Das Zeitalter der Extreme. Eric Hobsbawm
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Название: Das Zeitalter der Extreme

Автор: Eric Hobsbawm

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783806239669

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СКАЧАТЬ im Gegensatz zu den (normalerweise begrenzten und spezifizierten) früheren Kriegen, auf unbegrenzte Ziele richtete. Im imperialen Zeitalter waren Politik und Wirtschaft miteinander verschmolzen. Internationale politische Rivalität ahmte Wirtschaftswachstum und Wettbewerb nach, deren charakteristisches Merkmal es ja schon prinzipiell war, grenzenlos zu sein. »Die ›natürlichen Grenzen‹ von Standard Oil, der Deutschen Bank oder der De Beers Diamond Corporation lagen dort, wo das Universum endet, zumindest aber erst da, wo ihre Expansionsfähigkeit endete« (Hobsbawm, 1987, S. 318). Konkreter noch: Auch für die beiden Hauptkontrahenten Deutschland und Frankreich lagen die Grenzen jenseits des Horizonts. Denn Deutschland wollte eine weltweite politische und maritime Machtposition erringen, die zu dieser Zeit noch von Großbritannien eingenommen wurde. Aber Großbritannien befand sich bereits am Abstieg und befürchtete, mit Deutschlands Vormarsch automatisch in eine untergeordnete Rolle zurückgedrängt zu werden. Es ging daher um alles oder nichts. Und für Frankreich ging es schon damals (wie auch später immer wieder) weniger um eine globale als um eine andere drängende Frage: um die Kompensation für seine zunehmende und offenbar auch unvermeidliche demographische und ökonomische Unterlegenheit gegenüber Deutschland. Auch die Zukunft Frankreichs als Großmacht stand hier auf dem Spiel. In beiden Fällen hätte ein Kompromiß im Grunde nur eine Verzögerung bedeutet. Deutschland selbst, so hätte man vermuten können, hätte nur zu warten brauchen, bis seine territoriale Größe und Überlegenheit genau die Position begründet hätten, die deutsche Regierungen für ihren Staat angemessen fanden. Das wäre früher oder später auch geschehen. Tatsache aber ist, daß die Vormachtstellung des zweimal besiegten Deutschland in den frühen 1990er Jahren, als der Staat keinerlei Ansprüche mehr darauf erhob, eine unabhängige Militärmacht in Europa zu sein, wesentlich unangefochtener sein sollte, als es das militaristische Deutschland vor 1945 je angestrebt hatte. Doch wie wir noch sehen werden, war dies nur möglich, weil Großbritannien und Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg dazu genötigt wurden, ihren Rückzug (wenn auch zögerlich) in eine zweitrangige Position zu akzeptieren, und weil die Bundesrepublik trotz all ihrer ökonomischen Stärke überdies erkannt hatte, daß eine Vormachtstellung als einzelner Staat in der Welt nach 1945 jenseits ihrer Möglichkeiten lag und auch weiterhin liegen müßte. Um 1900, auf dem Gipfel des imperialen und imperialistischen Zeitalters, war der deutsche Anspruch auf einen einzigartigen, globalen Status (»Am deutschen Wesen soll die Welt genesen« – so lautete die Phrase) noch ungebrochen, ebenso wie der Widerstand Großbritanniens und Frankreichs dagegen – beide damals noch unbestreitbar »Großmächte« in einer eurozentrierten Welt. Auf dem Papier wäre zweifellos ein Kompromiß bei diesem oder jenem Punkt der fast schon megalomanischen »Kriegsziele« zu erreichen gewesen, die beide Seiten unmittelbar nach Ausbruch des Krieges formuliert hatten. Doch in der Wirklichkeit war das einzige Kriegsziel, das zählte, der totale Sieg – also die »bedingungslose Kapitulation«, wie es dann im Zweiten Weltkrieg heißen sollte.

      Es war ein absurdes und selbstzerstörerisches Ziel, das sowohl Sieger wie Besiegte ruinieren sollte. Es trieb die Besiegten in die Revolution und die Sieger in den Bankrott und bis zur völligen physischen Erschöpfung. 1940 konnte Frankreich nur deshalb mit so lächerlicher Leichtigkeit und Geschwindigkeit von einer zahlenmäßig durchaus nicht überlegenen deutschen Wehrmacht überrannt werden und ohne Zögern die Unterwerfung unter Hitler akzeptieren, weil das Land 1914–18 beinahe ausgeblutet wäre. Auch Großbritannien konnte nach 1918 nie wieder zu seinem alten Zustand zurückfinden, weil das Land seine Wirtschaft ruiniert hatte, indem es einen Krieg geführt hatte, der seine Mittel weit überstieg. Hinzu kommt, daß der totale Sieg, ratifiziert durch das Strafgericht eines Friedensdiktats, auch noch die letzten Chancen verbaut hatte, etwas wiederherzustellen, das einem stabilen, liberalen, bürgerlichen Europa auch nur ähnlich gewesen wäre (wie der Ökonom John Maynard Keynes schon unmittelbar nach Kriegsende erkannt hatte). Und ohne Deutschland wieder in die europäische Wirtschaft zu integrieren, beziehungsweise ohne sein wirtschaftliches Gewicht innerhalb der europäischen Wirtschaft zu erkennen und zu akzeptieren, konnte es keine Stabilität geben. Doch dies war das letzte, woran jene denken wollten, die darum gekämpft hatten, Deutschland auszuschalten.

