Begegnungen mit Bismarck. Robert von Keudell
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Begegnungen mit Bismarck - Robert von Keudell страница 54

Название: Begegnungen mit Bismarck

Автор: Robert von Keudell

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

Серия:

isbn: 9783806242683

isbn:

СКАЧАТЬ Gräfin war im Herbste mehrfach leidend gewesen, empfand aber im Winter günstige Nachwirkungen von Homburg und Biarrits. Sie konnte mitunter in Konzerte gehen, deren damals frühe Stunden es ihr möglich machten, bald nach 9 Uhr am Theetisch zu walten. Oper und Schauspiel blieben jedoch der unvermeidlichen Verspätung wegen ausgeschlossen.

      Am Geburtstage der Gräfin (dem 11. April) ließ ich immer im Kuppelsaale des Ministeriums Orchestermusik machen. Im Jahre 1866 wurde u. a. Beethovens C-Moll-Symphonie ausgeführt, deren heroischer letzter Satz auf den Minister großen Eindruck machte. Doch war die in einem vielgelesenen Romane vorkommende Erzählung, er sei durch ein Musikstück zur Entscheidung für den Krieg bestimmt worden, natürlich Dichtung und zwar eine mit seinen Eigenschaften unvereinbare. Die Entscheidung politischer Fragen ist von ihm immer durch kühle Berechnung gefunden, niemals durch augenblickliche Gemütsstimmung beeinflußt worden. Daneben ist gewiß, daß, als der seit 14 Jahren vorausgesehene Entscheidungskampf herannahte, seine Seele in leidenschaftlicher Erregung glühte, deren notwendige Beherrschung mitunter seine Gesundheit angriff. Seit dem Januar hatte er die gewohnte Stärkung durch Jagden entbehren müssen und war dadurch anfälliger geworden. Als am 23. März gegenüber den österreichischen Rüstungen unsererseits noch nichts geschehen war, erkrankte er, gesundete aber, sobald am 27. die erwähnten ersten Rüstungsbefehle ergingen. Ebenso kränkelte er um Mitte April, während über die beiderseitige Abrüstung viel geschrieben werden mußte, erholte sich aber bald nach Eingang der Meldung von der Mobilmachung der österreichischen Südarmee.

      Wenn er am späten Abend die Thüre seines Arbeitszimmers öffnete und durch das kleine, offene Kabinett in das Wohnzimmer trat, war er immer heiter und guter Dinge. Gewöhnlich führte er die Unterhaltung, sprach aber nicht über Tagesfragen. Die Gräfin war natürlich mit seinen Bestrebungen vertraut, doch suchte er ihr Kenntnis der täglichen, oft unerfreulichen Zwischenfälle zu ersparen. Im Familienkreise kein Wort von Politik zu hören und von harmlosen Dingen zu sprechen, war ihm Erquickung.

      Am 7. Mai kam er wie gewöhnlich nach 5 Uhr aus dem königlichen Palais zurück, hielt sich aber länger als sonst in seinem Kabinett auf, um einen kurzen Bericht an Seine Majestät zu schreiben, und trat dann mit einer Entschuldigung seiner Verspätung in den Salon. Ehe man sich zu Tische setzte, küßte er seine Gemahlin auf die Stirn und sagte: „Erschrick nicht, mein Herz, es hat jemand auf mich geschossen, ich bin aber durch Gottes Gnade unverletzt geblieben.“

      So erzählte mir bald nachher einer der Tischgenossen.

      Vor Abend kamen der König, die königlichen Prinzen und viele Würdenträger, um den wunderbar Erretteten zu begrüßen.

      Abends erzählte er in kleinem Kreise den Hergang ungefähr mit diesen Worten:

      „Ich ging unter den Linden auf dem Fußweg zwischen den Bäumen vom Palais nach Hause. Als ich in der Nähe der russischen Gesandtschaft gekommen war, hörte ich dicht hinter mir zwei Pistolenschüsse. Ohne zu denken, daß mich das anginge, drehte ich mich unwillkürlich rasch um und sah etwa zwei Schritte vor mir einen kleinen Menschen, der mit einem Revolver auf mich zielte. Ich griff nach seiner rechten Hand, während der dritte Schuß losging und packte ihn zugleich am Kragen. Er faßte aber schnell den Revolver mit der linken, drückte ihn gegen meinen Ueberzieher und schoß noch zweimal. Ein unbekannter Civilist half mir ihn festhalten. Es eilten auch sogleich Schutzleute herbei, die ihn abführten, zusammen mit einer Patrouille vom zweiten Garderegiment, die zufällig des Weges kam.

