Begegnungen mit Bismarck. Robert von Keudell
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Название: Begegnungen mit Bismarck

Автор: Robert von Keudell

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783806242683

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СКАЧАТЬ Weise auszeichnen zu können, und die Möglichkeit einer Ablehnung kam ihm daher nicht in den Sinn.

      Am 17. ging im Gefolge des Königs der Minister, nur von mir begleitet, nach Merseburg, wo eine Feier der 50-jährigen Zugehörigkeit der Provinz Sachsen, verbunden mit einem großen Korpsmanöver, fünftägigen Aufenthalt verursachte. Wir waren sehr angenehm einquartiert bei Herrn Regierungsrat Gaede, einem berühmten Bienenzüchter, welcher außerdem die Pflege feiner Bordeauxweine als Liebhaberei betrieb. Er hielt für nötig, dieselben mittelst einer kleinen Maschine einzuschenken, um jede mögliche Erschütterung der Flasche durch eine menschliche Hand auszuschließen. Der Minister hörte mit demselben Vergnügen sachkundige Mitteilungen über Bienenzucht, mit dem er beim Frühstück die feinen Weine probierte. Er ritt auch gern zum Manöver hinaus und hielt mitunter zu Pferde Immediatvortrag.

      Am 21. kam er erhitzt und bestaubt vom Manöver zurück und fragte in meinem Zimmer nach den neuen Sachen. Ich legte ihm ein durch die Presse bekannt gewordenes englisches Cirkular vor, welches wie das oben erwähnte französische die Gasteiner Abmachungen in unhöflichen Ausdrücken tadelte. Der Minister ging, nachdem er gelesen, im Zimmer auf und ab und diktierte so schnell, daß ich kaum nachschreiben konnte, folgende in der Presse zu verwertende Betrachtungen.

      „Bei Meinungsverschiedenheiten der Deutschen unter sich sucht jeder seiner Sache dadurch ein Relief zu geben, daß er sagt: Hier bei mir ist Deutschland; ich vertrete die Macht, die Ehre, die nationalen Interessen der Gesamtheit. Bei der jetzt vorliegenden Divergenz zwischen den beiden Großmächten und der Würzburger Politik wird die Frage, wo das Interesse Deutschlands liegt, durch eine Probe aufs Exempel in schlagender Weise entschieden.

      „Das Prinzip, für welches Frankreich und England im Namen der deutschen Nationalität leidenschaftlich Partei ergreifen, ist ganz gewiß kein deutsches, ist ganz sicher nicht der Weg, auf welchem Deutschland zur Entwickelung seiner nationalen Kräfte gelangt. Durch die Protektion des Auslandes wird diejenige Partei, der sie zuteilwird, als die antideutsche gebrandmarkt. Wer die Lächerlichkeit nicht fühlt eines Deutschen Bundes unter französisch-englischer Protektion, einer schleswig-holsteinischen Nationalität unter französisch-englischem Protektorat, der deutschen Freiheit geschützt durch Frankreich, der ist sicher entschlossen, mit Hilfe des Auslandes Partikularzwecke zu verfolgen und deutsche Phrasen dazu als Maske zu gebrauchen.

      „England hat uns vom Siebenjährigen Krieg bis zum Wiener Frieden ausgebeutet und beeinträchtigt, und über Frankreichs teutonische Begeisterung und Frankreichs Schutz deutscher Freiheit, deutscher möglichst kleiner Nationalitäten, braucht man kein Wort zu verlieren. Frankreich hat offenbar gerechnet auf einen inneren Krieg Deutschlands. Das Mißvergnügen darüber, daß dieser innere Krieg, wenn nicht ganz beseitigt, so doch ins Unbestimmte vertagt ist, tritt zu plötzlich und zu leidenschaftlich in die Oeffentlichkeit, als daß nicht jeder Deutsche über die wiedergefundene Einigkeit der beiden großen Militärmächte sich beglückwünschen sollte. Die Leidenschaftlichkeit, mit der das französische Cirkular die Gasteiner Konvention verdammt, ins Deutsche übersetzt heißt: Ich hätte die Rheingrenze gewinnen können, ohne einer Koalition gegenüberzustehen, wenn die deutschen Großmächte nicht die Unwürdigkeit begangen hätten, sich einstweilen wieder zu verständigen. Wenn es irgendeine Form ernster und durchsichtiger Mahnung an die Deutschen gab, einig zu sein, so liegt sie in diesen fast identischen Cirkulardepeschen Englands und Frankreichs, deren Sprache zu stark ist, um sie einer Regierung, die sich selbst achtet, mitteilen zu können, und die man deshalb in die Form der Korrespondenz mit den eigenen Behörden einkleidet, denen gegenüber man seine Ausdrücke nicht zu mäßigen braucht, die man aber durch absichtliche Indiskretion in die Oeffentlichkeit wirft.

