Der gestohlene Bazillus. Herbert George Wells
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Название: Der gestohlene Bazillus

Автор: Herbert George Wells

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783961184019

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СКАЧАТЬ weiß nicht, ob man den Kindern heutzutage noch sogenannte Nebelbilder zeigt? Bei denen – das weiß ich noch – tauchte immer ein Bild auf, wie ein undeutliches Gespenst, und wuchs, bis es das vorhergehende verdrängt hatte. Genau so – schien es mir – kämpfte eine ganze Reihenfolge von neuen Empfindungen mit denen meines altgewohnten Ich.

      Verwirrt und ein bißchen beängstigt ging ich über Euston Road nach Tottenham Court Road und bemerkte kaum, was für einen ungewohnten Weg ich da machte; denn sonst kürzte ich immer ab durch das dazwischenliegende Netzwerk von Seitenstraßen. Ich bog in die University Street ein und entdeckte, daß ich meine Hausnummer vergessen hatte. Nur mit großer Mühe rief ich mir meine »11« ins Gedächtnis zurück, und auch dann kam es mir vor, als sei es etwas, das irgendein längst vergessener Mensch mir gesagt hatte. Ich versuchte, meine Gedanken zu festigen, indem ich mir die Einzelheiten des Diners zurückrief; aber ums Leben konnte ich mir kein Bild von dem Aussehen meines Gastgebers machen. Ich sah ihn bloß als schattenhaften Umriß, ungefähr wie man sein eigenes Bild in einem Fenster, durch das man schaut, sehen würde. An seiner Stelle sah ich dagegen wie in einer seltsamen Vision mich selber, erhitzt, mit glänzenden Augen und sehr redselig, an einem Tisch sitzen.

      »Ich muß das andere Pulver nehmen,« sagte ich. »Das wird ja immer unmöglicher!«

      Ich suchte meine Kerze und die Streichhölzer – auf der falschen Seite des Flurs – und war im Zweifel, auf welchem Stockwerk mein Zimmer eigentlich lag. »Ich bin betrunken,« dachte ich. »So sicher wie was!« Und ich stolperte ganz unnötigerweise auf der Treppe, um diese Behauptung möglichst zu bestätigen.

      Auf den ersten Blick kam mir mein Zimmer ungewohnt vor. »Blödsinn!« sagte ich und starrte umher. Es schien, als ob dies Aufraffen mir mein eigenes Ich zurückbrächte, und als ob das seltsame Fatamorganagefühl wieder zu dem konkreten, vertrauten würde. Da war noch immer der alte Spiegel, in dessen Rahmen meine Notizen über Eiweiß steckten. Mein vertragener Werktagsanzug lag auf dem Fußboden umher. Und trotzdem – so recht wirklich war es nicht. Ich fühlte, wie sich in meine Gedanken ein ganz seltsames Empfinden schleichen wollte, als säße ich in einem Eisenbahnwagen, in einem Zug, der eben anhielt, und als ob ich durchs Fenster auf irgendeine unbekannte Station hinausblickte. Ich umklammerte energisch den Bettpfosten, um mich meiner selbst zu vergewissern. »Wer weiß – es ist vielleicht eine Art Hellsehen!« sagte ich. »Ich muß an die Gesellschaft für Psychische Forschung schreiben.«

      Ich legte die Rolle auf meinen Waschtisch, setzte mich aufs Bett und begann, mir die Stiefel auszuziehen. Es war, als wäre das Bild meiner jetzigen Empfindungen über ein anderes Bild gemalt, das immer wieder darunter hindurchkam. »Verflucht!« dachte ich. »Verlier' ich denn den Verstand? Oder bin ich an zwei Stellen zu gleicher Zeit?« Halb entkleidet schüttete ich das Pulver in ein Glas und stürzte es hinunter. Es gärte und zeigte eine kalkig-gelbe Farbe. Noch eh' ich recht im Bett war, hatten meine Gedanken sich beruhigt. Ich fühlte noch das Kissen an meiner Wange; und gleich darauf muß ich eingeschlafen sein.

      Ich erwachte ganz plötzlich aus einem Traum von seltsamen Tieren. Ich lag auf dem Rücken. Jeder kennt ja wohl dieses schwere, aufgeregte Träumen, aus dem man zwar wach, aber seltsam niedergedrückt ersteht. Ich hatte einen sonderbaren Geschmack im Mund, ein müdes Gefühl in den Gliedern, ein Unbehagen über die ganze Haut. Ich ließ meinen Kopf regungslos auf dem Kissen liegen, in der Erwartung, daß dies Gefühl von Sonderbarkeit und Entsetzen wahrscheinlich bald wieder verschwinden, und daß ich wieder einschlafen würde. Statt dessen nahm das unheimliche Empfinden nur immer zu. Anfänglich bemerkte ich nicht, daß in meiner Umgebung irgend etwas nicht stimmte. Ein schwaches Licht war im Zimmer, so schwach, daß es sich kaum vom Dunkel unterschied, und die Möbel hoben sich als verschwommene Kleckse völligen Dunkels davon ab. Ich starrte, die Augen dicht über der Bettdecke, um mich.

