Название: Begegnungen mit Bismarck
Автор: Robert von Keudell
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783806242683
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Zwei Tage später wurde in Altona der Redakteur der Schleswig-Holsteinischen Zeitung, ein preußischer Unterthan Namens May, wegen der strafbaren Angriffe seiner Zeitung auf den König von einer preußischen Patrouille gefangen genommen und nach der Festung Rendsburg abgeführt. Gegen dieses Verfahren protestierten die Kieler Landesregierung und Baron Halbhuber. Briefe, welche den Letzteren kompromittierten, wurden unter Mays Papieren gefunden.
In Wien war inzwischen eine seit längerer Zeit vorbereitete vollständige Wandlung der inneren Politik durch einen Ministerwechsel zum Ausdruck gekommen. Nur Graf Mensdorff, der Kriegsminister und Graf Moritz Esterhazy blieben davon unberührt; aber Herr von Schmerling, der Leiter der liberalen inneren Politik, und seine gleichgesinnten Kollegen wurden entlassen. Schmerling hatte zwar einige Jahre hindurch das Parlament mit ungewöhnlichem Geschick geleitet, vermochte aber zuletzt weder das stetig wachsende Deficit im Staatshaushalt zu beseitigen noch wiederholte Abstriche unerläßlicher Forderungen im Militäretat zu verhindern. Auch sein Verhalten gegen die grollenden Ungarn führte nicht zu annehmbaren Ergebnissen; seine Stellung wurde unhaltbar.
Schmerling war in Uebereinstimmung mit Biegeleben und mit der großen Mehrzahl seiner Landsleute von dem Gedanken Schwarzenbergs erfüllt, daß zum Gedeihen des Reiches die Niederhaltung Preußens notwendig sei.
Diese Denkweise war ein natürliches Ergebnis der Vorgänge von 1849 und 1850. Das Frankfurter Parlament hatte die durch Jahrhunderte von den Beherrschern Oesterreichs getragene deutsche Kaiserkrone dem König von Preußen angeboten und dieser hatte daraus ein Anrecht auf die „Unionspolitik“ hergeleitet. Die Erhaltung der Präsidialstellung Oesterreichs im Deutschen Bunde, des letzten Restes des ehemaligen Kaisertums, lag jedem Deutsch-Oesterreicher am Herzen. Man hatte 1850 den Nebenbuhler gedemütigt und man durfte ihn doch nicht mächtig genug werden lassen, um wieder eine Unionspolitik einzuleiten.
Die Mittelstaaten hatten sich im Jahre 1850 als die natürlichen Bundesgenossen erwiesen, in Frankfurt die Präsidialmacht bis 1863 konsequent unterstützt und durch ihre Bestrebungen für Augustenburg die öffentliche Meinung in Oesterreich derselben Richtung zugeführt.
Es ist erstaunlich, daß inmitten dieser Strömungen der ihn umgebenden politischen Welt Graf Rechberg vermocht hat, eine Zeit lang die preußische Politik zu fördern. Von allen Seiten gedrängt, mußte er jedoch schon im Mai 1864 wieder in mittelstaatliche Bahnen einlenken. Nach seinem Sturze dominierte Schmerlings und Biegelebens Einfluß.
Als nun Schmerling fiel, wurde mit dessen innerer Politik von dem Ministerium des Grafen Belcredi vollständig gebrochen, nach kurzer Zeit sogar die Verfassung suspendiert. Rückwirkungen dieses Bruches traten auch in der Gestaltung des Verhältnisses zu Preußen hervor.
Der eigentliche Leiter des neuen Ministeriums, Graf Moritz Esterhazy, stand in enger Fühlung mit den ungarischen Magnaten, haßte die liberalen Deutsch-Oesterreicher wie die liberalen Regierungen und Landtage der Mittelstaaten und hielt für ratsam, mit dem konservativen Preußen eine Verständigung zu suchen. Die öffentliche Meinung verlangte zwar den Krieg, da der preußische Uebermut unerträglich wäre; Esterhazy aber erkannte klar, daß augenblicklich aus militärischen und finanziellen Gründen ein großer Krieg mit Aussicht auf Erfolg nicht unternommen werden konnte. Er begrüßte daher als willkommenes Auskunftsmittel den von dem Gesandten in München, Grafen Blome, ihm nahegelegten Gedanken, die gemeinschaftliche Verwaltung in Schleswig-Holstein zu teilen.
