Der gestohlene Bazillus. Herbert George Wells
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Название: Der gestohlene Bazillus

Автор: Herbert George Wells

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783961184019

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СКАЧАТЬ eine Zukunft vor mir – und zwar eine ganz besonders angenehme, dank Ihrer Güte! Ich werde von jetzt ab die Ehre haben, Ihren Namen zu tragen. Aber Siehaben eine Vergangenheit. Und eine Vergangenheit, die meine ganze Zukunft aufwiegt.«

      Er schüttelte den Kopf und lächelte – wie es mir schien, mit einer halbtraurigen Anerkennung meiner schmeichelhaften Bewunderung. »Ihre Zukunft!« sagte er – »würden Sie sie – ganz ehrlich – wirklich eintauschen?« Der Kellner kam eben mit Likören. »Sie werden vielleicht nicht ungern meinen Namen, meine äußere Stellung annehmen; aber würden Sie tatsächlich – und gern – meine Jahre auf sich nehmen?«

      »Mit all dem, was Sie geleistet haben – ja!« sagte ich artig.

      Er lächelte wieder. »Kümmel – zwei!« befahl er dem Kellner und wandte dann seine Aufmerksamkeit einem kleinen Papierpäckchen zu, das er aus der Tasche gezogen hatte. »Solche Stunden,« sagte er, »solche Nach-Mahlzeits-Stunden sind die Stunden der kleinen Dinge des Lebens. Da hab' ich ein Stückchen unveröffentlichter Weisheit.« Er öffnete das Päckchen mit seinen zitternden, gelben Fingern und zeigte mir ein kleines, mattrosa Pulver.

      »Das –« fuhr er fort – »nun, Sie sollen selber raten, was es ist. Aber Kümmel – wenn man bloß die Spur von dem Pulver hier dareinstäubt – ist der reine Himmel!« Und seine großen, blaßgrauen Augen beobachteten mich mit einem unergründlichen Ausdruck.

      Fast hatte es für mich etwas Verletzendes, daß dieser große Meister seinen Geist mit dem Aroma von Likören beschäftigen konnte. Trotzdem tat ich, als interessiere ich mich sehr für diese seine kleine Schwäche; ich war schon betrunken genug für solch kleine Kriechereien.

      Er verteilte das Pulver in die kleinen Gläser, und indem er plötzlich mit seltsamer und unerwarteter Würde sich erhob, streckte er mir seine Hand entgegen. Ich tat es ihm nach, und die Gläser klangen zusammen. »Auf eine baldige Thronfolge!« sagte er und hob das Glas an die Lippen.

      »Nicht darauf!« sagte ich hastig. »Nicht darauf!«

      Er hielt inne. Das Glas war ungefähr in der Höhe seines Kinns, seine Augen flammten in meine.

      »Auf ein langes Leben!« sagte ich.

      Er zögerte. »Auf ein langes Leben!« wiederholte er dann mit einem plötzlichen bellenden Lachen; und – die Blicke ineinandergebohrt, leerten wir die kleinen Gläschen. Seine Augen hafteten fest in den meinen, und während ich das Zeug hinunterschluckte, hatte ich ein merkwürdig durchdringendes Gefühl. Der erste Tropfen auf meiner Zunge brachte mein Hirn in wütenden Aufruhr; es war, als empfände ich ein tatsächliches physisches Regen in meinem Schädel, und ein zischendes Brausen füllte meine Ohren. Ich fühlte nichts von dem Geschmack auf meiner Zunge, dem Aroma in meiner Kehle. Ich sah bloß die graue Eindringlichkeit seines Blicks, der in dem meinen brannte. Der Trank selbst, die Verwirrung meines Geistes, das Lärmen und Regen in meinem Kopf – – alles schien eine endlose Zeit zu dauern. Seltsame unklare Eindrücke von halbvergessenen Dingen wirbelten und schwanden an der Grenze meines Bewußtseins. Schließlich brach er den Bann. Mit einem plötzlichen hallenden Seufzer setzte er sein Glas nieder. »Nun?« sagte er.

      »Wundervoll!« sagte ich, obschon ich das Zeug gar nicht geschmeckt hatte.

      Mein Kopf wirbelte. Ich setzte mich. Mein Gehirn war ein Chaos. Dann ward mein Beobachtungsvermögen klar und scharf, als sähe ich alles in einem Konkavspiegel. Elveshams Benehmen hatte auf einmal etwas Nervöses, Hastiges. Er riß seine Uhr heraus und sah mit verzerrtem Gesicht darauf. »Sieben Minuten nach elf. Und ich muß heut' nacht ... – – sieben – fünfundzwanzig – Waterloo! Ich muß augenblicklich fort!« Er rief nach der Rechnung und kämpfte mit seinem Überzieher. Dienstbeflissene Kellner eilten herbei. Im nächsten Augenblick drückte ich ihm über dem Schutzleder einer Droschke zum Abschied die Hand – noch immer mit einem absurden Gefühl, als sei alles außergewöhnlich deutlich und scharf und einzeln ausgeprägt – so etwa – ja, wie soll ich es ausdrücken? – als sähe ich nicht bloß, sondern fühlte durch ein umgekehrtes Opernglas.

