Das Fußvolk der "Endlösung". Thomas Sandkühler
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Название: Das Fußvolk der "Endlösung"

Автор: Thomas Sandkühler

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783534746217

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СКАЧАТЬ der Distrikt Lublin spielte, war der dortige SS- und Polizeiführer, SS-Brigadeführer und Generalmajor der Polizei Odilo Globocnik. 1904 als Sohn eines österreichischen Postbeamten und einer Slowenin in Triest geboren, hatte sich Globocnik seit dem Umzug der Familie nach Klagenfurt in der illegalen österreichischen NSDAP betätigt und war schon 1934 der SS beigetreten. Nach dem »Anschluss« Österreichs avancierte Globocnik zum Gauleiter von Wien. Seine steile Parteikarriere endete abrupt 1939, weil Globocnik illegale Devisengeschäfte betrieben sowie NSDAP-Gelder und beschlagnahmtes jüdisches Vermögen veruntreut hatte. Himmler hielt an Globocnik fest und ernannte ihn mit Wirkung vom 9. November 1939 zum SS- und Polizeiführer des Distrikts Lublin.

      Globocnik war ein fanatischer Antisemit und, ungeachtet seiner teils slawischen Herkunft, ein Fanatiker der »deutschen Rasse«. Neben seinen ideologischen Überzeugungen eignete sich Globocnik vor allem deshalb als Himmlers Mann im Osten, weil der vom »Reichsführer« freundschaftlich »Globus« genannte SS-General gigantomanische Pläne für die rassenpolitische Umgestaltung Polens und der Sowjetunion entwickelte. Globocnik machte Himmlers siedlungspolitische Visionen zu praktischer Politik.70

      Diese Pläne verfolgte Globocnik mit krimineller Energie, in der ihn Himmler immer wieder bestärkte.71 Durch seine Immediatstellung zum SS-Chef wuchs Globocnik schnell aus seiner subalternen Position heraus und wurde zu einem der wichtigsten Vordenker und Vollstrecker nationalsozialistischer Vernichtungspolitik.72 Nur der schon erwähnte SS- und Polizeiführer des Distrikts Galizien, SS-Brigadeführer Friedrich Katzmann, erreichte eine annähernd vergleichbare Machtstellung, konnte Globocnik aber intellektuell nicht das Wasser reichen.73

      Der Konflikt zwischen dem Höheren SS- und Polizeiführer Krüger und Hans Frank hatte im Distrikt Lublin seine Entsprechung im Dauerstreit zwischen Globocnik und Gouverneur Ernst Zörner, einem Alt-Parteigenossen, der sich wie Frank wiederholt und weitgehend erfolglos über Globocniks Eigenmächtigkeiten beklagte.74 Im November 1942, als die Juden des Distrikts Lublin bereits weitgehend ermordet waren, befahl Globocnik die »Umsiedlung« der Polen aus dem Kreis Zamość, den Himmler zum ersten deutschen Siedlungsgebiet im Generalgouvernement machen wollte.

      Die brutale Durchführung dieser Aktion glich in mancher Hinsicht der Deportation der Juden. Da die Polen befürchteten, ihnen drohe dasselbe Schicksal, flüchteten sie in die Wälder und verstärkten die Partisanenbewegung, gegen die wiederum Globocnik blutige »Pazifierungen« durchführen ließ.75 Im Mai 1943 wurde Zörner durch Himmlers Schwager Richard Wendler ersetzt.76 Die »Sicherheits«-Lage im Distrikt Lublin war durch Globocniks Alleingänge unterdessen so katastrophal geworden, dass es Frank und Wendler im Juli 1943 durch gemeinsame Anstrengung gelang, Globocniks Ablösung zu erwirken, den nun auch Himmler nicht mehr halten konnte.77 Globocniks Karriere tat dies keinen Abbruch. Er avancierte zum Höheren SS- und Polizeiführer in seinem Geburtsort Triest. Ende Mai 1945 geriet Globocnik in seiner Kärntner Heimat in britische Kriegsgefangenschaft und nahm sich das Leben.78

      2.Die Judenverfolgung im Generalgouvernement (1939 – 1941)

      Die jüdische Minderheit in Zentralpolen war aus deutscher Sicht ein Problem, das nach radikalen »Lösungen« verlangte. Eine wesentliche Rolle bei dieser Radikalisierung spielte die Planung und Durchführung von Massendeportationen jüdischer Männer, Frauen und Kinder ins Generalgouvernement: aus dem »Altreich«, Österreich und dem tschechischen »Protektorat Böhmen und Mähren« einerseits, den soeben annektierten Gebieten Westpolens andererseits. In diesen neuen Reichsgauen sollten, wie schon gesehen, so schnell wie möglich Volksdeutsche aus den neuen sowjetischen Gebieten angesiedelt werden.

