Das Zeitalter der Extreme. Eric Hobsbawm
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Das Zeitalter der Extreme - Eric Hobsbawm страница 14

Название: Das Zeitalter der Extreme

Автор: Eric Hobsbawm

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

Серия:

isbn: 9783806239669

isbn:

СКАЧАТЬ und wären ihm sehr wahrscheinlich auch wieder zurückgegeben worden, wäre da nicht die bolschewistische Revolution gewesen. Der Versuch, den Quarantänegürtel bis in den Kaukasus auszudehnen, schlug fehl, vor allem, weil sich das Revolutionsrußland mit der nichtkommunistischen, aber ebenfalls revolutionären Türkei – die keinerlei Zuneigung für die britischen und französischen Imperialisten hegte – einig wurde. Folglich konnten auch die kurzfristig unabhängigen Staaten Armenien und Georgien (die nach Brest-Litowsk und den Versuchen Großbritanniens gegründet worden waren, Aserbeidschan mit seinen reichen Ölvorkommen auszugliedern) den Sieg der Bolschewiken im Bürgerkrieg von 1918–20 und den sowjetisch-türkischen Vertrag von 1921 nicht überleben. Mit einem Wort: Im Osten akzeptierten die Alliierten die Grenzen, die Deutschland dem Revolutionsrußland oktroyiert hatte, insofern diese nicht durch Kräfte jenseits ihrer Kontrolle außer Kraft gesetzt worden waren.

      Große Teile vor allem des ehemals österreichisch-ungarischen Europa mußten nun noch neu verteilt werden. Österreich und Ungarn wurden zu deutschen und magyarischen Rumpfstaaten reduziert, Serbien wurde gemeinsam mit (dem ehemals österreichischen) Slowenien und (dem ehemals ungarischen) Kroatien einem neuerschaffenen Jugoslawien einverleibt. Zu ihm gehörte auch das ehemals unabhängige, kleine Stammeskönigreich Montenegro, eine kahle, von Hirten und Banditen bevölkerte Berglandschaft, deren spontane Reaktion auf den erstmaligen Verlust ihrer Unabhängigkeit war, daß sie in Massen zum Kommunismus konvertierten (von dem sie annahmen, daß er ihren heroischen Geist willkommen heißen würde). Dieser Teil Jugoslawiens war überdies mit dem orthodoxen Rußland verbunden, dessen Glauben die unbesiegten Männer von den Schwarzen Bergen so viele Jahrhunderte lang gegen die ungläubigen Türken verteidigt hatten. Auch eine neue Tschechoslowakei wurde gebildet, indem das industrielle Herz des ehemaligen Habsburgischen Reichs, Böhmen und Mähren, mit den Gebieten der slowakischen und karpato-ukrainischen Landbevölkerungen, die einst zu Ungarn gehört hatten, verbunden wurde. Rumänien wurde zu einem multinationalen Konglomerat erweitert, aber auch Polen und Italien zogen Nutzen aus dieser Neuordnung. Für die Neuordnungen in Jugoslawien und der Tschechoslowakei hatte es absolut keine historischen Vorläufer und auch keine logische Begründung gegeben. Es waren Konstruktionen einer nationalistischen Ideologie, die an die Macht gemeinsamer Ethnizität glaubte und extrem kleine Nationalstaaten für nicht wünschenswert hielt.6 Alle Südslawen (= Jugoslawen) gehörten nun zu einem Staat, wie auch alle Westslawen der tschechischen und slowakischen Länder. Wie zu erwarten, erwiesen sich diese politischen Zwangsehen als nicht sehr haltbar. Und abgesehen von den Rumpfstaaten Österreich und Ungarn, die der meisten, aber nicht all ihrer Minoritäten verlustig gegangen waren, waren die neuen Nachfolgestaaten nicht weniger multinational als ihre Vorgänger, ob sie nun aus Rußland oder dem Habsburgischen Reich ausgegliedert worden waren.

      Deutschland wurde ein Friede diktiert, der mit dem Argument gerechtfertigt wurde, daß dieser Staat die Alleinverantwortung für den Krieg und all seine Folgen trage (»Kriegsschuld«-Klausel), was die andauernde Schwächung Deutschlands legitimieren sollte. Das wurde aber im wesentlichen nicht durch territoriale Abstriche erreicht, obwohl Elsaß-Lothringen an Frankreich zurückfiel, eine große Region im Osten an das wiedererschaffene Polen (der »polnische Korridor«, der Ostpreußen vom Rest Deutschlands trennte) und einige kleinere Veränderungen entlang der deutschen Grenze vorgenommen wurden. Eher wurde es dadurch erreicht, daß man Deutschland einer einsatzfähigen Marine und jeglicher Luftwaffe beraubte, die Streitkräfte auf 100 000 Mann beschränkte, ihm theoretisch unbegrenzte »Reparationszahlungen« für die Kriegskosten der Siegermächte auferlegte, Teile des westlichen Deutschland besetzte und ihm nicht zuletzt auch seine gesamten ehemaligen Kolonien in Übersee nahm. (Sie wurden dann unter den Briten und ihrem Commonwealth, unter den Franzosen und in geringerem Maß auch unter den Japanern aufgeteilt. Aufgrund der wachsenden Unpopularität des Imperialismus wurden sie jedoch nicht mehr »Kolonien«, sondern »Mandatsgebiete« genannt – was besagen sollte, daß man nur für den Fortschritt jener rückständigen Völker sorgen wolle, die den Imperien von der Menschheit ans Herz gelegt worden waren, daß man aber nicht einmal im Traum daran zu denken wagte, diese Völker zu irgendeinem Zweck auszubeuten.) Abgesehen von den Gebietsklauseln war Mitte der dreißiger Jahre vom Versailler Vertrag nichts mehr übrig.

