Leben ohne Maske. Knut Wagner
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Название: Leben ohne Maske

Автор: Knut Wagner

Издательство: Автор

Жанр: Биографии и Мемуары

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isbn: 9783957163080

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СКАЧАТЬ „Wenn du dabei gewesen wärst, wäre das nicht passiert“, und ihr war anzumerken, dass sie sich irgendwie schuldig fühlte.

      Für Wolfgang war es ein herber Rückschlag. Denn mit der Uraufführung seines Stücks „Der Gast oder Der Versuch zu leben“ verband er die große Hoffnung, als Theaterdichter (sprich: Dramatiker, sprich: Stückeschreiber) Furore zu machen.

      Einen Tag später schon musste er einen weiteren Rückschlag hinnehmen: Er bekam Fieber, und die primär verschlossene Wunde wurde aufgemacht. „Die Wunde muss aufbleiben und von unten herauf heilen“, sagte der Stationsarzt. Da die Wunde, in die bequem sechs große Tupfer hineingingen, sehr tief sei, könne das einige Wochen oder gar Monate dauern, prophezeite er Wolfgang.

       11. Kapitel

      Weil Wolfgangs Wunde am Steiß einfach nicht zuheilen wollte, war lange Zeit ungewiss, ob er sein Studium wie geplant fortsetzen könne. Man erwog sogar, ihn wegen des krankheitsbedingten Ausfalls die versäumten Semester wiederholen zu lassen. Aber zu guter Letzt ließ man ihn doch zum großen Schulpraktikum zu.

      Frau Doktor Gärtner, die Methodik-Tante in Deutsch, war nämlich der Meinung, dass Wolfgang das Versäumte schnell aufholen könne, wenn er durch seinen Mentor schrittweise und behutsam ans Unterrichten herangeführt werde.

      Aber daraus wurde nichts, denn Wolfgangs Mentor war von einem Tag auf den anderen stellvertretender Direktor geworden. Der bisherige Stellvertreter war über Ungarn, wo er Urlaub gemacht hatte, in den Westen abgehauen. Die Aufregung an der Schule war groß, und Wolfgangs Mentor musste binnen kürzester Zeit in die Leitungstätigkeit eingeweiht werden und auf Grund der veränderten Situation einen neuen Stundenplan erstellen.

      Er sagte, Wolfgang müsse für ihn die Grammatikstunde in der 6a halten und drückte ihm seine recht knappe Stundenvorbereitung in die Hand, mit der Wolfgang eine ihm fremde Klasse betrat und ganz auf sich allein gestellt seine erste Stunde hielt.

      Als Wolfgang nach dieser Stunde ziemlich geschafft aus der Klassenzimmertür trat, stand sein Mentor aufgeregt auf dem Gang und teilte ihm die nächste Hiobsbotschaft mit. Er sei mit dem Stundenplan-Ändern noch immer nicht fertig, sagte er und bat Wolfgang, für ihn den Unterricht in der 8a zu übernehmen.

      Wieder drückte er ihm ein paar spärliche Unterlagen in die Hand, und wieder ging Wolfgang völlig unvorbereitet in eine Klasse, die er nicht kannte. Dieses Mal war es Geschichte, was er zu unterrichten hatte. Er musste die Pariser Kommune behandeln, und wenn er Brechts „Tage der Kommune“ nicht so gut gekannt hätte, wäre er total eingebrochen.

      Schon am ersten Tag hatte Wolfgang seine Feuerprobe bestanden, denn keine der Stunden, die er plötzlich aus dem Stegreif halten musste, hatte er vor den Baum gefahren.

      Zwei Tage vor Weihnachten war das Praktikum zu Ende. Wolfgang wurde ins Direktorenzimmer gerufen, und sein Mentor händigte ihm die Beurteilung aus:

      „Vom 26. August bis 30. November 1968 absolvierte Herr Bruckner an unserer Schule in den Fächern Deutsch und Geschichte seine Praktika. Er unterrichtete in den Klassen 6, 8 und 10. In beiden Fächern schloss Herr Bruckner sein Praktikum erfolgreich mit der Examensprobe ab.

      Es kann eingeschätzt werden, dass Herr Bruckner die Anforderungen, die die Schule an einen sozialistischen Lehrer stellt, erfüllt hat. Im Praktikum zeichnete er sich durch parteiliche Haltung, Einsatzbereitschaft, fachliches Wissen und Drang zur Selbständigkeit aus.“

      Ganz am Schluss der vierseitigen Beurteilung stand, dass Wolfgang auf Grund der gezeigten Leistungen das Prädikat „Sehr gut“ erteilt wird. Darauf war Wolfgang besonders stolz, denn es strafte alle Lügen, die ihn bisher zum Versager abgestempelt hatten.

