Deutsche Sprachwissenschaft. Eine Einführung. Ingo Reich
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СКАЧАТЬ den illokutionärenAktillokutionärer und den perlokutionärenAktperlokutionärer Akt. Der lokutionäre Akt fällt im Wesentlichen mit dem eigentlichen Äußerungsakt (also dem phonetischen Ereignis, inklusive der auf diese Weise kodierten syntaktischen und semantischen Information) zusammen. Der illokutionäre Akt meint dagegen genau den Handlungsaspekt, den wir [51]gerade thematisiert und dann als Sprechakt bezeichnet haben. Entsprechend spricht man häufig auch von der IllokutionIllokution einer sprachlichen Äußerung. Mit dem perlokutionären Akt einer sprachlichen Äußerung ist schließlich der intendierte Effekt beim Adressaten gemeint (also z. B., dass er mir das Buch gibt, im Fall einer Aufforderung; dass er meine Frage beantwortet, im Fall einer Frage; oder dass er mir glaubt, was ich gesagt habe, im Fall einer Behauptung). Im Zentrum der Sprechakttheorie steht naturgemäß der illokutionäre Akt und wir werden uns im Folgenden auch auf diesen Aspekt der sprachlichen Handlung beschränken.

      Eine naheliegende Frage ist zunächst, ob mit jeder sprachlichen Mindestens ein Sprechakt?Äußerung auch immer eine sprachliche Handlung im Sinne eines Sprechakts (Illokution) verbunden ist. Im Allgemeinen wird das der Fall sein, es gibt aber auch Fälle, für die das zumindest nicht völlig offensichtlich ist. Ein solcher Fall ist die Diskurspartikel »Hm«. Die Partikel »Hm« kann von Zuhörern in einem Diskurs unter anderem als ein Signal eingesetzt werden, dass sie noch bei der Sache sind, dass sie noch zuhören. Diese Verwendung von »Hm« ist zwar genau genommen ebenfalls eine sprachliche Handlung, wird aber wohl besser als eine spezifische Funktion im Diskurs beschrieben.

      Beschränken wir uns also auf die klar(er)en Fälle wie Fragen, Behauptungen, Versprechen oder Aufforderungen. Für diese Fälle liegt es wiederum nahe zu fragen, ob entsprechende Äußerungen immer mit genau einem Höchstens ein Sprechakt?Sprechakt verbunden sind oder ob gleichzeitig mehrere Handlungen durchgeführt werden können. Ein solcher Fall scheint nun tatsächlich mit den bereits erwähnten indirekten Sprechakten vorzuliegen: Wenn ich meinen Kollegen frage, ob er mir die Tür öffnen kann, dann ist und bleibt das letztlich eine Frage (der Kollege kann wie gesagt immer mit den Antwortpartikeln ja oder nein reagieren). Diese sprachliche Handlung ist in dieser Situation aber offenbar nicht die primäre: In erster Linie ist die Äußerung als eine Aufforderung zu verstehen, die Tür zu öffnen. Daher spricht man hier bei der Frage auch von der sekundären IllokutionIllokutionsekundäre und bei der Aufforderung von der primären IllokutionIllokutionprimäre.

      Zwischen diesen beiden Illokutionen besteht nun ein wichtiger Zusammenhang: Die Aufforderung, die Türe zu öffnen, erfolgt offenbar auf der Grundlage der Frage, ob der Adressat dem Sprecher die Tür öffnen kann. Hier wird jetzt die Verbindung zu Implikaturen deutlich: Die Indirekter Sprechakt und KonversationsimplikaturÄußerung wird nur deswegen als Aufforderung verstanden, die Tür zu öffnen, da Sprecher und Adressat wissen (und sich dieses Wissen gegenseitig zuschreiben), dass der Adressat die Türe öffnen kann. Damit kann die Beantwortung der Frage aber nicht das primäre kommunikative Ziel des Sprechers sein, die Äußerung muss auf etwas anderes abzielen. In diesem Kontext liegt es dann nahe zu schließen, [52]dass der Sprecher möchte, dass der Adressat ihm die Türe öffnet. Damit muss die Äußerung aber als eine Form der Aufforderung verstanden werden.

