Название: Begegnungen mit Bismarck
Автор: Robert von Keudell
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783806242683
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„Zu erfinden, zu beschließen,
Bleibe, Künstler, oft allein.“
Bismarcks Künstlernatur forderte einsames Schaffen. Sein überreicher Geist bot ihm für jedes Problem verschiedene Wege der Erfindung und des Rats. In der heißen Glut seiner Vaterlandsliebe schmolzen auch spröde Stoffe, so daß er sie kneten und formen konnte. Bei dieser rastlosen inneren Arbeit war ihm der Rat anderer Menschen unwillkommene Störung. Immer bestrebt, zu lernen, nahm er thatsächliche Mitteilungen gern entgegen, ließ auch die täglich durch Menschenverkehr, Geschäfte und Presse herantretenden Eindrücke unbefangen auf sich wirken, verhielt sich aber kritisch oder ablehnend, wenn irgendjemand Rat zu geben versuchte. In Kleinigkeiten konnte er auch fremde Gedanken gelegentlich benutzen; so ließ er in Abekens Entwürfen manche nicht von ihm angegebene Nebengedanken desselben gelten; in den wesentlichen Zügen aber wie in allen wichtigen Fragen kam das fast niemals vor. Nur eines solchen Falles kann ich mich erinnern. Im Jahre 1871 bei Vorbereitung der preußischen Kreisordnung geschah es, daß er einige Vorschläge, die Gneist ihm abends in seinem Kabinett unterbreitete, guthieß und in amtliche Behandlung nahm.
Seine Ziele waren, wie bekannt, anfangs die Sicherung und Erhöhung der preußischen Macht, dann die Gründung eines norddeutschen Bundesstaates.
Für jede der tausendfachen Aufgaben, die auf den Wegen dahin herantraten, fand er mehrere Lösungen. Hatte er darunter gewählt, was oft in wenigen Minuten, manchmal aber erst nach jahrelanger Ueberlegung geschah, so mußte er in den meisten Fällen seine Ansicht dem Könige annehmbar zu machen versuchen, in anderen, weniger häufigen seine Kollegen, die Staatsminister, von der Richtigkeit seiner Auffassung überzeugen.
Die in jenen Jahren tägliche Wiederkehr der mündlichen Vorträge beim Könige erleichterte sehr, daß etwa hervortretende Gegensätze der Anschauungen sich ausglichen. Gewöhnlich war ihm die Stunde von 4 bis 5 Uhr, in der er dem schwärmerisch verehrten Herrn vorzutragen pflegte, die erfreulichste des Geschäftstages. Dennoch kam es, wie bekannt, mitunter zu ernsten Friktionen. In seltenen Fällen lehnte der König seine Anträge völlig ab wie in der erwähnten Frage der Ablösung persönlichen Militärdienstes durch Stellvertretungsgelder. Häufig aber kam es vor, daß der König seinem Antrag eine etwas veränderte Richtung gab. Bismarck brauchte mitunter das Bild, es sei durch die Einwirkung des königlichen Willens auf den seinigen wie im Parallelogramme der Kräfte die praktisch richtige Diagonale gefunden worden. Wäre es möglich, derartige Thatsachen nachträglich festzustellen, so würde vermutlich meine Meinung sich als richtig erweisen, daß der Einfluß Seiner Majestät auf Bismarcks politische Entschlüsse ein viel bedeutenderer gewesen ist, als von vielen angenommen wird.
Widerspruch seiner Kollegen im Staatsministerium war ihm äußerst unerfreulich. Vielerfahrene Sachverständige zu überzeugen ist schwierig; darüber hat er oft geklagt. Die kollegialische Verfassung des preußischen Staatsministeriums, in welchem Stimmenmehrheit entschied, war ihm ein Gräuel. Er hätte in allen Staatsgeschäften zu seiner Hilfe nur Sekretäre gewünscht, wie es seine vortragenden Räte thatsächlich waren. Die Opposition des Landtages war ihm natürlich auch unangenehm, verstimmte ihn aber, wie mir schien, lange nicht so sehr wie die der Minister.
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Als am 9. April 1866 in Frankfurt der Antrag auf ein deutsches Parlament eingebracht wurde, lag noch kein Bundesverfassungsentwurf vor. Bismarck sah voraus, daß Verhandlungen über einen solchen am Bundestage nie zu Ende kommen würden, und machte deshalb zuerst nur den Vorschlag, sogleich einen festen Termin für die Einberufung des Parlaments zu beschließen. Erst auf Bitten vonseiten befreundeter Höfe ermächtigte er Savigny, in der Bundesversammlung am 11. Mai mündlich einige Grundzüge der künftigen Bundesverfassung mitzuteilen. Die Mäßigung in diesen Andeutungen ging so weit, daß eines künftigen Bundesoberhauptes gar keine Erwähnung geschah. Savignys Mitteilungen machten einen so günstigen Eindruck, daß man trotz des Widerspruches von Oesterreich und Darmstadt beschloß, neue Instruktionen einzuholen.
