Название: Der gestohlene Bazillus
Автор: Herbert George Wells
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783961184019
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»Wenn ich reich wäre,« sagte Gip, mit dem Finger auf das ›Unsichtbare Ei‹ deutend, »so würde ich mir das kaufen. Und das da« – nämlich ›Das schreiende Wickelkind, völlig menschlich‹ – und das da« – ein geheimnisvolles Etwas, namens (wie ein sauberes kleines Schild besagte) ›Kaufe mich und überrasche deine Freunde!‹
»Und da,« sagte Gip, »unter den Rollen da verschwindet alles, einfach alles. Ich hab' es einmal in einem Buch gelesen.«
»Und dort, Väterchen, ist der ›Unsichtbare Groschen‹ – bloß daß sie es so 'rum hingelegt haben, und man nicht sieht, wie's gemacht wird.«
Gip, der liebe Junge, hat ganz die Wohlerzogenheit seiner Mutter geerbt; er machte nicht etwa den Vorschlag, wir wollten in den Laden gehen, oder quälte und quängelte; er lotste mich bloß so ganz instinktiv an einem Finger nach der Tür zu und zeigte sein Interesse recht deutlich.
»Das da,« sagte er und deutete auf die Zauberflasche ...
»Wenn du das hättest ...?« sagte ich, auf welche vielversprechende Frage hin er mit einem plötzlichen Aufstrahlen aufschaute.
»Dann könnt' ich es Jessie zeigen!« sagte er, wie immer auch an andere denkend.
»Es sind nicht einmal mehr ganz hundert Tage bis zu deinem Geburtstag, Gibbles,« sagte ich und legte meine Hand auf die Türklinke.
Gip antwortete nicht; aber er packte meinen Finger fester, und wir betraten den Laden.
Es war wirklich kein gewöhnlicher Laden; es war ein Zauberladen. Und all die großartige Überlegenheit, die Gip sonst, wo es sich einfach um Spielsachen handelt, zeigte, ließ ihn hier gänzlich im Stich. Er überließ die ganze Last der Konversation mir.
Es war ein kleiner, enger, nicht besonders glänzend erleuchteter Laden; die Glocke an der Tür gab einen jämmerlichen Ton von sich, als wir hinter uns zumachten. Einen Augenblick waren wir beide allein und konnten uns umsehen. Auf dem Glasdeckel, der den niederen Ladentisch bedeckte, stand ein Tiger in Papiermaché – ein ernsthafter, gutmütig aussehender Tiger, der unentwegt mit dem Kopf nickte; daneben ein paar Kristallkugeln, eine Porzellanhand, die Zauberkarten hielt, ein Satz Zauberfischgläser in verschiedenen Größen und ein recht aufdringlicher Zauberhut, der seine Federn schamlos preisgab. Auf dem Fußboden standen Zauberspiegel; einer, der lang und dünn machte, einer, in dem der Kopf aufquoll und die Beine gänzlich verschwanden, und wiederum einer, der einen ganz kurz und dick machte, wie eine Null. Und während wir uns noch daran belustigten, kam – so vermute ich wenigstens – der Ladeninhaber herein.
Jedenfalls stand er auf einmal hinter seinem Tisch. Ein merkwürdiger, brünetter, fahler Mensch – ein Ohr länger als das andere und ein Kinn wie die Spitze eines Stiefels.
»Womit kann ich dienen?« sagte er, seine langen Zauberfinger auf der Glasplatte ausspreizend. Worauf wir zusammenfuhren. Wir merkten erst jetzt, daß er da war.
»Ich möchte,« sagte ich, »ein paar einfache Tricks für meinen Kleinen.«
»Handgeschicklichkeit?« fragte er. »Oder Mechanik? Für den Salon?«
»Irgendwas Lustiges,« sagte ich.
»Hm!« bemerkte der Ladenmensch und kratzte sich den Kopf, als überlegte er. Dann zog er – ganz deutlich sichtbar – eine gläserne Kugel aus seinem Kopf. »Etwas derart?« sagte er und hielt sie uns hin.
Es kam mir ganz unerwartet. Ich hatte ja das Kunststück oft genug bei Vorstellungen ausführen sehen – es gehört einmal zum allgemeinen Programm der Zauberkünstler. – Aber hier war ich nicht darauf gefaßt gewesen. »Bravo!« sagte ich lachend.