      „Die französische Regierung hätte den deutschen Regierungen kaum einen größeren Dienst erweisen können als durch diese drohende Sprache; sie braucht sie nur fortzusetzen, um sehr schnell alle Regierungen und alle Parteien in Deutschland zu einigen, die preußische Regierung nach Umständen fortschrittlich, die süddeutschen absolutistisch zu machen, falls es zur Verteidigung des gemeinsamen Vaterlandes gegen die Rheingelüste notwendig ist. Wenn irgendetwas die Deutschen in ihrer Gesamtheit einigen kann, so sind es französisch-englische Drohungen; und wir werden Mühe haben, alle Parteien in Deutschland zu überzeugen, daß diese westmächtliche Arbeit nicht eine von den deutschen Großmächten bestellte sei, so nützlich wirkt sie im deutsch-nationalen Interesse.“

      Nach diesem Diktat setzte er sich ans Fenster und sagte halblaut:

      „Solange der Erbprinz in Kiel bleibt, hat man keine Sicherheit, daß wir mit der österreichischen Verwaltung gut auskommen werden; Edwin32 meint, in drei Monaten würden wir klar erkennen, wie es in Wien steht. Wenn Mensdorff wieder in Würzburger Politik verfällt, können wir ihm etwas Schwarz-Rot-Gold33 unter die Rase reiben. Die schleswig-holsteinische und die große deutsche Frage hängen so eng zusammen, daß wir, wenn es zum Bruch kommt, beide zusammen lösen müssen. Ein deutsches Parlament würde die Sonderinteressen der Mittel- und Kleinstaaten in gehörige Schranken weisen.“

      Nach einer kurzen Pause fuhr er fort:

      „Und wenn unter den mittelstaatlichen Ministern sich ein Ephialtes fände, die große deutsche Nationalbewegung würde ihn und seinen Herrn erdrücken.“

      Dann stand er schnell auf und verließ das Zimmer.

      Im Gefolge des Königs reisten wir am 23. nach Berlin, am 25. nach dem Herzogtum Lauenburg, in dessen Hauptstadt Ratzeburg die Huldigung der Stände für den neuen Landesherrn stattfinden sollte. Gegen Abend kamen wir in das freundliche Städtchen, welches an der Ostseite eines großen, von Buchenwäldern eingefaßten Sees liegt. Bismarck war zum Minister von Lauenburg ernannt worden und hatte als solcher die erforderlichen Anordnungen zu treffen.

      Bald nach dem Bekanntwerden der Gasteiner Konvention hatte ein Vertreter des ansässigen Adels den Wunsch ausgesprochen, der König möchte die Aufrechterhaltung gewisser alter Privilegien zusagen. Das war nicht geschehen, der Minister daher zweifelhaft, ob die Stände die ihnen in der Kirche vorzulesende Eidesformel beschwören würden. Für den Fall irgendeiner Zögerung war Bismarck entschlossen, das gesamte in der Kirche anwesende Volk schwören zu lassen. Eine zu diesem Zweck vorbereitete andere Eidesformel nahm er mit in die Kirche34. Die Huldigung der Stände erfolgte aber ohne Unterbrechung mit der wünschenswerten Feierlichkeit. Die so imponierenden wie gewinnenden Erscheinungen Sr. Majestät des Königs und Sr. Königlichen Hoheit des Kronprinzen machten sichtlich großen Eindruck auf die Anwesenden.

      * * *

      Am 27. von Lauenburg zurückgekehrt, rüstete der Minister sich, mit Gemahlin und Tochter auf einige Wochen nach Biarrits zu reisen. Er suchte wie in den Vorjahren die stärkenden Bäder, hatte diesmal aber auch besondere Gründe, einen persönlichen Meinungsaustausch mit dem Kaiser Napoleon zu wünschen.

      Derselbe hatte dem Grafen Goltz gelegentlich gesagt, er bedaure, daß Drouyn de Lhuys jenes Cirkular in seiner Abwesenheit und ohne sein Wissen abgesandt habe. Bismarck aber hörte in Paris von Rouher, einem Vertrauten des Kaisers, daß der Wortlaut des Schriftstückes durch diesen selbst vor der Absendung gebilligt worden sei. Von Drouyn de Lhuys mit ausgesuchter Höflichkeit empfangen, gab Bismarck diesem über unsere Politik ähnliche Aufschlüsse wie später dem Kaiser.

      In Biarrits, wohin von der Kaiserin Eugenie Graf Goltz und der Botschaftssekretär von Radowitz als einzige Fremde zu einem längeren Aufenthalt eingeladen waren, hatte unser Minister mehrmals Gelegenheit zu eingehenden Unterredungen mit dem mächtigen Herrscher, der ihn auch Anfang November noch einmal in St. Cloud empfing.

      Der Hauptinhalt der über diese verschiedenen Gespräche an den König erstatteten Berichte war Folgender:

      Der Minister entwickelte vor dem Kaiser die Ansicht, es sei ratsam, die Ereignisse nicht willkürlich schaffen zu wollen, sondern ihre natürliche Entwicklung СКАЧАТЬ