Das Fußvolk der "Endlösung". Thomas Sandkühler
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Название: Das Fußvolk der "Endlösung"

Автор: Thomas Sandkühler

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783534746217

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СКАЧАТЬ Diese Aufgabe beschränke sich keineswegs auf Polen, sondern schließe die Umsiedlung der »nichthaltbaren Splitter des deutschen Volkstums« aus ganz Ost- und Südosteuropa ins Reich ein. Im Rahmen dieser Ethnopolitik sollte auch der »Versuch einer Ordnung und Regelung des jüdischen Problems« unternommen werden.18

      Himmler erhielt tags darauf den Auftrag zur »Festigung deutschen Volkstums«. Die Rechtsform dieser Autorisation war bezeichnenderweise ein unveröffentlichter »Führererlass«. Solche Verstöße gegen das rechtsstaatliche Publizitätserfordernis waren bald an der Tagesordnung, besonders in Angelegenheiten, die ideologische Kerninhalte des NS-Staates betrafen. Himmler oblag die »Zurückführung der für die endgültige Heimkehr in das Reich in Betracht kommenden Reichs- und Volksdeutschen im Ausland«, die »Ausschaltung des schädigenden Einflusses von solchen volksfremden Bevölkerungsteilen, die eine Gefahr für das Reich und die deutsche Volksgemeinschaft bedeuten«, sowie die »Gestaltung neuer deutscher Siedlungsgebiete durch Umsiedlung, im besonderen durch Seßhaftmachung der aus dem Ausland heimkehrenden Reichs- und Volksdeutschen.«19 Der SS-Chef legte sich eigenmächtig den klingenden Titel eines »Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums« zu. Er war autorisiert, allen beteiligten Behörden in den vorgenannten Angelegenheiten Weisungen zu erteilen. Auf diese Weise sollte dem SS-Apparat ein maßgeblicher Einfluss auf die Besatzungspolitik in Polen und darüber hinaus gesichert werden.

      Das Reichssicherheitshauptamt erhielt den Auftrag, die baltischen Neuankömmlinge mittels einer »Einwandererzentrale« zu erfassen und in den neuen Reichsgauen auf früher polnischem Staatsgebiet20 anzusiedeln, vorrangig im westpolnischen Warthegau um Posen. Diese Zentralstelle wurde in der Industriestadt Łódź – nunmehr »Litzmannstadt« genannt – eingerichtet.21

      Was das Generalgouvernement anbelangt, erklärte Hitler dem Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, Feldmarschall Keitel, dass in diesem Land »ein niedriger Lebensstandard« fortbestehen solle. Die wichtigste Beute seien Arbeitskräfte.22 Die Durchführung deutscher Besatzungspolitik

      »bedingt einen harten Volkstumskampf, der keine gesetzlichen Bindungen gestattet. Die Methoden werden mit unseren sonstigen Prinzipien unvereinbar sein. […] Alle Ansätze einer Konsolidierung der Verhältnisse in Polen müssen beseitigt werden. Die ›polnische Wirtschaft‹ muß zur Blüte kommen. Die Führung des Gebietes muß es uns ermöglichen, auch das Reichsgebiet« – also nicht nur die neuen Reichsgaue – »von Juden und Polacken zu reinigen. Zusammenarbeit mit neuen Reichsgauen (Posen und Westpreußen) nur für Umsiedlungen. (Vgl. Auftrag Himmler).«23

      Nach dem deutschen Sieg über Frankreich überreichte Himmler seinem Führer eine Denkschrift über die Behandlung der »Fremdvölkischen im Osten«, in der die Grundlagen des »Generalplans Ost« niedergelegt waren. Er wollte den »Völkerbrei« des Generalgouvernements in kleine Splitter zerlegen, die »rassisch Wertvollen« aussieben, die übrigen Ethnien hingegen irgendwie verschwinden lassen. Für die nichtjüdischen Polen empfahl Himmler eine primitive Schulbildung zwecks Erziehung zu Gehorsam, Fleiß und Bravheit. Lesen »halte ich nicht für erforderlich.«24 Hitler fand diese Herabsetzung polnischer Bürger zu Eingeborenen »sehr gut und richtig«.25 Himmler lehnte damals die »Ausrottung eines Volkes« noch als »ungermanisch« ab. Doch ist allein die Tatsache, dass ein solcher Genozid in seiner Denkschrift als Handlungsoption erwogen wurde, ein sicheres Zeichen für die Radikalisierung der Besatzungspolitik auf dem Höhepunkt deutscher Siegestrunkenheit.

