Leben ohne Maske. Knut Wagner
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Название: Leben ohne Maske

Автор: Knut Wagner

Издательство: Автор

Жанр: Биографии и Мемуары

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isbn: 9783957163080

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СКАЧАТЬ Sonntag einen zweistündigen Spaziergang auf den nahegelegenen Kohlberg unternahm.

      Punkt zehn stand Hartfried vorm Hoftor, um August Stillmark abzuholen, und jeder von ihnen hatte zwei Dackel dabei.

      Als sie den Kohlberg erreicht hatten, genossen sie den herrlichen Blick in die Rhön, die sich in der Ferne bläulich abzeichnete, und wenig später tauchten sie, ihre Spazierstöcke schwenkend, in den Wald ein, der ihnen ausreichend Schatten bot.

      Der Weg war schmal, und die Bäume waren hoch und August Stillmark und Hartfried atmeten die Waldluft tief ein und hatten Spaß, wenn ihre Dackel eine Wildspur aufnahmen und ihr kläffend folgten, und sie erzählten sich, was sie sonst keinem erzählten. Sie waren eben richtige Freunde seit ihrer Schulzeit, und nur für die Zeit, in der sie beim Militär gewesen waren, hatten sie Arnsbach kurzzeitig verlassen. August Stillmark hatte als Soldat in der 36. Kompanie in Dänemark gedient, und Hartfried, groß und stark, wie er gebaut war, war bei der Waffen-SS gewesen. Aber das hatte ihrer Freundschaft keinen Abbruch getan. Auf Hartfrieds Dritte-Reich-Vergangenheit kamen sie so gut wie nie zu sprechen, sie sparten bewusst aus, was ihre Verbundenheit hätte stören können. Und so drehten sich ihre vielen, endlos langen Sonntagsgespräche fast ausschließlich um Hunde, Familie und Beruf.

      Hartfried lobte an diesem Tag seinen Schwiegersohn in den höchsten Tönen. Gleich nach dem Studium an der Ingenieurschule habe dieser eine Stelle in der Abteilung für Forschung und Entwicklung bekommen, sagte Hartfried, der mit seinem Bruder zusammen einen kleinen Metallbetrieb besaß, in dem Rändelräder für Uhren aller Art und Größe gefertigt wurden.

      „Ab dem nächsten Jahr werden wir eine Injektionsvorrichtung für Diabetiker auf den Markt bringen“, verriet er. An der Entwicklung dieses neuen Produktes habe sein Schwiegersohn eine große Aktie.

      „Einen Schwiegersohn mit technischem Verständnis und handwerklichen Fähigkeiten werde ich wohl nicht bekommen“, sagte August Stillmark enttäuscht. Er stellte mit Bedauern fest, dass Wolfgang völlig unmusikalisch war, Angst vor Hunden hatte, nicht Ski fahren konnte und als Großstädter wenig Verständnis für das Haus und die Belange des Dorfes aufbrachte.

      Und schwer hinnehmbar war es für August Stillmark, dass Wolfgang noch dazu ein Evakuierter war. Ein Einheimischer als Schwiegersohn wäre ihm lieber gewesen, was ihn zu dem Satz veranlasste: „Freist du über’n Mist, weißt du, wer er ist.“

      Als Hartfried sah, wie untröstlich August Stillmark in diesem Moment war, sagte er: „Bis zur Hochzeit fließt noch viel Wasser den Berg hinunter und vielleicht läuft Heidi bis dahin noch etwas Besseres über den Weg.“

      „Schön wäre es“, sagte August Stillmark. „Aber meine Tochter hat sich schon entschieden. In zwei Jahren will sie heiraten“, und er fügte verärgert hinzu: „Ich kenne meine Frau, und ich kenne meine Tochter. Was die sich in den Kopf setzen, machen sie wahr.“

      Als Heidi die dampfenden Klöße, den Schweinebraten, das Rotkraut und die Schale mit der braunen Soße, die nicht fehlen durfte, auf den Tisch brachte, sagte August Stillmark: „Ohne Klöße kein Sonntag“, und während er sich zwei Klöße auf seinen Teller gabelte, lobte er Heidis Kochkünste. „Kochen kann sie. Das hat sie von ihrer Mutter“, er goss reichlich Soße über die Klöße.

      August Stillmark war ein schwergewichtiger Mann. Obwohl er nur mittelgroß war, wog er über zwei Zentner. Er war ein Genussmensch, der unheimlich gern aß. Seit seiner Operation vor 13 Jahren habe er nur noch ein Drittel Magen, und dass er wieder so essen könne, sei ein wahres Wunder, stellte er schließlich zufrieden fest.

      „Es war eine schlimme Zeit“, sagte er und gab endlich einmal zu, dass er es ohne Lisbeth nicht geschaffte hätte, wieder gesund zu werden.

