Название: Der gestohlene Bazillus
Автор: Herbert George Wells
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783961184019
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»Hast du nicht gesagt,« wandte er sich darauf an Gip, »eben eh' du hereinkamst, du möchtest gerne eine Schachtel ›Kaufe mich und überrasche deine Freunde‹ ?«
Gip, nach einer tüchtigen Kraftanstrengung, sagte: »Ja.«
»Es ist in deiner Tasche.«
Und sich über den Ladentisch beugend – der Kerl hatte wirklich einen ganz außergewöhnlich langen Körper – förderte der erstaunliche Mensch den genannten Gegenstand zutage – ganz auf die Art des üblichen Zauberkünstlers. »Papier!« sagte er dann und holte einen Bogen aus dem leeren Hut mit den Federn. »Bindfaden!« Und siehe da, sein Mund war ein Bindfadenbeutel, aus dem er ein endloses Stück Schnur zog, das er schließlich, nachdem er das Paket zugebunden hatte, abbiß und worauf er – so wenigstens erschien es mir – den Bindfadenknäuel verschluckte. Darauf steckte er an der Nase einer Bauchrednerpuppe eine Kerze an, streckte den einen Finger (der rot wie Siegellack aussah) in die Flamme und versiegelte damit das Paket. »Dann war da noch das ›Unsichtbare Ei‹ ,« fuhr er fort, zog eins aus meiner Brusttasche und packte es ein; ebenso das ›Schreiende Wickelkind, völlig menschlich‹ . Und ich reichte jedes Paket, sobald es fertig war, Gip, der es innig an sich drückte.
Sagen tat er ja wenig; aber um so beredter waren seine Augen. Auch die Art, wie er mich anfaßte, war recht beredt. Er war der Spielball unaussprechlichster Erregungen. Man bedenke: echte Zauberei!
Gleich darauf machte ich einen Luftsprung: ich entdeckte, daß sich in meinem Hut etwas bewegte – etwas Weiches, Flatterndes. Ich riß ihn vom Kopf und eine zerzauste Taube – zweifellos eine Mitverschworene – fiel heraus und lief über den Ladentisch, um – wie ich glaube – in einer Pappschachtel hinter dem Papiermachétiger zu verschwinden.
»Ei, ei!« sagte der Ladenbesitzer, mir gewandt meinen Hut aus der Hand nehmend. »Leichtsinniger Vogel! Und hat – so wahr ich lebe – gebrütet!«
Er schüttelte meinen Hut und schüttete in seine ausgestreckte Hand zwei oder drei Eier, einen großen Schusser, eine Uhr, ungefähr ein halbes Dutzend der unvermeidlichen Glaskugeln und zuletzt zerknittertes, zusammengeknülltes Papier, immer mehr und mehr und mehr, wobei er die ganze Zeit darüber redete, wie nachlässig die Menschen ihre Hüte innen und außen ausbürsteten – höflich natürlich, aber doch mit einer gewissen persönlichen Anzüglichkeit. »Alle möglichen Dinge sammeln sich an, Herr ... Ich meine nicht Sie im besondern ... aber fast bei jedem Kunden ... Ganz erstaunlich,was sie alles mit sich herumschleppen ...« Das zerknitterte Papier wogte und stieg auf dem Ladentisch, immer höher und höher, bis der Mann fast ganz verschwunden war, bis es ihn ganz und gar verdeckte; und immer noch ertönte die Stimme – fort und fort: »Keiner von uns weiß, was der äußere Schein eines menschlichen Wesens verbergen kann, Herr! Sind wir nicht alle nur glattgebürstete Außenseiten, weiße Grabmäler – –« Seine Stimme verstummte – genau wie wenn man mit einem wohlgezielten Backstein nach dem Grammophon seines Nachbars wirft – dasselbe plötzliche Verstummen; das Rascheln des Papiers hörte auf und alles war still ...
»Sind Sie fertig mit meinem Hut?« sagte ich nach einer Pause.
Es kam keine Antwort.
Ich starrte Gip an und Gip starrte mich an; und in den Zauberspiegeln standen unsere Zerrbilder und sahen ganz sonderbar und ernsthaft und still aus ...