      Generalgouverneur Frank betrachtete sich als nur Hitler unterstellt und leitete hieraus eine umfassende Kompetenz für alle Belange der Besatzungsverwaltung ab.26 Unterhalb der »Regierung des Generalgouvernements«, die nach dem herkömmlichen Ressortprinzip gegliedert war, lagen die Distrikte Krakau, Warschau, Radom und Lublin. Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion kam am 1. August 1941 die zuvor sowjetisch besetzte Westukraine als Distrikt Galizien hinzu.27

      Die Distrikte wurden von Gouverneuren regiert, die Frank unmittelbar unterstellt waren. In den Landkreisen und kreisfreien Städten waren Kreis- und Stadthauptmänner, etwa vergleichbar den Landräten im Reich, die Träger und Repräsentanten deutscher Herrschaft.28 Viele Kreishauptmänner betrachteten ihre ausgedehnten Territorien als persönlichen Besitz und brachten den gewünschten »Herrenstandpunkt« dadurch zum Ausdruck, dass sie sich am »fremdvölkischen« Eigentum bereicherten. Die Korruption war im Generalgouvernement endemisch und rief wiederholt den Reichsrechnungshof auf den Plan.29 Die lokale Verwaltung verblieb bei polnischen bzw. (im Distrikt Galizien) mehrheitlich ukrainischen Orts- und Dorfvorstehern, die deutscher Aufsicht unterstanden. Nicht nur auf diesem Gebiet, sondern auch im Polizeiwesen war die Besatzungsverwaltung auf die landeseigene Kollaboration dringend angewiesen.30

      Frank hatte keine Einwände gegen Himmlers und Hitlers Vorhaben.31 Die ›koloniale‹ Verwaltungspraxis sollte durch ein rassistisch abgestuftes Sonderrecht realisiert werden.32 Auch die Absicht der Führung, Polen und Juden zu Hunderttausenden in ›sein‹ Territorium abzuschieben, wurde von Frank zunächst begrüßt.33 Da rechtliche Einschränkungen solcher Politik nicht erwünscht waren, befand sich das Generalgouvernement in einer ungeklärten Zwitterstellung zwischen Annexion und formaler Selbstständigkeit, die in der offiziellen Bezeichnung »Nebenland des Reiches« nur notdürftig überdeckt wurde.34

      1.3.2Der SS- und Polizeiapparat

      Allerdings durchbrach der Polizeiapparat die von Frank nach dem Führerprinzip angestrebte »Einheit der Verwaltung« zunehmend, verstärkt seit Herbst 1941. Man berief sich auf Himmlers Vollmachten und stellte die Kompetenz der Zivilverwaltung in Frage. Ein Höherer SS- und Polizeiführer koordinierte die Tätigkeit der Sicherheitspolizei (einschließlich der für die Judenverfolgung maßgeblichen Gestapo) und der Ordnungspolizei (Schutzpolizei in den Städten, Gendarmerie auf dem Land), die jeweils über eigene Befehlshaber auf der Regierungsebene (Befehlshaber der Sicherheitspolizei, Befehlshaber der Ordnungspolizei) verfügten. In den Distrikten nahmen SS- und Polizeiführer Interessen Himmlers bzw. die des Höheren SS- und Polizeiführers wahr. Kommandeure der Sicherheitspolizei bzw. Kommandeure der Ordnungspolizei befehligten dort die beiden Polizeizweige. Den Kommandeuren der Ordnungspolizei unterstanden neben der Schutzpolizei und der Gendarmerie militärisch organisierte Polizeibataillone, die, wie bereits erwähnt, regelmäßig zur Ermordung von Juden herangezogen wurden. Auf lokaler Ebene blieb die polnische Polizei erhalten.35

      Eine nicht unwesentliche Rolle in der deutschen Besatzungspolitik spielte der ukrainische Nationalismus, der sich unter dem Eindruck der sowjetischen Okkupation Ostgaliziens radikalisierte. Das Ideal einer von Juden und Polen ›gesäuberten‹ Ukraine verband die gewaltbereiten Teile der Organisation Ukrainischer Nationalisten mit den deutschen Intentionen. Ein Ukrainischer Hauptausschuss, offiziell für sozialfürsorgerische und kuturelle Belange dieser Bevölkerungsgruppe im Generalgouvernement zuständig, plädierte für die Aufstellung einer ukrainischen Hilfspolizei in Gebieten mit ukrainischen Bevölkerungsmehrheiten und verband damit inoffiziell die Hofffnung, in der Polizei den Nukleus einer späteren ukrainischen Nationalarmee heranbilden zu können. Die deutsche Polizei kam diesen Wünschen entgegen, weil es ihr an Personal fehlte und der Antisemitismus der Nationalisten willkommen war. Von Ende 1939 bis Mitte 1940 wurden vier ukrainische Polizeischulen in den Distrikten Krakau und Lublin eröffnet, deren Absolventen später den Nukleus der ukrainischen Hilfspolizei im Distrikt Galizien bildeten.36

      Mit dem Höheren SS- und Polizeiführer bis November 1943, Friedrich Wilhelm Krüger, lag Frank im Dauerstreit.37 Formal war Krüger Frank unterstellt; de facto agierte er aber als persönlicher Bevollmächtigter Himmlers.38 Himmlers Untergebene auf Distriktebene, die SS- und Polizeiführer, hatten zum Teil ebenfalls eigene Machtambitionen. Indem Himmler Krüger und die SS- und Polizeiführer zu Beauftragten des Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums ernannte, erhielten sie ein Weisungsrecht in An- und Umsiedlungsangelegenheiten.39 СКАЧАТЬ