Deutsche Sprachwissenschaft. Eine Einführung. Ingo Reich
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СКАЧАТЬ bzw. strukturell motiviert und wir sprechen daher Strukturbedingte Anreicherungvon strukturbedingter AnreicherungAnreicherungstrukturbedingte oder auch von SättigungSättigungAnreicherung. Die strukturbedingte Anreicherung einer explizit kodierten Äußerungsbedeutung bezeichnen wir als die grammatisch determinierte ÄußerungsbedeutungÄußerungsbedeutunggrammatisch determinierte. (Man vergleiche hierzu auch die Überlegungen in der entsprechenden Vertiefungsbox in Abschnitt 3.1.)

      Wenn es pragmatische Anreicherungen gibt, die strukturbedingt sind, dann gibt es vermutlich auch pragmatische Anreicherungen, die dies (höchstwahrscheinlich) nicht sind. Tatsächlich lässt sich auch dies an unserem Beispiel illustrieren. Denn was mit der Äußerung von »Ich hatte schon drei« in der obigen Situation kommuniziert wird, ist ja nicht einfach, dass Erna schon drei Tassen Kaffee hatte, sondern genau genommen, dass Erna heute schon drei Tassen Kaffee hatte. Der Adressat (in diesem Fall Lisbeth) ergänzt die Äußerung gedanklich also auch noch durch heute. Die naheliegende Frage ist nun, ob diese Ergänzung wie im vorigen Fall strukturell motiviert ist. Tatsächlich spricht einiges dafür, dass hier ein etwas anderer Fall vorliegt. Wir werden in der Syntax noch sehen, dass heute (in unserem Beispiel) als temporales Adverbial eine Angabe ist. Das heißt im Wesentlichen, dass heute (in diesem Fall) in syntaktischer Hinsicht nicht zwingend erforderlich ist, um einen vollständigen Satz zu bilden. Das Adverbial kann also frei hinzugefügt werden, muss es aber nicht. In diesem Sinne hat die pragmatische Anreicherung der Äußerung durch das Temporaladverbial heute keine strukturelle Basis und wir sprechen entsprechend von Freie Anreicherungeiner freien AnreicherungAnreicherungfreie.

      Man könnte hier argumentieren, dass das Adverbial heute zwar syntaktisch fakultativ, aber in Semantisch motivierte Anreicherung?semantischer Hinsicht obligatorisch ist, damit die Äußerung überhaupt eine beurteilbare Aussage ausdrückt, also eine Aussage, die wir als [61]wahr oder falsch bewerten können. Diese Frage ist empirisch nicht einfach zu entscheiden. Vermutlich wird man sagen müssen, dass eine Äußerung der Art »Ich hatte schon drei Tassen Kaffee« bereits temporal spezifiziert ist und (semantisch) ausdrückt, dass Erna irgendwann (in ihrem Leben) schon drei Tassen Kaffee hatte. Diese Aussage ist aber sicher nicht die Aussage, die wir verstehen und die vom Sprecher intendiert ist. Da es in der gegebenen Situation aber nicht relevant ist, ob Erna schon einmal irgendwann in ihrem Leben drei Tassen Kaffee getrunken hat, wird der Adressat die Aussage auf den relevanten Zeitraum (heute) verengen. Bei einer Äußerung von »Ich habe schon dreimal geheiratet« wird er es dagegen (sehr wahrscheinlich) nicht tun.

      Abbildung 3.5 soll die in diesem Kapitel eingeführten Begrifflichkeiten und die jeweiligen Eine schematische ZusammenfassungZusammenhänge (in leicht vereinfachter Form) grafisch verdeutlichen:

      Abb. 3.5: Interpretations- und Handlungsebenen im Beispiel »Ich hatte schon drei.«

      Ziel der schematischen Darstellung in Abbildung 3.5 ist vor allem, die Ebenen der Ausdrucksbedeutung, der Ebenen der Äußerungsbedeutung und kognitive VerarbeitungÄußerungsbedeutung, des kommunikativen Sinns und des Sprechakts deutlich voneinander zu trennen und innerhalb der Äußerungsbedeutung nochmals zwischen den verschiedenen Ebenen zu differenzieren. Die Pfeile sollen hier den strukturellen Zusammenhang zwischen diesen Ebenen deutlich machen. Die Linearisierung sollte dabei aber nicht so verstanden werden, dass mit ihr gleichzeitig eine entsprechende linear geordnete kognitive Verarbeitung behauptet wird. Es ist zwar sicherlich so, dass das Erfassen der Äußerungsbedeutung der Aktivierung von Ausdrücken im mentalen Lexikon nachfolgt. Aber ob z. B. die Prozesse der strukturbedingten und der freien Anreicherung ebenfalls kognitiv aufeinander folgen, kann durchaus und mit einiger Berechtigung in Frage gestellt werden. Daher sollte man solche didaktisch motivierten Abbildungen nicht überinterpretieren. Wer sich für eher kognitive Aspekte pragmatischer Prozesse interessiert, sei auf die genannten Arbeiten der Relevanztheorie verwiesen oder – wer vor etwas formaleren Zugängen nicht zurückschreckt – auch auf spieltheoretische Ansätze (vgl. z. B. Jäger 2012).