»Nicht?« sagte der Ladenmensch.
Gip streckte seine freie Hand aus, um den Gegenstand an sich zu nehmen, fand aber nichts als eine leere Handfläche.
»Es ist in deiner Tasche!« sagte der Mann. Wo es auch wirklich war!
»Wie hoch kommt das?« fragte ich.
»Glaskugeln berechnen wir nicht,« sagte der Mann höflich. »Wir beziehen sie« – er zog sich, während er sprach, eine aus dem Ellbogen – »gratis.« Darauf förderte er eine dritte aus seinem Nacken zutage und legte sie neben ihre Vorgängerin auf den Ladentisch. Gip besah sich seine Glaskugel aufmerksam, warf dann einen fragenden Blick auf die beiden andern auf dem Ladentisch und richtete hierauf seine rundäugige Aufmerksamkeit auf den Mann, der lächelte. »Du darfst die da auch nehmen,« sagte er, »und wenn du magst, noch eine dazu aus meinem Mund. Da!«
Gip befragte mich einen Augenblick stumm um Rat, schob dann unter tiefem Stillschweigen die vier Bälle ein, kehrte zu meinem rettenden Finger zurück und bereitete seine Kräfte auf das nächste Ereignis vor.
»Unsere kleineren Tricks beziehen wir alle nur auf die Weise,« bemerkte der Mann.
Ich lachte, wie man über einen alten Witz lacht. »Statt nach dem Hauptdepot zu gehen,« sagte ich. »Selbstverständlich. Es kommt billiger.«
»Auf eine Art,« sagte der Mann. »Obschon wir schließlich doch bezahlen. Aber nicht so viel, als die Leute meinen ... Unsere größeren Tricks und unsere Tagesbedürfnisse und was wir sonst brauchen beziehen wir hier aus dem Hut ... Sie müssen wissen, Herr – entschuldigen Sie die Freiheit! – es gibt kein Hauptdepot – nicht für echte Zauberartikel, Herr! Ich weiß nicht, ob Sie unser Firmenschild gesehen haben – ›Der echte Zauberladen‹ .« Er zog eine Geschäftskarte aus seiner Backe und händigte sie mir ein. »Der echte!« wiederholte er, mit dem Finger auf das Wort deutend, und fügte hinzu: »Kein Betrug – in keiner Weise, Herr!«
Der scheint den Scherz ja recht ernsthaft durchzuführen, dachte ich.
Darauf wandte er sich mit einem Lächeln von auffallender Beflissenheit an Gip. »Junge, weißt du, du bist von der rechten Sorte!« Ich war überrascht ob seiner Sachkenntnis. Denn im Interesse der Disziplin halten wir das sogar bei uns zu Hause ziemlich geheim. Gip dagegen nahm es mit unerschütterlichem Stillschweigen auf und sah ihn nur unentwegt fest an.
»Bloß Jungens von der rechten Sorte kommen überhaupt durch die Tür da!«
Und als eine Art Illustration zu diesem Ausspruch vernahmen wir im selben Augenblick ein Rütteln an der Tür und hörten eine schwächliche, piepsende, kleine Stimme: »'rein! Ich will aber 'rein, Väterchen, ich will 'rein! 'rein!« und darauf Töne eines mißhandelten Vaters, der tröstete und beschwichtigte.
»Es ist geschlossen, Eduard!« klang es.
»Aber es ist doch nicht,« sagte ich.
»Doch, Herr!« entgegnete der Ladenbesitzer, »immer – für die Sorte von Kindern;« und während er das sagte, tauchte draußen flüchtig ein kleines, weißes, von Süßigkeiten und Überfütterung aufgedunsenes und von schlechten Neigungen verzogenes, fahles Gesichtchen auf – der andere Junge, ein trotziger, kleiner Egoist, der gegen die verzauberte Ladenfensterscheibe hämmerte. »Hilft nichts, Herr!« sagte der Mann, als ich, von meiner angeborenen Menschenfreundlichkeit getrieben, auf die Tür zuging. Gleich darauf hörten wir, wie das verzogene Kind heulend abgeführt СКАЧАТЬ