Indisches Drama. Hilde Link
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Название: Indisches Drama

Автор: Hilde Link

Издательство: Автор

Жанр: Культурология

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isbn: 9783496030379

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СКАЧАТЬ eilig in meinen Rucksack und deponierte ihn zusammen mit dem Einkauf von gestern in Rays Zimmer.

      Ich musste umgehend diesen Ort verlassen, verabschiedete mich von Ray und eilte in die Rue La Bourdonnais. Hoffentlich war Rebecca nicht wieder im Verwandlungs-Yoga versunken. Ich klopfte, wie gestern Konrad, mit dem Vorhängeschloss an das Gittertor. Diesmal kam nicht Aaya, sondern eine jugendlich wirkende, schön geschminkte Frau mit zurückgebundenen Haaren, weißer Hose und weißem ärmellosen T-Shirt ans Tor.

      „Forever young! I want to be forever young! Do you really want to live forever, forever, forever young...“, trällerte die tänzelnd daherkommende Rebecca und schwang den Schlüssel über dem Kopf.

      Ohne irgendwelche Höflichkeitsfloskeln bat ich nach einer Begrüßung, bei der mich Rebecca wie ihre liebste Freundin in die Arme schloss, dass wir doch bitte gleich zu Herrn Marcel gehen sollten wegen des Vertrages, und fragte, ob ich schon diese Nacht hier schlafen könne. Rebecca bestand auf einer Tasse Tee und der gemeinsamen Besichtigung des Hauses. Mir war alles recht, Hauptsache ich musste nicht noch eine Nacht in diesem Gästehaus zubringen. Das mit dem Tee war eine gute Idee. So hatte ich Gelegenheit, Rebecca von dem Mord in meinem Zimmer zu erzählen. Ach Gott ja, Morde kämen hier in Pondicherry ständig vor. Erst vor ein paar Tagen sei der Sohn vom Copyshop-Besitzer ein paar Häuser weiter umgebracht worden, tja, Gewalt an allen Ecken und Enden hier in Indien, aber die Seele sei ja zum Glück unsterblich. Rebecca wusste aufgebrachte Gemüter zu besänftigen.

      Eingedenk der unsterblichen Seele zeigte mir Rebecca das Haus. Alle Räume weiß, die Halle weiß, der Schlafraum weiß, das Bad weiß, die Veranda weiß, die Küche weiß, das Arbeitszimmer weiß. Sogar die Fußböden waren weiß lackiert, alle Möbel weiß gestrichen. Weiß, weiß, weiß, wohin man schaute. Allein der kleine mit Ziegelsteinen bepflasterte Hof war nicht weiß, die Bananenstaude dort auch nicht.

      Ich konnte gar nicht fassen, dass ich das alles für umgerechnet zweihundert Mark im Monat mieten konnte. Plötzlich beschlich mich die Angst, Rebecca könnte sich mit den Geistern im Haus versöhnt haben und nun doch nicht ausziehen, Vertrag hin oder her. Ich drängelte, dass wir gleich zum Vermieter gehen sollten. Monsieur Marcel, ein Indo-Franzose, hatte ein Reisebüro am Ende unserer Straße gegenüber einer Dependance der Pondicherry University. Er war nicht schlecht erstaunt über unseren eigenmächtig abgeschlossenen Vertrag, war aber froh, dass wieder eine deutsche Frau das Haus übernehmen würde. Deutsche sind sauber und fleißig, das wisse er, weil er zwanzig Jahre lang in Paris gelebt hatte und auch schon mal in Deutschland gewesen ist. Ich bezahlte die Kaution und drei Monatsmieten. Wie gut, dass mir die Universitäts-Amtskasse in München einen ordentlichen Vorschuss in bar ausbezahlt hatte. Monsieur Marcel steckte das Geld in seine Brieftasche, stand auf und wünschte mir in dem Haus viel Glück. Vor Freude hätte ich am liebsten, stellvertretend für die ganze Welt, meinen neuen Vermieter umarmt.

      Noch am selben Tag konnte ich mit Rays tatkräftiger Hilfe in das Haus einziehen. Er montierte Lampen, befestigte die Moskitonetze über den Betten, spannte die Leintücher über die Matratzen, die er zuvor ins Haus geschleppt hatte, während ich die Töpfe und das Geschirr einräumte. In kürzester Zeit war alles fertig. Wenn alles gut ging, sollten Manuel und die Kinder in drei Tagen da sein. Bis dahin kauften Ray und ich gemeinsam ein, ich kochte, er deckte den Tisch und wusch das Geschirr ab. Aaya hatte ein paar Tage frei genommen. Allein die Tatsache, dass Ray nach dem Abendessen in das Gästehaus ging, unterschied uns von einem Ehepaar, das seit dreißig Jahren verheiratet ist.