      Folgt man dieser Argumentation, dann hat der primäre Sprechakt den Status einer partikularen Konversationsimplikatur. Und der sekundäre Sprechakt? Muss man ihn ebenfalls als eine (partikulare) Konversationsimplikatur auffassen oder besteht hier eine direktere (konventionelle) Beziehung zwischen dem (syntaktischen) Zum Verhältnis von Satztyp und SprechaktSatztyp einerseits und dem (pragmatischen) Sprechakt andererseits? Mit anderen Worten: Verbinden wir in systematischer Weise den Satztyp Interrogativsatz mit dem Sprechakt der Frage, den Satztyp Imperativsatz mit dem Sprechakt der Aufforderung und den Satztyp Deklarativsatz mit dem Sprechakt der Aussage bzw. Behauptung? Auf den ersten Blick scheint es so. Auf den zweiten Blick muss man aber feststellen, dass die Beziehung zwischen Satztyp und Sprechakt sehr vielschichtig ist. So kann man gerade und vor allem mit Deklarativsätzen sehr unterschiedliche Sprachhandlungen vollziehen: Mit ich komme nächstes Mal pünktlich kann ich etwas versprechen, mit du öffnest mir jetzt sofort die Tür kann ich eine nachdrückliche Aufforderung aussprechen und mit ich bin gerade noch rechtzeitig angekommen kann ich einen Sachverhalt beschreiben und gleichzeitig meine Erleichterung darüber ausdrücken. Umgekehrt kann ein und dieselbe Sprachhandlung über verschiedene Satztypen realisiert werden, wie man gerade am Beispiel der nachdrücklichen Aufforderung gesehen hat (öffne mir jetzt sofort die Tür vs. du öffnest mir jetzt sofort die Tür). Dieses Verhältnis, das auch unter dem Begriff des SatzmodusSatzmodus in der Literatur diskutiert wird (vgl. z. B. Altmann 1993, Brandt u. a. 1992), kann hier aus Platzgründen leider nicht eingehender diskutiert werden (man vgl. hierzu aber z. B. das Kapitel zu Satzmodus in Pafel & Reich 2016).

      Gleichzeitig hat obige Diskussion aber auch gezeigt, wie viele und wie heterogene Sprachhandlungen mit sprachlichen Äußerungen durchgeführt werden können. Daher scheint es unabhängig von der angedeuteten Beziehung zur Syntax sinnvoll, etwas Ordnung in das Chaos der Sprechakte zu bringen. Die Frage ist also, ob sich Kriterien finden lassen, nach denen verschiedene Sprechakte zu einigen wenigen (natürlichen) (Natürliche) Klassen von SprechaktenKlassen zusammengefasst werden können. Obwohl bereits mit Austin (1962) eine Taxonomie von Sprechakten vorliegt, muss man den in Searle (1979) entwickelten Alternativvorschlag sicherlich als den einflussreicheren bezeichnen.

      Searle (1979) diskutiert eine ganze Reihe möglicher Kriterien, gründet seine Hauptklassen aber im Wesentlichen auf drei: den so genannten Illokutionärer Witzillokutionären Witzillokutionärer Witz eines Sprechakts, seine Wort-Welt-AusrichtungWort-Welt-Ausrichtung und die SprechereinstellungSprechereinstellung. Da die Sprechereinstellung letztlich eng mit dem [53]illokutionären Witz zusammenhängt, wird sie hier vernachlässigt. Mit dem Begriff des illokutionären Witzes bezeichnet Searle das, als was ein Sprechakt in letzter Konsequenz aufzufassen ist: Wenn ich zum Beispiel etwas behaupte, dann ist das als eine Festlegung auf das Gesagte aufzufassen. Und wenn ich etwas verspreche, dann ist das eine Verpflichtung, es auch zu tun.

      In Analogie zu den Wahrheitsbedingungen, denen der propositionale Gehalt eines Sprechaktes unterliegt (Näheres hierzu im Kapitel zur Semantik), formuliert Searle (1969) auch GelingensbedingungenBedingungen für das Gelingen eines Sprechaktes. Aus Platzgründen können wir auf diese vier Bedingungen nicht im Einzelnen eingehen, es sei aber doch zumindest angemerkt, dass das Kriterium des illokutionären Witzes bei der Klassifikation von Sprechakten mit einer dieser Gelingensbedingungen, der wesentlichen Bedingung (das Tun von X zählt als Y), zusammenfällt. Ähnliches gilt für die Sprechereinstellung, die weitgehend der Aufrichtigkeitsbedingung (welche Sprecherintention mit einem Sprechakt verbunden ist) entspricht. Die Klassifikation von Sprechakten knüpft damit in natürlicher Weise an deren Charakterisierung an. Allein das Kriterium der Wort-Welt-Ausrichtung findet dort kein Pendant.

      Das KriteriumWort-Welt-Ausrichtung der Wort-Welt-Ausrichtung bezieht sich im Gegensatz zum illokutionären Witz nicht primär auf die Natur des Sprechakts, sondern auf dessen propositionalen Gehalt (also im Wesentlichen den Teil der Äußerungsbedeutung, der einen Sachverhaltsbezug aufweist): Ist der ausgedrückte Sachverhalt wie in dem Satz 2018 wurde Frankreich Weltmeister grundsätzlich unabhängig von der Äußerung, dann hat die Äußerung nur rein beschreibenden Charakter und in diesem Sinne richtet sich das Wort nach der Welt. Man spricht dann von einer Wort-nach-Welt-Ausrichtung und symbolisiert dies mit einem nach unten gerichteten Pfeil ↓. Hängt der ausgedrückte Sachverhalt aber wie bei dem Satz Kauf doch bitte noch einen Ring Lyoner in dem Sinne von der Äußerung ab, dass die Äußerung den Auslöser für eine potentielle spätere Realisierung darstellt, dann richtet sich hier gewissermaßen die Welt nach dem Wort. Man spricht dann von einer Welt-nach-Wort-Ausrichtung und symbolisiert dies mit einem nach oben gerichteten Pfeil ↑. Und kommt der Sachverhalt СКАЧАТЬ