Konstantinopel 1453. Roger Crowley
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Название: Konstantinopel 1453

Автор: Roger Crowley

Издательство: Автор

Жанр: История

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isbn: 9783806242430

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СКАЧАТЬ und die Zuflucht der Gläubigen. Wenn er für Gott zum Märtyrer wird, glaubt nicht, dass er gestorben ist – er lebt in der Glückseligkeit mit Allah, er besitzt das ewige Leben.«17 Die Eroberungen weckten hohe Erwartungen bei den nomadisierenden Räubern, die auf eigene Faust operierten, und den der Mystik ergebenen Derwischen, die in zerlumpten Kleidern mit ihnen über die staubigen Straßen Anatoliens zogen. Prophezeiungen und Heldenlieder waren allenthalben im Schwange. Sie erinnerten an die Hadith über die Eroberung Konstantinopels und die Legenden vom Goldenen Apfel. Als Kaiser Johannes Cantacuzenos Orhans Kämpfer nach 1350 einlud, über die Dardanellen zu kommen und in die endlosen Bürgerkriege im byzantinischen Staat einzugreifen, setzten die Muslime erstmals seit 717 wieder ihre Füße auf europäischen Boden. Als 1354 durch ein Erdbeben die Mauern von Gallipoli zerstört wurden, erklärten die Osmanen dies kurzerhand zu einem Fingerzeig Gottes für die Muslime und nahmen die Stadt ein. Ein unablässiger Strom von Kriegern und Geistlichen folgte ihnen nach Europa. Im Jahr 1359 tauchte erstmals seit 650 Jahren wieder eine islamische Streitmacht vor den Mauern der Stadt auf. Ein Anflug von Endzeit-Erwartung war spürbar. »Warum sind die Gazi erst so spät erschienen?«, fragte Ahmeti. »Weil das Beste immer erst am Schluss kommt. Genau wie der eigentliche Prophet Mohammed nach den anderen kam, genau wie der Koran nach der Thora, den Psalmen und den Evangelien vom Himmel herabkam, so erschienen auch die Gazi als letzte in der Welt.«18 Die Eroberung Konstantinopels erschien offenbar als Traum, der durchaus wahr werden konnte.

      Dass die Osmanen so rasch vorrückten, war jedoch kein Wunder und auch nicht gottgegeben. Aufgrund der geographischen Lage, ihrer Gewohnheiten und glücklicher Umstände besaßen sie beste Voraussetzungen, um Nutzen aus dem Zerfall des byzantinischen Staates zu ziehen. Die ersten Sultane, die noch in enger Verbindung mit ihrem Volk und auch mit der Natur lebten, nahmen das sich verändernde politische Umfeld aufmerksam wahr. Während die Byzantiner im Banne tausendjähriger Zeremonien und Traditionen standen, waren die Osmanen wach, flexibel und aufgeschlossen. Die Gesetze des Islam verlangten Gnade gegenüber unterworfenen Völkern, und die Osmanen regierten ihre Untertanen mit leichter Hand, was vielen angenehmer erschien als die Herrschaft europäischer Feudalherren. Sie versuchten nicht, die Christen, welche die Bevölkerungsmehrheit bildeten, zum Islam zu bekehren – das war auch nicht erstrebenswert für eine Dynastie, die ein großes Reich errichten wollte. Unter dem Gesetz der Scharia war es nicht möglich, Muslime ebenso hart zu besteuern wie Ungläubige, wenngleich ihre Belastung nicht sonderlich hoch war. Die Bauern auf dem Balkan begrüßten die Befreiung vom schwereren Joch der feudalen Knechtschaft. Zudem besaßen die Osmanen eine vorteilhaftere Erbfolgepraxis. Im Unterschied zu anderen türkischen Fürstentümern hatten die frühen Sultane das Reich nie zwischen Nachfolgern aufgeteilt und auch nie selbst einen Nachfolger bestimmt. Alle Söhne wurden zu Herrschern herangezogen, aber nur einer konnte den Thron besteigen – eine Methode, die auf brutale Weise sicherzustellen schien, dass der am besten geeignete überlebte. Zur großen Verwunderung westlicher Beobachter legten sie auch keinen Wert darauf, die Nachfolge über eine Heirat zu sichern. Während die byzantinischen Kaiser, wie auch alle anderen europäischen Herrscherhäuser, sorgfältig darauf achteten, dass ihre Kinder nur innerhalb des eigenen Geschlechts oder Abkömmlinge einer anerkannten Adelsfamilie heirateten, interessierte dies die Osmanen kaum. Der Vater eines Sultans war natürlicherweise sein Vorgänger, aber seine Mutter konnte eine Konkubine sein oder eine Sklavin, womöglich war sie auch keine Muslima von Geburt oder entstammte einem der zahlreichen unterworfenen Völker. Diese genetische Beliebigkeit erschloss den Osmanen außergewöhnliche Ressourcen.