      Als Wolfgang über die Weihnachtsfeiertage nach Arnsbach fuhr, zeigte er Heidi die Beurteilung. „Kompliment“, sagte sie und gratulierte ihm dazu, dass er beide Examensstunden mit „Eins“ gemacht hatte.

      „Es war ein großes Glück, dass ich trotz der versäumten zwei Semester zum Großen Schulpraktikum zugelassen wurde“, sagte er. „Ich hatte richtig Glück im letzten halben Jahr.“

      „Das kann ich nicht von mir behaupten“, meinte Heidi. „Mein Start ins Lehrersein an der Dorfschule in Höhnberg hätte nicht schlechter sein können.“

      Denn zu Beginn des Schuljahres waren alle Lehrer aufgefordert worden, eine Resolution zu unterschreiben, in der der Einmarsch der fünf Bruderländer in die CSSR für gut geheißen wurde.

      Heidi jedoch fand, dass es eine große Schweinerei war, was sich da in der Welt tat, und verweigerte ihre Unterschrift.

      Auf Grund dieser Tatsache war sie als Querulant verschrien, und der Direktor konnte sie von Anfang an nicht leiden. Er hielt sie vom ersten Tag an für aufmüpfig und arrogant, und er schikanierte sie, wo es nur ging. So ließ er sie nicht in den oberen Klassen unterrichten, obwohl sie die Befähigung dazu hatte, und er gab ihr den miserabelsten Stundenplan, den man sich denken konnte. Vier Mal in der Woche musste sie ihren Englischunterricht am späten Nachmittag geben. Auch bürdete der Direktor ihr Aufgaben auf, die Heidi als pure Schikane empfand.

      „Nach den Weihnachtsferien“, erzählte Heidi Wolfgang, „soll ich vor der Schulleitung darüber berichten, wie ich die Arbeiter- und Bauernkinder in meiner Klasse gefördert habe. Dazu hat man mir noch den Losverkauf für eine Tombola anlässlich der Messe der Meister von Morgen aufgebrummt.“

      Der Grund dafür liege auf der Hand, sagte Heidi. „Vorige Woche bin ich unfreiwillig Zeuge einer Parteiversammlung gewesen, da ich in einem Nebenraum saß und Arbeiten korrigierte. Man sprach über die CSSR-Angelegenheit und sagte, auch an unserer Schule wären solche ‚Elemente‘. Es handle sich dabei um den Kollegen Konzak und die Kollegin Stillmark.“

      „Wenn du so weitermachst“, sagte Wolfgang, „wirst du noch ein richtiger Revolutionär“, und er freute sich, dass Heidi kein braves, biederes Dorfschulmeisterlein war, das seinen unfähigen Vorgesetzten die Füße küsste. „Ich wäre schon froh, wenn ich im nächsten Jahr nichts mehr mit diesen Hinterwäldlern zu tun hätte und mit dir zusammen an einer anderen Schule unterrichten könnte“, sagte Heidi. „Am liebsten würde ich an einen Ort gehen, wo der Lehrer noch nicht der letzte Dreck ist.“

      Es war ihr anzumerken, wie sehr sie die Schule in Höhnberg satthatte und wie sehr sie einen Neuanfang herbeisehnte.

      Mit Blick auf das kommende Jahr sagte sie: „Du kannst dir nicht vorstellen, wie ich mich auf unsere Hochzeit und unser Leben danach freue.“

      „Vorher heißt es aber noch für mich, die Abschlussprüfung im Juni zu bestehen“, sagte Wolfgang. „Und bis März muss ich die Staatsexamensprüfung geschrieben haben.“

      „Das dürfte wohl kein Problem sein“, sagte Heidi.

      Aber die häuslichen Verhältnisse ließen es nicht zu, dass Wolfgang ungestört an seiner Staatsexamensarbeit schreiben konnte. Denn seine Großmutter war schon so dement, dass sie beaufsichtigt werden musste. Und dieses Beaufsichtigen fiel Wolfgang zu, weil er der Einzige war, der nicht arbeiten ging.

      Wolfgangs Großmutter wusste kaum noch, was sie tat. Von Unruhe getrieben, klimperte sie ständig mit dem Schlüsselbund, tappte durch alle Zimmer, und während Wolfgang am Wohnzimmertisch saß und schrieb, hörte er das unruhige Tappen, und er hörte, wie seine Großmutter an der Klinke der Korridortür rüttelte. Auf der verzweifelten Suche nach einem Ausweg schlug Wolfgangs Großmutter mit der Schutzkette rasselnd gegen die Tür.

      Wolfgang СКАЧАТЬ