Название: Begegnungen mit Bismarck
Автор: Robert von Keudell
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783806242683
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Biarrits, 24. Oktober.
… Leider bleibt Biarrits nicht ohne Wolkenschatten – sowohl äußere als innere. Wir haben wunderschöne Tage gehabt und bei 21 Grad Wärme im Schatten eine Partie nach St. Jean de Luce gemacht – reizende Fahrt zwischen dem Meer und den Pyrenäen. Auch sonst hatten wir wohl schöne Tage und Stunden, aber doch viel Regen dazwischen, fast täglich. Und wenn der Himmel grau darein scheint, so macht das den Menschen melancholisch, mich wenigstens, die ich von je her ziemlich wetterlaunisch war. Wenn nun noch dazu der Athem fehlt und man bei jedem kleinen Hügel in keuchenden Zustand geräth, so kann man hier nicht sehr glücklich sein und sehnt sich zurück ins eigene Nest. Das sollte man eigentlich gar nicht verlassen, wenn man sich elend fühlt. Meine Hauptfreude sind die guten Briefe von Reinfeld und Bismarcks Wohlbefinden; gottlob er ist wieder recht gestärkt und erfrischt durch Bäder und Luft … Sehnsucht nach Menschenamüsement hatten wir nicht, da unsre Zeit ganz ausgefüllt war, im Zimmer mit Schreiben und Lesen, draußen – was wir doch so viel wie möglich genossen – mit Anschauen des Meeres und des köstlichen Gebirges, welches ja immer neu ist und immer lieber wird, je öfter man es betrachtet mit seiner wechselnden Farbenpracht.
… Savignys waren vierzehn Tage hier, sehr angenehm, wie immer; seit vorgestern sind sie fort. Orloffs sind nicht gekommen, weil sie aus Angst vor der Cholera Frankreich meiden und an englischer Küste baden wollten. Wir haben das etwas übelgenommen und mucken jetzt mit ihnen …
Ueber Friedland38 hat Bismarck viel an Thile geschrieben, der Ihnen wohl weitere Mittheilung machen wird. Bismarck gab mir den Brief von Thile zu lesen, der mir so sehr gefiel in seinem urgemüthvollen Ton, daß ich ihn noch um 20 Grad wärmer liebe wie schon bisher. Was ist’s doch für eine Freude, wenn man unter der Masse gleichgültiger, langweiliger, falscher Kreaturen einem solchen Menschen begegnet mit so kerngesundem Herzen und so aufrichtig treuer Gesinnung. Bitte, grüßen Sie sehr herzlich ihn, auch Lulu, Loeper und Wolff39, wenn Sie sie sehen …
Biarrits, 29. Oktober 65.
Nun heißt’s „Biarrits ade!“ und Mariechen fügt in großen Mollakkorden hinzu „Scheiden thut weh“. Sie wäre so maßlos glücklich hier, daß sie Homburgs nie mehr gedachte, und hätte ich einen Funken Lust empfunden, den Winter hier zu bleiben, sie wäre mit Wonne dazu bereit gewesen. Ich aber bin glücklich bei dem Gedanken an die Heimkehr und segelte am liebsten ohne Aufenthalt fort und fort, um so bald wie möglich zu Hause zu sein …
Gestern und vorgestern hat’s noch gewaltig gestürmt, so daß die Fenster klirrten und man oft fürchten konnte, mit dem ganzen Hause ins Meer gestürzt zu werden. Und am Morgen war dies aufgeregte Meer, so weit man sehen konnte, wie eine weiße Schneefläche – und wenn der Schaum haushoch (nicht Redensart, sondern Wahrheit) aufspritzte, so schillerte er im hellen Sonnenschein in vielen Regenbogenfarben, und wenn er niederfiel, so jagte ihn der Sturm in großen Flocken wie weiße Tauben weit ins Land hinein. Sie können sich keine Vorstellung machen von dieser Pracht, von der man ganz überwältigt wurde. Und von dem Anblick konnte man sich gar nicht trennen, obgleich man so zerweht und zerzaust wurde, daß man zuletzt frappante Aehnlichkeit mit den Blocksbergbewohnern hatte.
… Uebermorgen nehmen wir nun Abschied von diesem Wunderland, wie Moritz40 es nennt, und gehen mit kleinem Umweg über Pau nach Paris … Bismarck grüßt und wird von Paris über die Zeit der Ankunft in Berlin telegraphieren lassen.“
* * *
Auf holsteinischem Boden sollten nun zum zweiten Mal scheinbar unbedeutende Vorgänge den verhängnisvollen Konflikt vorbereiten.