      Von allen Neuerungen der Osmanen war die Schaffung einer regulären Armee wahrscheinlich die bedeutendste. Die ungebärdigen Gruppen von Gazi-Kriegern waren zu undiszipliniert, um den wachsenden Ambitionen der Sultane gerecht zu werden; gut gesicherte Städte zu belagern, erforderte Geduld, methodisches Vorgehen und auch gewisse handwerkliche Fertigkeiten. Ende des 14. Jahrhunderts schuf Sultan Murat I. eine neue Streitmacht, die aus gefangenen Sklaven aus den Balkanstaaten bestand. Regelmäßig wurden christliche Jungen zwangsrekrutiert, mussten den Islam annehmen und Türkisch lernen. Fern von ihren Familien waren diese neuen Rekruten allein dem Sultan ergeben. Sie waren seine Leibgarde: die »Sklaven der Pforte«. Sie wurden in Infanterieeinheiten organisiert, den Yeni Cheri oder Janitscharen, und in Kavallerieverbänden, die zusammen die erste bezahlte Armee in Europa seit der römischen Zeit bildeten. Diesen Verbänden sollte entscheidende Bedeutung für die Entwicklung des osmanischen Staates zukommen. Das Vorbild hatten die Osmanen aus ihrer eigenen Geschichte übernommen: Auch die Türken waren als Militärsklaven an den Grenzen der islamischen Welt rekrutiert worden. Das hatte ihren späteren Aufstieg ermöglicht. Doch für Christen, die diese Entwicklung aus der Ferne beobachteten, war es eine erschreckende Vorstellung: Dass gefangen genommene christliche junge Männer gegen andere Christen kämpfen sollten, erschien ihnen niederträchtig und unmenschlich. Die Zwangsrekrutierung von Christenkindern trug maßgeblich zur Entstehung des Mythos von den »barbarischen Türken« bei.

      Der Begriff »Türke« verbreitete sich rasch im Westen. Er war größtenteils ein europäisches Konstrukt, ein Ausdruck, der dem Selbstverständnis des Westens entsprach und von den Osmanen nur selten verwendet wurde. Diese betrachteten ihn vielmehr als herabsetzend. Sie bevorzugten Bezeichnungen, die weder einen ethnischen noch einen territorialen Anklang hatten und sowohl ihre nomadische Herkunft zum Ausdruck brachten, die Tatsache also, dass sie nicht an bestimmte Gebiete gebunden waren, als auch ihre multiethnische Zusammensetzung. Ihre Identität bezogen sie in erster Linie aus der Religion: Die osmanischen Sultane bezeichneten sich selbst in zunehmend blumiger werdender Sprache als »Herren des Islam« und ihr Reich als »Zuflucht der Gläubigen« oder als die »Verteidigten Länder« und ihr Volk entweder als Muslime oder als Osmanen. Das osmanische Selbstverständnis bestand aus einer einzigartigen Verbindung unterschiedlicher Elemente und Völkerschaften: aus türkischem Stammesdenken, dem sunnitischen Islam, persischem Hofzeremoniell, byzantinischen Verwaltungs- und Besteuerungsmethoden und einer zeremoniellen, hochtrabenden Hofsprache, die türkische Grammatik mit arabischem und persischem Vokabular verband. Aus diesem Konglomerat entwickelte sich eine eigenständige Identität.

      Der Aufstieg der Osmanen ging einher mit dem unaufhaltsamen Niedergang von Byzanz. Die Faktoren, die dazu führten, dass die Zeit nach 1300 in Europa als »Unglücksjahrhundert« bezeichnet wurde, waren auch im Ostreich wirksam. Zersplitterung, Bürgerkriege, Bevölkerungsschwund und Verarmung suchten Konstantinopel heim. Es gab einige bezeichnende symbolische Momente. Im Jahr 1284 traf Kaiser Andronikos die selbstmörderische Entscheidung, die kaiserliche Flotte abzuschaffen. Die arbeitslos gewordenen Seeleute liefen zu den Osmanen über und halfen diesen, eine eigene Flotte aufzubauen. Um das Jahr 1325 übernahmen die Kaiser aus dem Hause Palaiologos den Doppeladler in ihr Wappen; er symbolisierte jedoch nicht, wie häufig behauptet wurde, ein mächtiges Reich, das den Blick sowohl nach Osten als auch Westen richtete, sondern eher die Aufteilung der Autorität zwischen zwei streitsüchtigen Herrschern aus derselben Familie. Der Adler bekam eine prophetische Bedeutung. Die Jahre von 1341 bis 1371 waren geprägt von einer verheerenden Abfolge von Bürgerkriegen, Vorstößen sowohl der Osmanen als auch der mächtigen Serben, religiösen Auseinandersetzungen und einer Pestepidemie. Konstantinopel war die erste europäische Stadt, in der der Schwarze Tod wütete: Ratten, die im Schwarzmeerhafen Kaffa an Bord von Schiffen gelangt waren, wurden 1347 in die Stadt eingeschleppt. Die Bevölkerung schrumpfte auf wenig mehr als 100.000. Zudem verwüstete eine Reihe von Erdbeben Konstantinopel – die Kuppel der Hagia Sophia stürzte 1346 ein –, die Stadt »aus reinem Gold« verkam immer weiter, und ihre Bewohner verfielen in eine fatalistische Untergangsstimmung. Reisende berichteten vom erbärmlichen Erscheinungsbild der Stadt. Ibn Battutah sah keine Stadt mehr, sondern nur noch eine Ansammlung von dreizehn Dörfern, die durch Felder getrennt waren. Der Spanier Pero Tafur schrieb nach einem Besuch in Konstantinopel, dass selbst der Kaiserpalast in einem Zustand sei, »dass man daran und an der Stadt selbst ablesen [könne], welche Leiden den Menschen auferlegt wurden und noch auferlegt werden… Es gibt nur wenige Einwohner… Sie sind nicht gut gekleidet, sondern elend und arm, gezeichnet von der Härte des Schicksals«, bevor er voll christlichen Mitgefühls hinzufügte, »das jedoch nicht so schlimm ist, wie sie es verdienen, denn sie sind ein lasterhaftes Volk, das der Sünde erlegen СКАЧАТЬ