      Der Tag kam, an dem Manuel und unsere beiden Töchter eintrafen. Ray und ich saßen gerade beim Abendessen. Ganz schwindelig vor Glück umarmte ich als Erstes die Kinder. Derweil machten sich der Hausherr und der Eindringling miteinander bekannt. Ray steuerte im allgemeinen Tumult der Wiedersehensfreude dem Tor zu, um einfach zu verschwinden. Ich eilte ihm hinterher und konnte wegen meiner eigenen Gemütsverfassung gar nicht nachempfinden, dass Ray traurig war, so traurig, dass er weinte. Wir umarmten uns kurz, und ich flüsterte ihm ins Ohr: „Danke für alles. Lass die Sonne nicht untergehen, Sunray.“

      Der Beseitiger aller Hindernisse

      Wie das so ist, wenn man sich eine Weile nicht gesehen hat, sind die ersten vier Tage und Nächte immer voll des reinen Glücks. Zwar waren Manuel, die Kinder und ich nur insgesamt zehn Tage voneinander getrennt, aber trotzdem. Es waren uns vier Tage vergönnt, in denen alles, aber auch alles, wunderbar war.

      Die Kinder tanzten in der großen Halle herum und sangen dazu Lieder, die man ihnen in der Waldorfschule reichlich beigebracht hatte, sie bastelten mit Naturmaterialien, die sie im Garten fanden. Entzückend! Manuel und ich tranken Unmengen von Tee und wurden nicht müde, die kleinen Kunstwerke unserer Töchter und das herrliche Haus zu bewundern und unserem Gott zu danken, dass er alles so wunderbar gefügt hatte.

      Zwischen zwei Teepausen präsentierten wir uns unserem Nachbarn, Herrn Shubash, als die nette Familie von nebenan. „Shubash“ heißt auf Sanskrit „der Gute“. Nomen est Omen, und deshalb würde ich persönlich so nicht heißen wollen, denn immerzu gut sein müssen wäre mir zu anstrengend. Herr Shubash war einer der wunderbarsten Menschen, denen ich in meinem Leben je begegnet bin. Er war von einer Gelassenheit, einer Freude, einer Ruhe, einer Spiritualität, ach was soll ich sagen! An einem Nachmittag zeigte uns Herr Shubash, was er in der anderen Haushälfte macht: Er kreierte auf kostbaren weißen Seidensaris Designs mit Blüten und Blättern, die durch bestimmte Techniken und Farben die wunderschönsten Muster ergaben. Manuel war begeistert, geradezu ergriffen, wie ein Mensch sein Leben so ausschließlich und bedingungslos der Kunst widmet. Bestimmt hatte Herr Shubash bei seinem Aufnahmegespräch in den Ashram gesagt, dass er unter keinen Umständen Saris gestalten wolle.

      Nach einer Woche begann Aaya ihren Dienst. An diesem Tag erlitt ich einen Schock. Dieser bestand darin, dass ich rein gar nichts von dem verstand, was sie sagte. Zuerst dachte ich noch, naja, jemand der aus dem Slum kommt, der spricht eben einen unverständlichen Dialekt. Das allein ist ja noch nicht schlimm und bewegt sich im Rahmen des Normalen. Allerdings war ich blitzschnell zu der Erkenntnis gelangt, und das ist der eigentliche Schock, dass ich einfach rein gar nichts konnte, außer „vanakkam“ (guten Tag, willkommen) sagen, und das, obwohl ich eifrig zwei Semester am Institut für Indologie und Iranistik in München Tamil gelernt zu haben glaubte.

      Wer in der Ethnologie einen Antrag bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft für ein Projekt im Ausland stellt, muss nachweisen, dass er die entsprechende Verkehrssprache kann. Logisch. Schließlich will man sich ja mit den Leuten unterhalten können und in meinem Falle sogar ganze Schauspiele kapieren. Also belegte ich einen Tamil-Kurs bei Herrn Dr. Huber. Schon nach zwei Unterrichtsstunden war ich seine einzige Schülerin, die anderen beiden lernten lieber Tibeti, das Herr Huber auch unterrichtet hat, ebenso wie Sanskrit, Nepali und Hindi. Herr Huber hatte ein Hobby, dem er sich mit großer Hingabe in jeder freien Minute gewidmet hat, nämlich Tamil. Diese Sprache ist selbst für einen außergewöhnlich Sprachbegabten, der Herr Huber zweifelsohne ist, eine Herausforderung. Denn Tamil ist eine drawidische Sprache und nur etwas für masochistisch veranlagte Linguisten. Herr Huber fühlte sich zu ihr hingezogen. Er kam aus Dresden und hatte selbst nie Tamil mit einem Lehrer gelernt, geschweige denn je jemanden in dieser Sprache sprechen hören. Gemeinsam mit seinem Russisch-Tamil/Tamil-Russisch-Lexikon arbeitete er sich wacker durch die Lektionen seines englischsprachigen Lehrbuchs, das er seinerzeit auf einem Flohmarkt erworben hatte. Ich wusste zwar, das hatte er mir ganz klar gesagt, dass zwischen dem literarischen und dem gesprochenen Tamil ein Unterschied besteht, aber ich dachte mir, ach was, der wird schlimmstenfalls so sein wie zwischen Latein und Italienisch. Wer Latein kann, versteht auch Italienisch, was ja so etwas wie ein verdorbenes Latein ist, wie mein Doktorvater, Prof. Vajda, immer sagte.

      Immer am Freitagnachmittag um drei, sowohl Herr Huber als auch ich waren bereits in Feierabend-Stimmung, machten wir uns im Münchener Institut für Indologie fröhlich ans Werk. Der Kurs begann deshalb um drei Uhr, weil mein Lehrer da sein Schönheitsschläfchen beendet hatte. Zu diesem Zweck hatte СКАЧАТЬ