Der gestohlene Bazillus. Herbert George Wells
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Название: Der gestohlene Bazillus

Автор: Herbert George Wells

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783961184019

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СКАЧАТЬ Gebiß in den Mund. Leicht und gewohnheitsmäßig schlüpfte es an seinen Platz. »So ist's besser!« sagte ich, kauend und fletschend, und kehrte zum Arbeitszimmer zurück.

      Die Schiebladen des Schreibtischs waren verschlossen. Auch der Pultdeckel war geschlossen. Nirgends bemerkte ich etwas von Schlüsseln; und auch in meinen Hosentaschen waren sie nicht. Ich stolperte wieder in mein Schlafzimmer, suchte in meinem Gesellschaftsanzug nach und überhaupt in allen Kleidungsstücken, deren ich habhaft werden konnte. Ich war voller Eifer; man hätte glauben können, Einbrecher hätten in meinem Zimmer gehaust, als ich endlich fertig war. Nicht nur, daß nirgends Schlüssel waren – – aber auch kein Stück Geld – keinen Fetzen Papier fand ich – – mit Ausnahme der Quittung vom vorhergehenden Abend.

      Eine seltsame Müdigkeit überfiel mich plötzlich. Ich setzte mich und blickte starr auf das Kleiderzeug, das herumlag – hier – dort – mit umgedrehten Taschen. Von Sekunde zu Sekunde ward mir mehr und mehr klar, wie klug mein Feind seine Minen gelegt hatte, begann ich mehr und mehr einzusehen, wie hoffnungslos meine Lage war. Mit einer Kraftanstrengung erhob ich mich wieder und humpelte in das Arbeitszimmer zurück.

      Auf der Treppe öffnete eben ein Hausmädchen die Läden. Sie sah mich starr an ... Ich glaube, wegen des Ausdrucks auf meinem Gesicht ... Ich machte die Tür meines Arbeitszimmers hinter mir zu, ergriff einen Feuerhaken und hieb damit auf das Schreibpult ein. Und so haben sie mich gefunden. Der Deckel des Pults war zersplittert, das Schloß zertrümmert – die Briefe aus den Fächern gerissen und übers ganze Zimmer verstreut. In meiner senilen Wut hatte ich die Federn und all derartiges Schreibmaterial im Zimmer herumgeschleudert und die Tinte umgeworfen. Eine große Vase auf dem Kaminsims war auch zerbrochen – ich weiß nicht wie. Ich fand nirgends ein Scheckbuch – nirgends Geld – nirgends irgendwelche Anhaltspunkte, die mir zur Wiedererlangung meines eigenen Ich hätten dienen können. Wie ein Verrückter hämmerte ich auf die Schiebladen los, als der Hausdiener, gefolgt von zwei Hausmädchen, eintrat.

      Das – in aller Einfachheit – ist die Geschichte meiner Verwandlung. Niemand schenkt meinen verzweifelten Versicherungen Glauben. Ich werde als Geistesgestörter behandelt; während ich dies niederschreibe, überwacht man mich. Aber ich bin geistig gesund – vollkommen gesund. – Und zum Beweis hab' ich diese Geschichte niedergeschrieben, genau so, wie alles sich zugetragen hat. Ich wende mich an den Leser: Ist irgendwo auch nur eine Spur von Verrücktheit in Stil oder Methode der Geschichte, die er da gelesen hat? Ich bin ein junger Mann – der in den Körper eines alten Mannes eingeschlossen ist. Aber diese einfache Tatsache ist für jedermann unverständlich. Natürlich werd' ich allen, die mir nicht glauben, verrückt vorkommen; natürlich kenn' ich die Namen meiner Sekretäre, der Ärzte, die mich besuchen, meiner Dienerschaft, der Nachbarn, der Stadt (wo sie auch liegen mag) in der ich jetzt lebe, nicht. Natürlich verirre ich mich in meinem eigenen Haus und habe Unannehmlichkeiten aller Arten. Natürlich frage ich die seltsamsten Fragen. Natürlich wein' ich oder schrei' ich und habe Anfälle von Verzweiflung. Ich habe kein Geld und kein Scheckbuch. Die Bank erkennt meine Unterschrift nicht an; ich vermute, dank der schwachen Muskeln, die ich jetzt habe, ist meine Handschrift noch die Edens. Die Menschen wollen mich nicht selber nach der Bank gehen lassen. Das heißt, es scheint wirklich, daß hier in der Stadt überhaupt keine Bank ist, und daß ich irgendwo in London mein Konto habe. Es scheint, daß Elvesham den Namen seines Bankiers ganz geheim gehalten hat. – – – Ich kann es nicht ergründen. Elvesham war ja berühmt als Forscher auf dem Gebiet der Geisteskrankheiten, und alle meine Auseinandersetzungen der Tatsachen dienen bloß dazu, die allgemeine Annahme zu bestätigen, daß meine Geisteskrankheit eine Folge übermäßigen Studiums psychologischer Probleme ist. Träume von persönlicher Identität! Ach Gott! Vor zwei Tagen noch war ich ein gesunder, junger Mensch, vor dem das Leben offen dalag. Heute kriech' ich – – ein übellauniger, alter Mann – ingrimmig – verzweifelt – jammervoll – in einem großen, luxuriösen, fremden Haus herum – von jedermann als Irrsinniger angesehen – beobachtet – gefürchtet – gescheut ... Und in London fängt Elvesham sein Leben aufs neue an – in einem kraftvollen Körper – mit all dem Wissen und den Erfahrungen von siebenzig Jahren! Er hat mir mein Leben gestohlen.

