nen. Fœ­do­ra sah mich und wur­de ernst, ich stör­te sie. In der ers­ten Pau­se ging ich zu ihr; sie war al­lein, ich blieb. Ob­wohl wir nie von Lie­be ge­spro­chen hat­ten, ahn­te ich eine Er­klä­rung. Ich hat­te ihr mein Ge­heim­nis noch nicht ent­hüllt, und doch herrsch­te zwi­schen uns eine Art Span­nung; sie ver­trau­te mir alle ihre Ver­gnü­gungs­plä­ne an und frag­te mich am Abend mit ei­ner ge­wis­sen freund­schaft­li­chen Un­ru­he, ob ich am fol­gen­den Tag kom­men wür­de; sie be­frag­te mich mit ei­nem Blick, wenn sie et­was Geistrei­ches ge­sagt hat­te, als ob sie aus­schließ­lich mir hät­te ge­fal­len wol­len; wenn ich schmoll­te, wur­de sie zärt­lich; wenn sie ver­är­gert schi­en, hat­te ich so­zu­sa­gen das Recht, die Ur­sa­che zu er­fra­gen; wenn ich ihr einen Feh­ler ein­ge­stand, ließ sie sich lan­ge bit­ten, bis sie mir ver­gab. Die­se Strei­te­rei­en, an de­nen wir Ge­fal­len fan­den, wa­ren voll Lie­be. Sie ent­fal­te­te da­bei so viel An­mut und Ko­ket­te­rie, und ich, ich fand so viel Glück dar­in! In die­sem Au­gen­blick war un­se­re In­ti­mi­tät voll­stän­dig auf­ge­ho­ben, und wir sa­ßen bei­ein­an­der wie zwei Frem­de. Die Com­tes­se war ei­sig; ich be­fürch­te­te ein na­hen­des Un­glück.