»Ich denke, wir gehen jetzt,« sagte ich. »Wollen Sie mir sagen, was ich schuldig bin?«
»Hören Sie?« sagte ich in etwas stärkerem Ton, »ich möchte die Rechnung; und meinen Hut, bitte!«
Hinter dem Papier vor kam etwas wie ein Schnuppern ... »Wir wollen hinter dem Ladentisch nachsehen, Gip,« sagte ich. »Er hält uns zum Narren.«
Ich führte Gip um den kopfnickenden Tiger herum. Und was glauben Sie, daß hinter dem Ladentisch war? Überhaupt niemand! Nichts als mein Hut auf dem Boden und ein gewöhnliches stutzohriges, weißes Zauberkaninchen, das in tiefe Betrachtung versunken dasaß und so dumm und zerzaust aussah, wie bloß ein Zauberkaninchen aussehen kann. Ich hob meinen Hut auf, und das Kaninchen setzte mit einem kleinen, trägen Satz mir aus dem Weg.
»Väterchen!« sagte Gip in schuldbewußtem Flüsterton.
»Was gibt's, Gip?« sagte ich.
»Der Laden gefällt mir, Väterchen!«
»Mir auch,« sagte ich zu mir selbst, »wenn bloß nicht der Ladentisch auf einmal so lang würde, daß er einen von der Tür absperrt.« Aber hierauf machte ich Gip nicht weiter aufmerksam. »Pussy!« sagte er und streckte eine Hand nach dem Kaninchen aus, das an uns vorüberhopste. »Pussy, mach' uns ein Zauberkunststückchen vor!« Und er verfolgte es mit den Blicken, während es sich durch eine Tür zwängte, die ich einen Augenblick zuvor noch gar nicht bemerkt hatte. Die Tür öffnete sich weiter und der Mann mit dem einen Ohr größer als dem andern erschien wieder. Er lächelte noch immer, aber sein Auge begegnete dem meinen mit einem Ausdruck, der zwischen Belustigung und Herausforderung schwankte. »Vielleicht würde es Ihnen Spaß machen, unser Magazin zu sehen, Herr!« sagte er mit einer Art harmloser Beflissenheit. Gip zerrte meinen Finger vorwärts. Ich sah nach dem Ladentisch und begegnete wieder dem Auge des Mannes. Ich fing an, den Zauber ein bißchen zu echt zu finden! »Sehr viel Zeit haben wir nicht,« sagte ich. Aber noch eh' ich das ausgesprochen hatte, waren wir schon irgendwie im Magazin drin.
»Alle unsere Ware ist von ein und derselben Qualität,« sagte der Mann, seine geschmeidigen Hände aneinander reibend, »nämlich von der besten. Wir haben in diesem ganzen Raum nichts, was nicht echte Zauberei ist und für dessen Originalität wir nicht garantieren. Bitte um Entschuldigung, mein Herr!«
Ich fühlte, wie er an etwas zog, das an meinem Rockärmel hing; und dann sah ich ihn einen kleinen, sich krümmenden, roten Dämon am Schwanz halten – das kleine Wesen fauchte und schlug um sich und versuchte ihn in die Hand zu beißen – im nächsten Augenblick schleuderte er es gleichmütig hinter einen Tisch. Ohne Zweifel war das Ding ja nichts weiter als eine kleine Gummipuppe; aber so im Augenblick ...! Und das ganze Gebaren des Mannes war genau so, als ob er ein ekles, bissiges, kleines Stück Ungeziefer in der Hand hielte. Ich blickte nach Gip, aber Gip besah sich eben ein Zauberschaukelpferd. Ich war froh, daß er das Ding nicht gesehen hatte. »Hören Sie mal,« sagte ich leise, mit meinen Augen auf Gip und den kleinen roten Teufel weisend, – »Sie haben wohl nicht viel Derartiges hier, was?«
»Das war keiner von unsern! Wahrscheinlich haben Sie ihn mitgebracht!« sagte der Mann, ebenfalls leise und mit strahlenderem Lächeln als je. »Ganz erstaunlich, was die Leute immer mit sich herumschleppen, ohne daß sie's merken!« Dann zu Gip: »Siehst du hier irgendwas, was dir gefällt?«
Es waren recht viele Dinge da, die Gip gefielen.
Er wandte sich mit einem Gemisch von Zutraulichkeit und Respekt zu dem erstaunlichen Ladenmann. »Ist das ein Zauberschwert?« fragte er.
»Ein hölzernes Zauberschwert. Biegt sich nicht, bricht nicht, schneidet einen nicht in den Finger. Macht seinen Träger unbesiegbar in jedem Kampf gegen alle Menschen unter achtzehn Jahren. Von einer halben Krone bis zu sieben Schilling und Sixpence – je nach Größe. Die Pappdeckelrüstungen hier sind für jugendliche fahrende Ritter – äußerst praktisch – ein Sicherheitsschild – Siebenmeilenstiefel – ein Tarnhelm.«
»O, Väterchen!« stieß Gip atemlos heraus.
Ich versuchte, ausfindig zu machen, was diese Gegenstände kosteten; СКАЧАТЬ