Название: Konstantinopel 1453
Автор: Roger Crowley
Издательство: Автор
Жанр: История
isbn: 9783806242430
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Im März 1071 begab sich Kaiser Romanus IV. Diogenes persönlich in den Osten, um die Situation zu bereinigen. Im August traf er bei Mantzikert in Ostanatolien aber nicht auf die Turkmenen, sondern auf ein Heer der Seldschuken unter deren herausragendem Befehlshaber Sultan Alp Arslan, des »heldenhaften Löwen«. Es war ein eigenartiges Ereignis. Der Sultan wollte eigentlich gar nicht kämpfen. Ihm ging es nicht in erster Linie darum, gegen die Christen Krieg zu führen, er wollte vielmehr das verhasste Schiiten-Regime in Ägypten niederwerfen. Er schlug einen Waffenstillstand vor, den die Römer jedoch ablehnten. Das folgende Gefecht endete mit einem überwältigenden Sieg der Muslime, wozu maßgeblich ihre klassische Taktik des Hinterhalts beitrug. Erschwerend kam die Tatsache hinzu, dass viele byzantinische Söldner zum Gegner überliefen. Romanus kam mit dem Leben davon und küsste den Boden vor dem siegreichen Sultan, der ihm einen Fuß auf den Hals setzte als symbolisches Zeichen seines Triumphes und der Unterwerfung des Feindes. Dies sollte sich als ein Wendepunkt der Weltgeschichte erweisen – und als eine Katastrophe für Konstantinopel.
Für die Byzantiner war die Schlacht von Mantzikert der »Tag des Schreckens«, eine Niederlage von verheerenden Ausmaßen, die ihre Zukunft lange überschatten sollte. Doch ihre volle Tragweite erkannte man in Konstantinopel erst später. Die Turkmenen stießen nun nach Anatolien vor, ohne auf Widerstand zu treffen; wo sie vorher Überfälle verübt und sich wieder zurückgezogen hatten, richteten sie sich jetzt dauerhaft ein und drangen immer weiter nach Westen vor in den Löwenkopf Anatoliens. Nach den heißen Wüsten das Iran und des Irak war das sanft gewellte Hügelland der Hochebene eine Landschaft, die den Nomaden aus Zentralasien mit ihren Jurten und Kamelen sehr behagte. Mit ihnen kamen der orthodoxe sunnitische Islam und auch extreme islamische Strömungen: Anhänger des Sufismus, Derwische und wandernde heilige Männer, die sowohl den Glaubenskrieg predigten als auch eine mystische Heiligenverehrung, die bei den christlichen Völkern Anklang fand. Zwanzig Jahre nach der Schlacht von Mantzikert hatten die Türken die Küsten des Mittelmeers erreicht. Eine ethnisch zersplitterte christliche Bevölkerung setzte ihnen kaum Widerstand entgegen; einige Christen traten zum Islam über, andere waren froh, der Besteuerung und Unterjochung durch Konstantinopel zu entrinnen. Der Islam betrachtete die Christen als »Menschen des Buches«; daher standen sie unter dem Schutz der Gesetze und durften ihre Religion frei ausüben. Abtrünnige christliche Sekten hießen die türkische Herrschaft sogar offen willkommen: »Aufgrund ihres Rechtswesens und ihrer guten Regierung lebten sie lieber unter deren Verwaltung«, schrieb Michael der Syrer. »Da die Türken nichts wussten von heiligen Mysterien…, waren sie es nicht gewöhnt, sich mit Glaubensbekenntnissen auseinanderzusetzen oder andere deswegen zu verfolgen, im Unterschied zu den Griechen«, fuhr er fort, die »ein verschlagenes und ketzerisches Volk«5 sind. Innere Auseinandersetzungen im byzantinischen Staat stärkten die Türken; bald wurden sie gebeten, in die Bürgerkriege einzugreifen, die Byzanz zerrissen. Die Eroberung von Kleinasien verlief so reibungslos und traf auf so geringen Widerstand, dass nach einer abermaligen Niederlage eines byzantinischen Heeres 1176 keine Möglichkeit mehr bestand, die Eindringlinge wieder zu vertreiben. Die Folgen von Mantzikert waren nun nicht mehr rückgängig zu machen. Bereits ab 1220 bezeichneten westliche Autoren Kleinasien als Turchia. Byzanz hatte sein Hinterland eingebüßt, das ihm Nahrung und Soldaten geliefert hatte. Und fast zur selben Zeit brach aus einer völlig unerwarteten Richtung eine weitere Katastrophe über Konstantinopel herein, und sie nahte aus dem christlichen Westen.