      Was nun die Mechanismen für die Vorsorge gegen einen weiteren Weltkrieg betraf, so war deutlich, daß das Konsortium der europäischen »Großmächte«, die ihn schon vor 1914 hätten verhindern sollen, vollkommen zusammengebrochen war. Die Alternative, zu der Präsident Wilson die hartnäckigen europäischen Politiker mit der Liberalität und Inbrunst eines in Princeton ausgebildeten Politikwissenschaftlers drängte, war ein allumfassender Völkerbund (unabhängiger Staaten), der in der Lage sein sollte, Probleme auf friedliche und demokratische Weise zu lösen, bevor sie aus den Rudern laufen konnten, und dies vorzugsweise durch öffentliche Verhandlungen (»öffentlich verhandelte Staatsverträge«). Denn seit dem Krieg haftete den schon im Normalfall sensiblen Prozessen internationaler Verhandlungen der Ruch von »Geheimdiplomatie« an, was größtenteils eine Reaktion auf die Geheimverträge war, die während des Krieges unter den Alliierten geschlossen worden waren und mit denen das Europa und der Nahe Osten der Nachkriegszeit mit unglaublicher Rücksichtslosigkeit auf die Wünsche oder auch nur Interessen der Bewohner dieser Regionen neu verteilt werden sollten. Die Bolschewiken hatten diese sensiblen Dokumente, die sie in den zaristischen Archiven entdeckt hatten, prompt vor der Welt veröffentlicht, und daher galt es nun, eine Lektion in Schadensbegrenzung zu veranstalten. Der Völkerbund wurde denn auch in der Tat als Teil des Friedensvertrages ins Leben gerufen, erwies sich jedoch als völliger Mißerfolg, abgesehen von seiner Rolle als Institution zur Erstellung von Statistiken. Immerhin konnte er in seiner ersten Zeit ein bis zwei kleinere Dispute beilegen, die den Weltfrieden jedoch nicht weiter gefährdet hatten (beispielsweise den Disput zwischen Finnland und Schweden um die Ålandinseln7). Die Weigerung der USA, dem Völkerbund beizutreten, hatte ihn nicht zu wahrer Bedeutung kommen lassen.

      Es ist nicht unbedingt notwendig, auf die Einzelheiten der Zwischenkriegsgeschichte einzugehen, um erkennen zu können, daß der Versailler Vertrag keine Basis für einen dauerhaften Frieden sein konnte. Er war von Anfang an zum Scheitern verurteilt, und daher war ein neuer Krieg praktisch gewiß. Wie wir wissen, sind die USA schnell wieder aus dem Vertrag ausgestiegen; und in einer Welt, die nicht mehr eurozentriert und eurobestimmt war, konnte kein Vertrag Beständigkeit haben, der nicht auch von den zu einer Weltmacht aufgestiegenen Vereinigten Staaten unterschrieben wurde. Wir werden noch sehen, daß dies auch für alle kommenden weltwirtschaftlichen und politischen Verträge gelten sollte. Zwei europäische Großmächte, ja sogar Weltmächte, waren für eine Weile nicht nur aus dem internationalen Spiel ausgeschlossen, sondern als unabhängige Spieler überhaupt nicht mehr präsent: Deutschland und Sowjetrußland. Doch sobald sie oder einer von ihnen die Szene wieder betreten sollten, konnte kein Friedensvertrag halten, der ausschließlich auf Großbritannien und Frankreich basierte – denn auch Italien war nicht zufriedengestellt worden. Und früher oder später mußten Deutschland und/oder Rußland unvermeidlich wieder als Hauptdarsteller in Erscheinung treten.

      Die geringen Chancen, die dieser Friede überhaupt noch hatte, wurden von den Siegermächten torpediert, indem sie sich weigerten, die Verlierer wieder zu integrieren. Richtig ist, daß sich die vollständige Knebelung Deutschlands und die vollständige Ächtung Sowjetrußlands bald schon als nicht durchführbar herausstellten, aber die Anpassung an diese Realität verlief äußerst langsam und nur unter großem Zögern. Vor allem die Franzosen verabschiedeten sich nur unwillig von der Hoffnung, Deutschland schwach und hinfällig halten zu können (die Briten wurden ja auch nicht von Alpträumen aus Niederlage und Besatzungszeit verfolgt). Was nun die Sowjetunion anbelangt, so hätten es die Siegermächte sicher vorgezogen, wenn es sie überhaupt nicht gegeben hätte. Also zeigten sie sich von ihrem Überleben auch kaum begeistert, vor allem nachdem sie die Armeen der Konterrevolution im russischen Bürgerkrieg unterstützt hatten und ihnen mit eigenen Truppen zu Hilfe geeilt waren. Sogar ihre Geschäftsleute schlugen Angebote mit weitreichenden Konzessionen aus, die Lenin ausländischen Investoren bei seiner verzweifelten Suche nach irgendeiner Möglichkeit machte, eine von Krieg, Revolution und Bürgerkrieg beinahe vollständig zerstörte Wirtschaft wiederaufzubauen. Sowjetrußland wurde gezwungen, sich in der Isolation weiterzuentwickeln. Und nur die beiden geächteten СКАЧАТЬ