      Himmlers Vollmachten als Umsiedlungskommissar gaben den juristischen Rahmen vor. Das Reichssicherheitshauptamt übernahm die Planung, SS und Polizei sorgten für die Durchführung. Allerdings stieß die Deportationspolitik immer wieder an Grenzen. Die Menschenströme aus Westpolen waren mit denjenigen aus dem Warthegau und Westpreußen unzureichend abgestimmt. Auch wurde den deutschen Herrschern im Generalgouvernement bald klar, dass sie ihre Aufgaben nicht erfüllen konnten, wenn immer mehr Polen und Juden in ihr Gebiet abgeschoben wurden. Unter solchen Vorzeichen blühten destruktive Utopien: Zunächst sollte ein »Reservat« in Ostpolen die ersehnte Lösung bringen, dann die Insel Madagaskar, schließlich der schnelle Sieg über die Sowjetunion. Keiner dieser Pläne wurde verwirklicht. Am Ende blieb nur der systematische Massenmord übrig, der seit langem durch die deutschen Akten geisterte. Himmlers ›germanische‹ Einwände gegen die »Ausrottung« der Juden hatten keine Geltung mehr.

      Die »Realisierung des Utopischen«, wie der Historiker Hans Mommsen diesen Vorgang genannt hat, wurzelte in Polen, anders als im besetzten Westeuropa und der UdSSR, im Scheitern gigantomaner Pläne für die SS-Ethnopolitik. Diese beruhten auf der gedanklichen Voraussetzung, dass »den Juden« kein Menschenrecht zustand und es oberste Zielsetzung der Politik sein musste, sie mit welchen Mitteln auch immer aus dem deutschen Machtbereich zu entfernen. Der Antisemitismus war Staatsräson und wurde von weiten Teilen der nichtjüdischen Deutschen akzeptiert, geteilt, durch Handeln beglaubigt. Zweifel an der Richtigkeit judenfeindlicher Politik waren nicht vorgesehen und wurden bestenfalls hinter vorgehaltener Hand geäußert.

      2.1Deportationen und Pläne für ein »Judenreservat«

      Hitler wollte, wie gesehen, »das Reichsgebiet […] von Juden und Polacken […] reinigen.« Im Südosten Polens wollte er ein »Judenreservat« gebildet sehen, in das alle jüdischen Staatsangehörigen Polens, Deutschlands, Österreichs und der Tschechoslowakei deportiert werden sollten. Dieses Abschubgebiet sollte im soeben zu Deutschland gekommenen Lubliner Gebiet entstehen.1

      Das war der Kontext der bereits erfolgten Befehle des Reichssicherheitshauptamts. Heydrich übersandte sie den vier in Polen tätigen Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD am 21. September 1939.2 Er erwähnte ein nicht näher konkretisiertes »Endziel«, zu dessen kurzfristiger Vorbereitung kleinere jüdische Gemeinden in den größeren Städten konzentriert werden sollten. Die Juden sollten registriert und die von ihnen betriebenen Geschäfte »arisiert« werden. Die Durchführung der Registrierung und die Vorbereitung der Umsiedlungen wurde den jüdischen Kultusgemeinden auferlegt. »Jüdische Ältestenräte«, meist Judenräte genannt, wurden Vollzugsorgane deutscher Weisungen. Sie wurden mit härtesten Strafen im Weigerungsfall bedroht.3

      Himmler wollte zu diesem Zeitpunkt nicht weniger als 7 Millionen Polen, Juden und »Zigeuner«, ins Generalgouvernement abschieben lassen, auch aus dem Reich in den Grenzen von 1937. Die mit den sowjetischen Behörden abgestimmte, für Himmlers machtpolitische Stellung bedeutsame Aktion »Heim ins Reich« gab Tempo und Umfang der Deportationen vor. Im Warthegau und Danzig-Westpreußen sollten Deutsche aus dem Baltikum und Wolhynien angesiedelt werden. Man wollte die Umsiedler großzügig mit Land und Höfen versehen, die zuvor polnischen Bauern abgenommen worden waren. Für den Anfang sollten laut Befehl Himmlers 1 Millionen Menschen vertrieben werden, darunter mehr als eine halbe Million Juden aus den deutsch annektierten Gebieten Polens.4

      Die Transporte wurden vom Reichssicherheitshauptamt mit der Reichsbahn abgestimmt und innerhalb des Generalgouvernements vom Höheren SS- und Polizeiführer koordiniert, der dem Befehlshaber der Sicherheitspolizei die Verteilung auf die Distrikte übertrug.5 Begleitmannschaften für die Transporte stellte der Volksdeutsche Selbstschutz, Globocniks Terrortruppe.6

      Heydrichs Untergebener Adolf Eichmann hielt unterdessen Ausschau nach einem geeigneten Territorium für das »Judenreservat«. In der Kleinstadt Nisko am San wurde ein provisorisches Durchgangslager für die Neuankömmlinge errichtet. Von dort sollten sie über den Fluss ins Lubliner Gebiet abgeschoben werden. Zwischen Himmler, Frank und dessen damaligem Stellvertreter, dem österreichischen NSDAP-Funktionär Arthur Seyß-Inquart, bestand СКАЧАТЬ