Die Kreuzzüge sollten dem militärischen Vormarsch des türkischen Islam Einhalt gebieten. Sie richteten sich gegen die Seldschuken, »ein verfluchtes Volk, ein Volk, das völlig fern ist von Gott«.6 Papst Urban II. rief 1095 in seinem berühmten Appell auf der Synode in Clermont dazu auf, »dieses heidnische Volk aus unseren Ländern zu vertreiben«, was den Auftakt bildete zu einer 350 Jahre währenden Epoche westlicher Eroberungszüge im Zeichen des Kreuzes. Obwohl ihnen ihre christlichen Brüder aus dem Westen eigentlich helfen wollten, sollte sich dieses Unternehmen zu einer dauerhaften Belastung für die Byzantiner entwickeln. Ab 1090 wurden sie immer wieder heimgesucht von marodierenden Rittern, die Unterstützung, Verpflegung und Dank erwarteten von ihren orthodoxen Brüdern, während sie plündernd in Richtung Jerusalem nach Süden zogen. Durch dieses Zusammentreffen wuchsen das wechselseitige Unverständnis und das Misstrauen. Beide Seiten konnten die Unterschiede in den Bräuchen und den Formen des Gottesdienstes studieren. Die Griechen betrachteten ihre in schweren Kettenhemden daherkommenden westlichen Glaubensbrüder als ungeschliffene barbarische Abenteurer; ein Kreuzzug war für sie nur der heuchlerische Versuch, Eroberungsgelüste mit dem Mantel der Frömmigkeit zu tarnen: »Sie tragen ihren Kopf hoch im Nacken, und ihr Sinn ist unbeugsam, ihr Blutdurst groß… sie hegen auch unablässig Übelwollen gegen die Rhomäer«,7 klagte Niketas Chroniates. Tatsächlich kamen die Byzantiner mit ihren sesshaften muslimischen Nachbarn besser aus, da sich durch den Umgang mit ihnen im Lauf der Jahrhunderte nach dem ersten Ausbruch des Heiligen Krieges eine gewisse Vertrautheit und Respekt entwickelt hatten: »Wir müssen als Brüder zusammenleben, auch wenn wir uns in unseren Bräuchen, Sitten und der Religion unterscheiden«,8 schrieb einmal ein Patriarch von Konstantinopel an den Kalifen von Bagdad. Den Kreuzfahrern dagegen erschienen die Byzantiner als verdorbene Ketzer, die obendrein bedrohlich orientalisch wirkten. Seldschukische und türkische Soldaten kämpften häufig für die Byzantiner; zudem entdeckten die Kreuzritter empört, dass es in der Stadt, die der Jungfrau Maria geweiht war, eine Moschee gab. »Konstantinopel ist anmaßend in seinem Wohlstand und verkommen in seinem Glauben«,9 verkündete der Kreuzfahrer Odo de Deuil. Darüber hinaus sorgten der Reichtum Konstantinopels und seine berühmten juwelenbesetzten Reliquien unter den Kreuzfahrer für großes Erstaunen und Verwunderung. In den Berichten, die in die kleinen Städte in der Normandie und am Rhein geschickt wurden, klangen unterschwellig Neid und Eifersucht an: »Seit Anbeginn der Welt«, schrieb der Marschall der Champagne, »hat man noch niemals so viele Reichtümer gesehen, die in einer einzigen Stadt angehäuft sind.«10 Das war eine unwiderstehliche Versuchung.
Schon seit Langem hatte der Westen das Byzantinische Reich militärisch, politisch und wirtschaftlich unter Druck gesetzt, doch Ende des 12. Jahrhunderts wurde dies vor allem in Konstantinopel sichtbar. In der Stadt war eine große Gemeinde italienischer Kaufleute entstanden, und da den Venezianern und den Genuesen besondere Vorrechte eingeräumt worden waren, ging es ihnen sehr gut. Die nach Gewinn strebenden, materialistischen Italiener waren nicht sonderlich beliebt: Die Genuesen hatten eine eigene Kolonie in Galata, einer mit Mauern geschützten Stadt jenseits des Goldenen Horns; die Kolonie der Venezianer galt »als so unverschämt reich und wohlhabend…, dass sie sogar auf die kaiserliche Macht verächtlich herabsehen könnten«.11 Immer wieder erfassten Wellen der Fremdenfeindlichkeit die Stadt; 1171 wurde Galata von den Griechen angegriffen und zerstört. Im Jahr 1183 wurde die gesamte italienische Gemeinde massakriert unter den Augen des byzantinischen Generals Andronikos »des Schrecklichen«.
Im Jahr 1204 führten dieser lange aufgestaute Argwohn und die Gewaltbereitschaft zu einer Katastrophe, welche die Griechen dem katholischen Westen nie verziehen haben. In einer der groteskesten Episoden in der Geschichte des Christentums wurde der Vierte Kreuzzug, der auf venezianischen Schiffen aufgebrochen war und eigentlich nach Ägypten fahren sollte, umgelenkt und griff Konstantinopel an. Drahtzieher dieses Unternehmens war Enrico Dandolo, der wahrscheinlich blinde 80-jährige Doge von Venedig, ein arglistiger und fintenreicher Politiker, der das Unternehmen persönlich leitete. Mit einem Anwärter auf den kaiserlichen Thron an Bord erreichte die gewaltige Flotte im Juni 1203 das Marmarameer; die Kreuzfahrer waren vielleicht selbst verblüfft, als sie anstatt der Küsten Ägyptens Konstantinopel vor dem Bug auftauchen sahen, eine Stadt, die für das Christentum von großer СКАЧАТЬ