      »Ah bah – – dies Zeug!« sagte er und preßte die Hand gegen die Stirn. »Ich hätt' es Ihnen nicht geben sollen. Sie werden morgen ein rasendes Kopfweh haben! Warten Sie einen Augenblick. Da!« Er händigte mir einen kleinen, flachen Gegenstand ein, der aussah wie ein Brausepulver. »Nehmen Sie das in Wasser, eh' Sie zu Bett gehen. Das andere war ein Narkotikum. Erst wenn Sie zu Bett gehen, hören Sie! Das wird Ihnen den Kopf wieder klar machen. So! Und nun ein letztesmal Ihre Hand – Futurus!«

      Ich ergriff seine verschrumpften Finger. »Leben Sie wohl!« sagte er. Und nach der Art, wie er dabei die Lider senkte, dachte ich, er stehe ebenfalls ein bißchen unter der Wirkung seines hirnverdrehenden Mittels.

      Noch einmal fiel ihm – mit einem Ruck – etwas ein. Er faßte in seine Brusttasche und zog ein zweites Paket heraus, diesmal eine Rolle von der Größe und Gestalt eines Rasierbestecks. »Da!« sagte er. »Fast hätt' ich es vergessen. Öffnen Sie es nicht, eh' ich komme morgen; aber nehmen Sie es jetzt mit.«

      Es war so schwer, daß ich es fast hätte fallen lassen. »Schon recht!« lallte ich, und er grinste mir durch das Droschkenfenster zu, während der Kutscher sein Pferd durch einen Peitschenflitz weckte. Es war ein weißes Paket, das er mir gegeben hatte, an beiden Enden und mitten herunter rot versiegelt. »Wenn das nicht Geld ist,« dachte ich, »so ist es Platina oder Blei.«

      Ich steckte es mit vieler Sorgfalt in die Tasche und wanderte mit wirbelndem Kopf durch die Regent Street-Bummler und die dunkeln Seitenstraßen hinter Portland Road nach Hause. Ich entsinne mich noch ganz deutlich meiner Gefühle während dieser Wanderung, so seltsam sie auch waren. Ich war immerhin noch so weit ich selbst, daß ich meinen sonderbaren Geisteszustand merkte und mich fragte, ob das Zeug, das ich getrunken hatte, vielleicht Opium gewesen sei – ein Gift, das außerhalb des Bereichs meiner Erfahrungen lag. Es ist jetzt schwierig zu erklären, inwiefern dieser geistige Zustand so ganz besonders eigentümlich war; am ehesten könnte man es so ungefähr als eine Art geistiger Kreuzsprünge bezeichnen. Während ich Regent Street hinaufwanderte, hatte ich in mir eine sonderbare Überzeugung, als müsse es Waterloo Station sein, und zugleich einen unerklärlichen Impuls, ins Polytechnikum zu gehen, just als ob ich in einen Zug einstiege.

      Ich rieb mir die Augen, und es war Regent Street. Wie soll ich es beschreiben? Ein geschickter Schauspieler sieht einen ganz ruhig an; er schneidet eine Grimasse – und plötzlich – ein ganz anderer Mensch! Ich weiß nicht, ob es zu übertrieben klingt, wenn ich sage, daß mir in jenem Augenblick Regent Street just so vorkam? Nachdem ich mich schließlich überzeugt hatte, daß es wirklich Regent Street war, verwirrten mich allerlei phantastische Reminiszensen, die auf unerklärliche Weise auftauchten. »Hier war es,« dachte ich, »wo vor dreißig Jahren ich und mein Bruder Streit hatten.« Worauf ich, zum Erstaunen und Wohlgefallen einer Gruppe von Nachtschwärmern, in Lachen ausbrach. Vor dreißig Jahren existierte ich gar nicht, und eines Bruders hatte ich mich mein Lebtag nicht rühmen können. Das Zeug mußte ganz einfach flüssiger Wahnwitz sein; denn ein stechender Schmerz um diesen verlorenen Bruder wollte und wollte mich nicht loslassen. In Portland Road nahm die Verrücktheit wieder eine andere Form an. Ich fing an, mich auf Geschäfte zu besinnen, die längst verschwunden waren, und die Straße von heute mit der, wie sie ehedem gewesen war, zu vergleichen. Wirres und verstörtes Denken läßt sich ja gewiß wohl erklären nach alledem, was ich getrunken hatte; aber was mich beunruhigte, waren diese seltsam lebendigen Fatamorganaerinnerungen, die sich da in meinen Geist eingeschlichen hatten. Und nicht bloß die, die sich eingeschlichen hatten, sondern auch die, die verschwunden waren. Ich blieb vor der Tierhandlung von Stevens stehen und geißelte mein Hirn geradezu, um herauszufinden, in welcher Beziehung er eigentlich zu mir stand. Ein Omnibus fuhr vorüber; es klang auf und nieder wie das Rattern eines Zugs. Es war, als müßte ich diese Erinnerung aus einem fernen, tiefen, dunkeln СКАЧАТЬ