      Erst kam mir der Gedanke, es sei jemand ins Zimmer gedrungen, um mir meine Rolle Geld zu stehlen; aber nachdem ich ein paar Minuten still, regelmäßig atmend, um Schlaf zu simulieren, dagelegen hatte, erkannte ich, daß das bloße Einbildung war. Trotzdem ließ mich die unbehagliche Überzeugung nicht los, daß irgend etwas nicht stimmte. Mit einer Anstrengung hob ich den Kopf vom Kissen und spähte um mich ins Dunkel. Was es war, das begriff ich nicht. Ich blickte auf die undeutlichen Formen um mich her, die größeren und kleineren Finsternisse, die Vorhänge, Tisch, Kamin, Bücherständer usw. bezeichneten. Dann fing ich an, etwas Unvertrautes in diesen Formen der Dunkelheit zu entdecken. Hatte das Bett sich umgedreht? Dort drüben mußten doch die Bücherständer stehen; und etwas Verhülltes, Fahles erhob sich da, etwas, das unmöglich ein Bücherständer sein konnte, mochte ich es ansehen, wie ich wollte. Mein über einen Stuhl geworfenes Hemd konnte es nicht sein; dazu war es viel zu groß.

      Ich überwand ein fast kindisches Grauen, warf die Betttücher zurück und fuhr mit dem einen Bein aus dem Bett. Anstatt von meinem Feldbett auf den Boden zu kommen, merkte ich, daß mein Fuß kaum den Rand der Matratze erreichte. Ich machte sozusagen einen zweiten Schritt und setzte mich am Rand des Bettes auf. Neben meinem Bett mußte auf dem zerbrochenen Stuhl die Kerze mit den Streichhölzern stehen. Ich streckte die Hand aus – – Nichts! Ich fuhr mit der Hand im Dunkeln herum, und sie schlug gegen ein Etwas von weichem, dickem Stoff, das bei der Berührung ein leises Rauschen ertönen ließ. Ich packte es und zog daran; es schien ein vom Kopfende meines Bettes herabhängender Vorhang zu sein.

      Ich war jetzt völlig wach und fing an zu begreifen, daß ich in einem fremden Zimmer lag. Das verwirrte mich. Ich versuchte, mich der Umstände des vorhergehenden Abends zu entsinnen, und fand auf einmal, sonderbarerweise, daß sie mir ganz lebhaft in Erinnerung standen: wie wir zu Abend aßen, wie ich die kleinen Pakete in Empfang nahm, wie ich mich selber fragte, ob ich eigentlich betrunken sei, wie ich mich langsam auszog, wie kühl das Kissen sich gegen mein erhitztes Gesicht anfühlte. Ein plötzliches Mißtrauen überkam mich. War das gestern nacht gewesen oder die Nacht vorher? Jedenfalls – dies Zimmer war mir fremd, und ich konnte mir nicht vorstellen, wie ich hierhergeraten war. Der undeutliche, fahle Umriß ward blasser, und ich bemerkte, daß es ein Fenster war, vor dem sich die dunkle Form eines ovalen Toilettenspiegels von der schwachen Andeutung von Morgendämmern, die durch die Gardine sickerte, abhob. Ich erhob mich; ein sonderbares Gefühl von Schwäche und Unsicherheit überraschte mich. Mit ausgestreckten, zitternden Händen ging ich langsam auf das Fenster zu, stieß aber trotzdem unterwegs mit dem Knie gegen einen Stuhl. Ich tastete hinter dem Spiegel, der groß und mit schönen Bronzeleuchtern versehen war, nach der Vorhangschnur. Aber ich fand keine. Zufällig kam mir schließlich die Quaste in die Hand, eine Feder schnappte, und die Gardine rollte in die Höhe.

      Ich blickte auf eine Landschaft, die mir vollkommen fremd war. Der Himmel war bedeckt, und durch das fedrige Grau der Wolkenmassen sickerte ein schwaches, dämmeriges Halblicht. Ganz am Rand des Himmels zeigte die Wolkendecke einen blutroten Saum. Unten war alles undeutlich und verschwommen, dunkel; in der Ferne ineinanderlaufende Hügel, eine nebelhafte Masse von Gebäuden, die gleich Zinnen emporragten, Bäume – wie verschüttete Tinte – und unter dem Fenster ein Geschnörkel von schwarzen Büschen und bleichgrauen Wegen. So gar nicht vertraut war es mir, daß ich im Augenblick glaubte, ich träume noch. Ich befühlte den Toilettentisch; er schien aus irgendeinem polierten Holz gearbeitet und war ganz üppig ausgestattet – kleine Fläschchen aus Kristall und eine Bürste lagen darauf. Auch ein sonderbarer kleiner Gegenstand war da – hufeisenförmig fühlte er sich an, mit glatten, harten Vorsprüngen –, der auf einem Teller lag. Streichhölzer oder eine Kerze konnte ich nicht finden.

      Ich wandte meine Augen wieder aufs Zimmer. Nun, da die Gardine aufgezogen war, traten die Möbel gleich bleichen Gespenstern aus dem Dunkel hervor. Ein riesiges Himmelbett stand da, und der Kamin an seinem Fußende hatte eine große, weiße Verkleidung, die wie Marmor schimmerte.

      Ich lehnte mich gegen den Toilettentisch, schloß die Augen, öffnete sie wieder und versuchte zu denken. Das alles war viel zu wirklich, als daß es ein Traum hätte sein können. Fast neigte ich zu der Annahme, daß irgendwo in meinem Gedächtnis noch eine Lücke sein müsse – eine Folge СКАЧАТЬ