      Denn Lisbeth Stillmark hatte alles unternommen, um ihren Mann wieder aufzupäppeln: Sie arbeitete nur stundenweise, damit sie ihrem Mann das Essen immer frisch kochen konnte, und sie kochte nur, was er vertrug. Sie nahm die schlechte Laune ihres Mannes hin, wenn es, besonders in den ersten Monaten nach der Operation, gesundheitliche Rückschläge gab. Das Wichtigste für sie war, dass er wieder auf die Beine kam.

      „Zwei Jahre dauerte es, bis ich wieder arbeitsfähig war“, sagte August Stillmark, und putzte das zweite Schälchen Pflaumenkompott weg.

      Als Heidi ihm die Kompottschale wegnahm und anfing, das Geschirr abzuräumen, sagte August Stillmark: „Lisbeth wird doch verstehen, dass ich sie heute Nachmittag nicht mit besuchen komme.“ Er müsse bei der Kapelle „Edelweiß“ aushelfen, brachte er als Entschuldigung vor und zog sich nach einem opulenten Mittagessen in die Schlafstube zurück, um ausgiebig Mittagsschlaf zu halten.

      Stunden später trat August Stillmark als Gasttrompeter bei einem Sommerfest in der „Hasenhohle“ auf, und Heidi und Wolfgang besuchten Lisbeth Stillmark im Krankenhaus.

      Wolfgangs erste Begegnung mit Lisbeth Stillmark kam jedoch nicht über ein „Guten Tag“ hinaus. Denn Krankenhausbesuche waren für Wolfgang seit jeher ein Horror, und die Krankenhausluft, die in Lisbeth Stillmarks Zimmer herrschte, setzte ihm arg zu. Er wurde bleich, fühlte sich einer Ohnmacht nahe und sagte: „Es tut mir leid. Aber ich muss an die Luft, sonst kippe ich hier noch um.“

      Lisbeth Stillmark, die Wolfgang sympathisch fand, brachte Verständnis für ihn auf. Sie war ihm nicht böse, dass er vorzeitig das Zimmer verließ und unten vorm Krankenhaus auf Heidi wartete, bis die Besuchszeit zu Ende war.

      Als August Stillmark am Abend von seinem Sommerfest-Auftritt ziemlich betrunken nach Hause kam, fragte er Heidi, wie es im Krankenhaus gewesen sei und wie es Lisbeth gehe.

      „Es geht ihr so gut, dass sie schon morgen Mittag aus dem Krankenhaus entlassen wird.“

      Ihrem Vater war anzumerken, wie froh und erleichtert er darüber war, und für Wolfgang war die Mission Arnsbach erfüllt.

       10. Kapitel

      Am nächsten Morgen fuhr Wolfgang mit dem Bus von Birkenhall aus zurück nach Erfurt. Auf der Rückfahrt musste er an den ersten Abend in Arnsbach denken: August Stillmark war in Erzähllaune gewesen und hatte sich im Herbeten seiner Vorfahren, die bis ins vierte Glied zurückreichten, gefallen. Die breiten Hüften, die alle Büchnerschen Frauen hätten, seien auf die Urgroßmutter seiner Mutter zurückzuführen. Die habe Maria Barbara geheißen. Und Heidi schlage in diese Linie.

      August Stillmark war versessen auf Familiengeschichte, und es interessierte ihn brennend, wo Wolfgang geboren worden war. „In Hausdorf“, sagte Wolfgang. Aber er wusste nicht, wo das lag. Er kannte den polnischen Namen seines Heimatdorfes nicht, und er wusste auch nicht, wo er die ersten beiden Jahre seines Lebens verbracht hatte.

      Wolfgangs Auskunft, dass er nicht wisse, wo sein Geburtsort sei, quittierte August Stillmark mit einem Kopfschütteln. Er konnte beim besten Willen nicht verstehen, dass jemand seinen Geburtsort nicht kannte und nichts über seine Vorfahren wusste.

      Als Wolfgang sagte, dass er aus Schlesien stamme und in Sachsen aufgewachsen war, meinte August Stillmark: „Also bist du ein Evakuierter“, und ausladend breit erklärte er, dass die Leute in Arnsbach in Hiesige, Unhiesige, Zugezogene, Fremde und Evakuierte eingeteilt würden.

      „Ich als Einheimischer bin ein Hiesiger, weil ich in Arnsbach geboren bin“, dozierte er. „Meine Frau ist eine Unhiesige, weil sie aus einem der umliegenden Dörfer stammt. Und wer in Arnsbach wohnt, ohne in eine hiesige Familie eingeheiratet zu haben, ist ein Zugezogener. Und wer von weiter her ist – zum Beispiel aus Berlin – ist ein Fremder. Und Evakuierte sind Leute, die nach dem zweiten Weltkrieg aus Schlesien, Pommern СКАЧАТЬ