      „Als Jäger sagte ich mir: Die letzten beiden Kugeln müssen gesessen haben, ich bin ein toter Mann. Eine Rippe that zwar etwas weh, ich konnte aber zu meiner Verwunderung bequem nach Hause gehen. Hier untersuchte ich die Sache. Ich fand Löcher im Ueberzieher, im Rock, Weste und Hemde; an der seidenen Unterjacke aber waren die Kugeln abgeglitten, ohne die Haut zu verletzen. Die Rippe schmerzte etwas wie von einem Stoß, das ging aber bald über. Es kommt bei Rotwild vor, daß eine Rippe elastisch federt, wenn die Kugel aufschlägt. Man kann nachher erkennen, wo sie abgeglitten ist, weil da einige Haare fehlen. So mag auch meine Rippe gefedert haben. Oder vielleicht ist die Kraft der Schüsse nicht voll entwickelt worden, weil die Mündung des Revolvers unmittelbar auf meinen Rock drückte.“

      Alle Anwesenden waren in feierlicher Stimmung, als hätten sie Uebernatürliches erlebt. Bismarck aber zergliederte den Fall mit einer Ruhe, als handelte es sich um ein gleichgültiges Vorkommnis.

      Am folgenden Tage wurde bekannt, daß der Verbrecher namens Cohen-Blind, der von London gekommen war, um Bismarck zu erschießen, im Gefängnisse sich durch Oeffnen einer Pulsader getötet hatte.

      Als abends der kleine Kreis der Hausfreunde wieder versammelt war, meldete ein Diener, daß vor dem Hause große Menschenmassen sich bewegten. Man ging in den chinesischen Saal und öffnete die Fenster nach der Straße. Ueber die Stimmung des Berliner Volkes war früher Erfreuliches nicht bekannt geworden; jetzt aber ertönte unaufhörlich der Ruf: „Bismarck hoch!“ Er sprach aus dem Fenster mit erhobener Stimme ungefähr folgende Worte:

      „Meine Herren und Landsleute, herzlichen Dank für diesen Beweis Ihrer Teilnahme. Für unsern König und das Vaterland das Leben zu lassen, ob auf dem Schlachtfelde oder auf dem Straßenpflaster, halte ich für ein hohes Glück und erflehe von Gott, daß mir ein solcher Tod vergönnt sei. Für jetzt hat Er es anders gewollt; Gott hat gewollt, daß ich noch lebendig meinen Dienst thun soll. Sie teilen das patriotische Gefühl mit mir und Sie werden gern mit mir rufen: Seine Majestät, unser König und Herr, er lebe hoch!“

      Die Folge des Attentats war eine gehobene Stimmung Bismarcks. Mehrmals hatte ich den Eindruck, daß er sich jetzt als Gottes „auserwähltes Rüstzeug“ fühlte, um seinem Vaterlande Segen zu bringen. Ausgesprochen aber hat er das nicht.

      In den nächsten Tagen, während die Mobilmachungen überall ausgeführt wurden, kam unter andern Fürsprechern des Friedens Herr Abraham Oppenheim als Vertreter von 17 rheinischen Handelskammern nach Berlin. Er wurde von Bismarck empfangen und trug die Bitte vor, wenn der Krieg unvermeidlich wäre, möchte vorher mit dem Landtag Frieden gemacht werden. Der Minister erwiderte inhaltlich Folgendes:

      „Ich hege den Wunsch nach Aussöhnung mit dem Landtage, ehe vielleicht ein großer Konflikt unvermeidlich wird, so lebhaft wie irgendjemand. Meine verhaßte Person würde aber ein Hindernis der Verständigung sein; ich habe deshalb vor einiger Zeit den König gebeten, statt meiner den Fürsten von Hohenzollern zum Ministerpräsidenten zu ernennen und mir den Posten eines Unterstaatssekretärs im auswärtigen Ministerium zu geben. In dieser Stellung würde ich meine Erfahrungen im auswärtigen Dienst ebenso verwerten können wie als Minister, und der Fürst würde mir wohl freie Hand lassen. Der König hat aber auf diesen Gedanken nicht eingehen wollen. Er hat dagegen Neuwahlen zum Abgeordnetenhause anzuordnen befohlen, und wir müssen zunächst diese abwarten.“

      Auflösung des Hauses und Vorbereitung von Neuwahlen waren am 9. Mai verfügt worden. Herr Oppenheim erzählte diese Unterredung an demselben Abend in Ausdrücken höchster Bewunderung seinem Freunde Bleichröder, welcher mir am anderen Morgen darüber berichtete. Eine Bestätigung der Thatsache, daß Bismarck dem Könige jenen Vorschlag unterbreitet hat, ist mir nicht zuteilgeworden44. Doch hielt ich die Angaben Oppenheims wie den Bericht Bleichröders für zweifellos glaubwürdig und freute mich ebenso sehr, daß Bismarck den selbstlosen Antrag gestellt wie daß der König ihn abgelehnt hatte.

      Damals gingen Strömungen weichlicher, ganz unpreußischer Gefühle durch das Land. Hervorragende Mitglieder der konservativen Partei setzten alle erlaubten Mittel in Bewegung, um den Krieg zu verhindern. Nicht nur 17 rheinische Handelskammern und eine Kölner Volksversammlung petitionierten um Erhaltung des Friedens, sondern auch 4 Wahlbezirke Berlins und die Stadtbehörden von Stettin, Köslin und Königsberg. Der Abgeordnetentag in Frankfurt und der Ausschuß des Nationalvereins erklärten übereinstimmend, die einzige zur Lösung der obwaltenden Schwierigkeiten berufene Behörde sei ein deutsches Parlament; СКАЧАТЬ