      Empfohlene Literatur

      Ehrich, Veronika: Wann ist jetzt? Anmerkungen zum Adverbialen Zeitlexikon des Deutschen. In: Kognitionswissenschaft 2 (1992). S. 119–135.

      Finkbeiner, Rita: Einführung in die Pragmatik. Darmstadt: WBG, 2015.

      Grice, H. Paul: Logic and Conversation. In: H. P. G.: Studies in the Way of Words. Cambridge, MA: Harvard University Press, 1991. S. 22–40. [Erstpublikation: 1975.]

      Klein, Wolfgang: Wo ist hier? Präliminarien zu einer Untersuchung der lokalen Deixis. Linguistische Berichte 58 (1978). S. 18–40.

      Levinson, Stephen C.: Pragmatik. Tübingen: Niemeyer, 1990.

      [63]4 Syntax: Gruppiertes

      4.1 Grundbegriffe der Syntax

      Eine gängige Auffassung ist, Was ist Syntax?dass das Wort Syntax irgendwie als ›Satzbau‹ ins Deutsche zu übertragen ist. Das ist nur zum Teil richtig. Wenn wir die Etymologie des Wortes ›SyntaxSyntax‹ ernst nehmen, erhalten wir einen sehr allgemeinen Begriff, der allerdings der Wahrheit ziemlich nahekommt. Das Wort kommt aus dem Altgriechischen, es ist eine Nominalisierung des Verbs syn-tattein, was ›zusammen-stellen‹ heißt. Es geht in der Syntax also darum, Dinge zusammenzustellen, oder man könnte auch sagen, miteinander zu kombinieren. Und tatsächlich geht es in der Syntax um nichts anderes als darum, aus kleineren sprachlichen Einheiten größere Einheiten zusammenzustellen. Die größten dieser größeren Einheiten sind letztlich Sätze, insofern ist die intuitive Übertragung mit ›Satzbau‹ gar nicht so verkehrt.

      Doch was sind diese kleineren sprachlichen Einheiten? Hier fängt es an, interessant zu werden. Die kleinsten denkbaren für die Syntax relevanten sprachlichen Einheiten der SyntaxEinheiten sind Wörter. Das heißt natürlich nicht, dass Wörter nicht noch weiter zerlegbar sind, es heißt nur, dass die interne Struktur von Wörtern für die Syntax unerheblich ist (mit Ausnahme der Flexionsmerkmale, die syntaktische Bezüge direkt anzeigen). Doch Syntax bedeutet nicht einfach, Wörter irgendwie zusammenzustellen. Manche Wörter haben einen engeren Bezug zueinander als zu anderen Wörtern, so dass sich aus Wörtern zunächst einmal Wortgruppen zusammenstellen lassen. WortgruppeWortgruppe ist hier als theorieneutraler Begriff gewählt, den wir später (vgl. Abschnitt 4.3) durch einen klarer definierten Begriff ersetzen werden. Wortgruppen können sich ihrerseits mit anderen Wortgruppen oder Wörtern zu anderen, größeren Wortgruppen kombinieren, bis irgendwann der Punkt erreicht ist, dass eine Kombination mehrerer Wortgruppen einen Satz ergibt.

      Die Einheiten, die Sätze letztlich bilden, sind tatsächlich eher Wortgruppen als Wörter. Eine Wortgruppe kann nur aus einem Wort bestehen, wie die Wortgruppen in (4.1 a), sie können aber auch länger sein, vielleicht sogar eine innere Gruppierung erkennen lassen, wie in (4.1 b). Zur Veranschaulichung haben wir die Wortgruppen auf der Satzebene (und mögliche Gruppen innerhalb der Gruppen) mit eckigen Klammern markiert.

      Zu beachten ist, dass auf der höchsten, der Satzebene, beide Sätze (4.1 a) und (4.1 b) eigentlich identisch strukturiert sind: Sie bestehen aus einem Subjekt, einem Verb, und einem Objekt, also aus drei Teilen (was unter diesen Begriffen zu verstehen ist, wissen die meisten Leserinnen und Leser sicher schon, wir erklären sie aber auf alle Fälle in СКАЧАТЬ