Graf Blome, ein geborener Holsteiner, war wie fast alle holsteinischen Edelleute ein Gegner Angustenburgs und der mittelstaatlichen Politik. Er wurde als der verheißene Vertrauensmann nach Gastein geschickt. Nach längeren, durch eine Reise nach Wien unterbrochenen und vor Biegeleben sorgfältig geheim gehaltenen Verhandlungen kam am 14. August der vielgeschmähte Gasteiner Vertrag zustande. „Unbeschadet der Fortdauer der durch den Artikel III des Wiener Friedenstraktats vom 30. Oktober 1864 gemeinsam erworbenen Rechte beider Mächte an der Gesamtheit der Herzogtümer“, sollte die Ausübung derselben in Schleswig Preußen, in Holstein Oesterreich zustehen, in Rendsburg alternierende Besatzung stattfinden, der Kieler Hafen an Preußen allein überlassen, die Anlegung eines Nord-Ostsee-Kanals durch Holstein gestattet und endlich das Herzogtum Lauenburg dem Könige von Preußen für 2 Millionen dänischer Thaler verkauft werden.
Bismarck hatte sich zu diesen Abmachungen nicht gerade gern entschlossen, wenn es ihm auch gelungen war, den Entwurf Blomes im Einzelnen günstiger für uns zu gestalten. Aber eine für den Kriegsfall erwartete Hilfe blieb aus und eine unerwartete Gefahr zeigte sich. Früher hatte Nigra, damals italienischer Gesandter in Paris, mehrfach ausgesprochen, ein preußisch-österreichischer Krieg würde unfehlbar von einem italienischen Angriff auf Venetien begleitet werden; dieselbe Ansicht hatte auch Usedom vertreten, jetzt aber wollte der mißtrauische Ministerpräsident La Marmora keinerlei Zusage geben. Und in Paris hatte Goltz trotz mancher früheren Sympathieäußerungen eine Zusicherung eventueller Neutralität nicht zu erlangen vermocht; man mußte daher auf eine französische Intervention gefaßt sein. Diese in Gastein ankommenden Nachrichten trugen dazu bei, daß Bismarck sich entschloß, dem Könige die Annahme des Vertrages anzuraten, welcher, wie der Minister sich ausdrückte, „die Risse im Bau noch einmal verkleben“ konnte und jedenfalls den Vorteil darbot, daß Oesterreich sich darin wieder auf die Grundlage des Wiener Friedens stellte. Die wiederholte Betonung der erworbenen Souveränitätsrechte beider Verbündeten schloß Anerkennung von Ansprüchen anderer Prätendenten aus und bedeutete demnach Aufgeben der im letzten Jahre in Gemeinschaft mit den Mittelstaaten befolgten Politik.
Erwünscht schien auch, daß der Verkauf des Anrechtes an Lauenburg hoffen ließ, Oesterreich würde in Zukunft dem Verkaufe seiner Rechte an Holstein sich weniger abgeneigt zeigen als bisher.
Zufällig kam am Tage der Unterzeichnung des Vertrages Beust nach Gastein, der leidenschaftlichste Führer mittelstaatlicher Politik. Am 17. August diktierte Bismarck in übermütiger Laune für das Auswärtige Amt folgende Mitteilung, welche einer zum Eingehen auf diesen Scherz bereiten Zeitung zugehen sollte:
„Herr von Beust ist am 14. August in Gastein angekommen, kurz vor der auf den 15. angesetzten Abreise des Grafen Blome. Dem Vernehmen nach war es wesentlich der versöhnlichen Einwirkung des sächsischen Ministers zu danken, daß die bereits gescheiterten Verhandlungen zwischen Bismarck und Blome in der letzten Stunde wieder ausgenommen und befriedigend abgeschlossen wurden. Man hat in Preußen Herrn von Beust doch wohl unterschätzt und für zu leidenschaftlich und einseitig angustenburgisch gehalten; bei dieser Gelegenheit hat er sich als ein weitblickender, vorurteilsfreier Politiker bewährt.“
Beim Bekanntwerden des Gasteiner Vertrages wurde fast überall, in Deutschland wie in Oesterreich, die Meinung laut, daß Preußen gesiegt und Oesterreich durch den augenscheinlichen Abfall von den Mittelstaaten wie auch durch den Verkauf von Lauenburg Demütigungen erlitten habe. Bayern und Sachsen hatten aus Rücksicht für Oesterreich gezögert, dem Zollvereinsvertrage mit Italien beizutreten und das junge Königreich anzuerkennen; beide Staaten aber trafen nun sofort die hierzu erforderlichen Einleitungen. Der Gasteiner Vertrag bewirkte, daß Italien vor dem Jahresschluß von allen deutschen Staaten anerkannt wurde mit Ausnahme von zweien, denen nur noch eine kurze Lebensdauer bestimmt war, nämlich Hannover und Nassau.
Als am 18. August Bismarck mit Abeken und mir im offenen Wagen auf dem Wege nach Salzburg durch das grüne Thal von Hofgastein fuhr, sagte er: „Wenn ich es noch erlebe, daß in Kiel ein preußischer Oberpräsident sitzt, will ich mich auch nie mehr über den Dienst ärgern.“
Ich sprach die Hoffnung aus, später einmal an diese Worte erinnern zu dürfen.
Nach einiger Zeit sagte er: „Faust klagt über die zwei Seelen in seiner Brust; ich beherberge aber eine ganze Menge, die sich zanken. Es СКАЧАТЬ