      Was eigentlich geschehen ist, weiß ich nicht genau. Im Studierzimmer sind Bände voll geschriebener Notizen, die sich hauptsächlich auf die Psychologie des Gedächtnisses beziehen – teilweise in Zahlen oder symbolischen Ziffern, die mir ganz und gar fremd sind. Ab und zu finden sich auch Anzeichen, daß er sich mit der Philosophie der Mathematik beschäftigt hat. Ich fasse es so auf: er hat die ganze Last seiner Erinnerungen, alles, was seine eigene Persönlichkeit ausmacht, von seinem alten, verbrauchten Gehirn auf das meine übertragen und hat – gleicherweise – meines in seinen verbrauchten Körper gelockt. Das heißt – er hat einfach die Körper vertauscht. Aber wie so etwas möglich sein kann – das steht außerhalb der Grenzen meiner Philosophie. Ich bin – solange ich zurückdenken kann – Materialist gewesen. Aber dies hier ist – unzweifelhaft – ein Fall von Loslösbarkeit des Menschen von der Materie ...

      Ein verzweifeltes Experiment will ich noch versuchen. Ich schreibe dies nieder, eh' sich die Sache entscheidet. Heut' morgen gelang es mir – mit Hilfe eines Messers, das ich beim Frühstück heimlich beiseite geschmuggelt habe, ein im übrigen ziemlich in die Augen fallendes Geheimfach des Schreibpults aufzubrechen. Ich fand darin nichts als ein kleines, grünes Glasfläschchen mit einem weißen Pulver. Um den Hals der Flasche lief eine Etikette, darauf stand das eine Wort: »Erlösung«. Das bedeutet ja wohl – – ist wahrscheinlich – Gift! Ich kann gut verstehen, daß Elvesham mir Gift in die Hände gespielt hat ... Und ich wäre ja auch ganz überzeugt von seiner Absicht, sich auf diese Weise des einzigen Menschen zu entledigen, der gegen ihn zeugen könnte – – wenn er es nicht so sorgfältig versteckt hätte ... Ja, der Mann hat das Problem der Unsterblichkeit in der Praxis gelöst. Wenn nicht grade der Zufall ihm besonders übel mitspielt, so wird er in meinem Körper weiterleben, bis er alt ist, und wird dann – unter Beiseiteschiebung des alten – sich wieder der Jugend und Kraft eines neuen Opfers bemächtigen. Wenn man seine Herzlosigkeit bedenkt, so ist es geradezu grauenhaft, sich seine immer wachsende Erfahrung vorzustellen, mit der er ... Wie lang er wohl schon so von Körper zu Körper übergesprungen ist – –? Aber ich bin müde des Schreibens. Das Pulver scheint in Wasser auflösbar zu sein ... Der Geschmack ist nicht unangenehm ...

      Hier endet die auf Mr. Elveshams Schreibtisch aufgefundene Erzählung.

      Sein Leichnam lag zwischen Tisch und Stuhl ... Der letztere war zurückgeschoben – vermutlich im letzten Krampf des Sterbenden. Die Geschichte war in einer ganz verrückten Handschrift geschrieben – ganz verschieden von seiner gewohnten, peinlich sauberen Schrift. Bloß zwei seltsame Tatsachen bleiben noch zu erwähnen. Eine Beziehung zwischen Eden und Elvesham existierte ganz fraglos; denn das gesamte Vermögen Elveshams war dem jungen Mann vermacht. Bloß daß dieser sein Erbe nie antrat. Denn als Elvesham Selbstmord beging, war Eden – merkwürdigerweise – schon tot. Vierundzwanzig Stunden vorher war er – im Gedränge der Kreuzung von Gower Street und Euston Road, von einer Droschke überfahren und auf der Stelle getötet worden. So daß das einzige menschliche Wesen, das Licht in diese phantastische Erzählung hätte bringen können, außerhalb des Bereichs aller Fragen steht ... Ich überlasse also diese außergewöhnliche Angelegenheit ohne weiteren Kommentar dem persönlichen Urteil des Lesers ...

      Von weitem hatte ich den Zauberladen schon öfter gesehen; ein- oder zweimal war ich auch daran vorbeigekommen – ein Schaufenster voll von verführerischen kleinen Gegenständen – Zauberbällen, Zauberhennen, wundervollen Kegeln, Puppen, die bauchredeten, sämtlichem Zubehör zum Korbtrick, Kartenspielen, die aussahen, als wären sie ganz harmlos und all solchem Zeug. Aber nie war mir der Gedanke gekommen hineinzugehen, bis mich eines Tages Gip ganz unversehens am Finger zu dem Fenster hinlotste und sich derartig aufführte, daß ich ihn einfach hineinführen mußte. Ich hatte – aufrichtig gesagt – gar nicht daran gedacht, daß der Laden hier sein könnte – eine bescheidene Front in Regent Street, zwischen einer Kunsthandlung СКАЧАТЬ