In Salzburg hatte Graf Moritz Esterhazy geäußert, nach der Gasteiner Konvention könne der Erbprinz von Augustenburg natürlich nur als Privatmann sich in Schleswig-Holstein aufhalten. Manteuffel konnte daher berichten, daß der Gouverneur, Feldmarschallleutnant Freiherr von Gablenz, demselben in Kiel eine entsprechende mündliche Mitteilung gemacht und ihm die königliche Loge im Theater entzogen habe, um sie sich als dem Vertreter des Landesherrn vorzubehalten. Er verbot auch den Zeitungen, ihn als Herzog Friedrich VIII. zu bezeichnen, mahnte sie zur Mäßigung bei Besprechungen der preußischen Politik und warnte gelegentlich vor irgendwelchen öffentlichen Demonstrationen gegen die bestehende Landeshoheit der verbündeten Monarchen. Die sogenannte „herzogliche Landesregierung“ aber, das Kollegium augustenburgischer Beamten, ließ er bestehen und in der bisherigen Weise verwalten, so daß die Zustände im Wesentlichen unverändert blieben. Die Bevölkerung erholte sich bald von dem Schrecken der Gasteiner Konvention und fuhr fort, auf dereinstige Einsetzung des Herzogs durch Oesterreich und den Bund zu hoffen.
Mit Manteuffel trat Gablenz in kameradschaftlichen Verkehr. Mehrere Wochen blieben sie in leidlichem Einvernehmen. Dann aber wurden bei Gelegenheit einer Reise der Frau Erbprinzessin von Altona nach Kiel auf allen Bahnhöfen öffentliche Demonstrationen veranstaltet, welche sie als Gemahlin des Landesherrn ehren sollten, ohne daß dagegen etwas geschah.
Manteuffel speiste bald darauf in Kiel bei Gablenz und hatte eingehende Unterredungen mit ihm wie mit seinem Civilbegleiter, Baron Hofmann.
Nach beider vertraulichen Mitteilungen hatte man in Wien die von Preußen für Erwerbung der Herzogtümer angebotene Geldabfindung definitiv abgelehnt. Man glaubte dort auch zu wissen, daß Preußen noch weitere Pläne habe und die volle Herrschaft in Deutschland auf Kosten Oesterreichs anstrebe. Die augustenburgische Gesinnung der Bevölkerung sei daher zu pflegen, damit man den Pfandbesitz an Holstein zu geeigneter Zeit verwerten und unter Umständen den Erbprinzen als Herzog einsetzen könne. Die Stimmung in Wien sei gereizter gegen Preußen als vor Gastein; man scheue einen Krieg nicht mehr, da es sich um Behauptung der deutschen Stellung des Reiches handele.
Als ich den bezüglichen Bericht Manteuffels las, mußte ich denken, daß die in Wien eingetretene Wandelung wohl durch Mitteilungen des österreichisch gesinnten Ministers Drouyn de Lhuys hervorgerufen worden war.
In Frankreich mußte Bismarck seine Zukunftspläne andeuten, um einer plötzlichen Störung ihrer Ausführung nach Möglichkeit vorzubeugen; in Oesterreich aber hatte er nie darüber gesprochen. Es war daher natürlich, daß die Nachricht, er beabsichtige, die preußische Politik von 1849 wieder aufzunehmen, die österreichischen Minister in heftige Erregung versetzte41.
Ob die Thatsache einer bezüglichen Mitteilung von Drouyn de Lhuys an Metternich dereinst durch ein Aktenstück des Wiener Staatsarchivs bestätigt werden wird, bleibt abzuwarten.
Nach der erwähnten Unterredung mit Gablenz beantragte Manteuffel, früher der wärmste Anhänger der österreichischen Allianz, in mehreren Berichten, von der österreichischen Regierung die Entfernung des Erbprinzen zu verlangen und die Frage zu stellen, ob man mit Augustenburg oder mit Preußen brechen wolle. Der König billigte diese Auffassung und gewöhnte sich mit blutendem Herzen allmählich an den Gedanken eines Bruchs.
Ein neues Aergernis brachte der 23. Januar 1866. In Altona versammelten sich etwa 4000 Männer aus den Herzogtümern und einige süddeutsche Demokraten unter freiem Himmel, beschimpften vielfach die preußische Regierung, verlangten die Einberufung der holsteinischen Stände und brachten ein donnerndes Hoch „dem geliebten Landesherrn Friedrich VIII.“ Dergleichen war selbst von dem gut augustenburgisch gesinnten Baron Halbhuber nicht geduldet worden.
Am 26. Januar sandte Bismarck an Werther einen ausführlichen Erlaß, in welchem die in den letzten Wochen schon mehrmals eingehend begründeten Beschwerden zusammengefaßt wurden. In Gastein sei man übereingekommen, revolutionäre, beide Kronen bedrohende Tendenzen zu bekämpfen. Demnach hätten vor wenigen Monaten beide Mächte den Frankfurter Senat wegen Duldung einer revolutionären Versammlung verwarnt. Nun aber habe unter dem Schutze des österreichischen Doppeladlers in Altona eine gleichartige Volksversammlung getagt. Preußen СКАЧАТЬ