Im April wurde der preußische Antrag auf Einberufung eines deutschen Parlamentes fast überall mit Mißtrauen und Hohn begrüßt. Nur die zweite Kammer Badens erklärte sich einverstanden. Aber beispielsweise die in Neumünster versammelten Ausschüsse schleswig-holsteinischer Vereine weissagten wörtlich: „Es steht fest, daß ein Gewährenlassen der verabscheuungswürdigen Politik des preußischen Kabinetts Deutschland unrettbar dem tiefsten Verfall preisgeben würde.“
An der Pariser Börse gab es Panik und starke Verluste einflußreicher Leute. Allgemein wurde nicht Oesterreich, welches die Rüstungen begonnen hatte, sondern Preußen, welches den Status quo verändern wollte, als der Störenfried angeklagt, und wohl mit Grund. Als Goltz wegen einer möglichen Aenderung unserer Politik anfragte, antwortete Bismarck, es wäre höchst bedenklich, Systeme und Ziele willkürlich zu wechseln, besonders aber, Entschließungen, deren Durchführung mit Gefahren verknüpft sei, bei Annäherung der Gefahr wieder aufzugeben.
Nach dem ersten bescheidenen Anfang unserer am 27. März beschlossenen Rüstungsmaßregeln wurde von Oesterreich eine Korrespondenz wegen beiderseitiger Abrüstung eingeleitet. Eine der bezüglichen Depeschen (vom 7. April) war inhaltlich so wenig begründet und in der Form so hochfahrend, daß der russische Gesandte, Baron Oubril, welcher für den Frieden zu wirken angewiesen war, seinen Wiener Kollegen ersuchte, bei Mensdorff die Zurückziehung dieses Schriftstückes anzuregen. Das gelang natürlich nicht; Bismarck aber antwortete in höflichem Tone, unsere Abrüstung würde Zug um Zug der österreichischen folgen.
Da wurde in Wien plötzlich die Mobilmachung der ganzen Südarmee beschlossen. Es waren merkwürdigerweise wieder ungenaue Nachrichten gewesen, welche diesen entscheidenden Schritt veranlaßten.
Der englische Gesandte in Wien, Lord Bloomfield, meldete nämlich, daß nach Mitteilung seines Florentiner Kollegen, Sir Henry Elliot, eine Verstärkung der italienischen Armee um etwa 100.000 Mann im Gange wäre, während nichts anderes vor sich ging als die gewöhnliche Rekrutenaushebung von jährlich 80.000 Mann. Aus Venedig aber kam die Nachricht, Garibaldi sei mit Freischaren in die Provinz Novigo eingebrochen. Beide Meldungen wurden nach wenigen Tagen widerrufen; aber die Mobilmachungsbefehle waren infolge jener Gerüchte bereits am 21. April abgegangen43. Nun konnte auch bei uns von Abrüstung nicht mehr die Rede sein. Am 26. folgten in Oesterreich die Befehle zur Mobilmachung der Nordarmee.
La Marmora ließ an demselben Tage anfragen, was wir zu thun gedächten, wenn Oesterreich Italien angriffe, und erhielt von Bismarck die Zusage, daß wir in diesem Falle in den Krieg eintreten würden, obgleich der Vertrag uns hierzu nicht verpflichte. Darauf wurde am 27. die Mobilmachung der italienischen Armee befohlen.
Am 28. April übergab Graf Karolyi eine Depesche, welche nochmals die Einsetzung des Erbprinzen von Augustenburg als Herzog von Schleswig-Holstein unter den im vorigen Jahre zugestandenen Bedingungen anbot, für den Fall der Ablehnung aber Abgabe der Streitfrage an den Bund und Einberufung der holsteinischen Landstände in Aussicht stellte. Diese Aufkündigung des Gasteiner Vertrages blieb unbeantwortet; vom 3. Mai ab wurden jedoch endlich auch bei uns die einzelnen Armeekorps nach und nach mobilgemacht.
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Während im Kabinett des Ministers rastlos für den Krieg gearbeitet wurde, herrschte am Kaminfeuer des großen Wohnzimmers СКАЧАТЬ