      Der Friedensvertrag, der von den Siegermächten (USA, Großbritannien, Frankreich, Italien) oktroyiert wurde und für gewöhnlich, aber etwas ungenau, Vertrag von Versailles genannt wird4, war von fünf Überlegungen geleitet. Die drängendste davon betraf den Zusammenbruch so vieler Regime in Europa und das Auftauchen eines alternativen, bolschewistischen Revolutionsregimes in Rußland, das sich der weltweiten Subversion verschrieben hatte und zum Magneten für die revolutionären Kräfte allerorten geworden war (siehe Zweites Kapitel). Zweitens ging es darum, Deutschland, das immerhin beinahe die gesamte alliierte Koalition im Alleingang besiegt hätte, kontrollieren zu können. Aus naheliegenden Gründen war dies und blieb dies seither die Hauptsorge Frankreichs. Drittens mußte die Landkarte Europas neu aufgeteilt und gezeichnet werden, nicht nur um Deutschland zu schwächen, sondern auch, um die riesigen leeren Flächen neu zu füllen, die durch den gleichzeitigen Sieg über und den Zusammenbruch des Russischen, Habsburgischen und Osmanischen Reichs in Europa und im Nahen Osten entstanden waren. Die eifrigsten Anwärter auf die Nachfolge waren die verschiedenen nationalistischen Bewegungen in Europa, die von den Siegermächten mehr oder weniger noch dazu ermuntert wurden, weil sie antibolschewistisch eingestellt waren. In der Tat wurde es dann auch zum Grundprinzip für die Neuordnung der europäischen Landkarte, ethnisch-linguistisch begründete Nationalstaaten zu schaffen, entsprechend der Überzeugung, daß Nationen ein »Recht auf Selbstbestimmung« hätten. Der amerikanische Präsident Wilson, der als das Sprachrohr derjenigen Macht galt, ohne die der Krieg verloren wäre, vertrat diese Überzeugung mit leidenschaftlicher Vehemenz, was schon immer jenen leichter fiel (und fällt), die weit entfernt von den ethnischen und linguistischen Realitäten der Regionen lebten, die gerade in säuberliche Nationalstaaten aufgeteilt werden sollten. Der Versuch geriet zum Desaster, wie selbst das Europa der neunziger Jahre noch beweist. Die Nationalitätenkonflikte, die den Kontinent der neunziger Jahre spalteten, waren die alten Gespenster von Versailles, die wieder einmal ihr Unwesen trieben.5 Die Neuaufteilung des Nahen Ostens verlief entlang konventioneller imperialistischer Linien – also Aufteilung zwischen Großbritannien und Frankreich (mit Ausnahme von Palästina, wo die britische Regierung, die sich im Krieg eifrig um internationale Unterstützung für die Juden bemüht hatte, unvorsichtiger- und problematischerweise versprochen hatte, den Juden eine »nationale Heimstätte« zu geben – auch dies ein problembeladenes und unvergeßliches Relikt aus dem Ersten Weltkrieg).

      Die vierte Überlegung galt den Innenpolitiken der Siegermächte – die faktisch nur aus Großbritannien, Frankreich und den USA bestanden – und den Reibereien unter ihnen. Wichtigstes Resultat dieses internen Ränkespiels war, daß sich der US-Kongreß weigerte, den Friedensvertrag, der zu großen Teilen vom und für den amerikanischen Präsidenten geschrieben worden war, zu ratifizieren und somit die USA zwang, wieder davon Abstand zu nehmen (was weitreichende Konsequenzen haben sollte).

      Schließlich versuchten die Siegermächte verzweifelt, eine Art Friedensvertrag zu formulieren, der einen neuen Krieg wie jenen, der die Welt gerade erst verwüstet hatte und von dessen Nachwirkungen alle betroffen waren, unmöglich machen sollte. Nur zwanzig Jahre später befand sich die Welt wieder im Krieg.

      Die Versuche, die Welt gegen den Bolschewismus zu sichern, überschnitten sich mit dem Versuch, die europäische Landkarte neu zu zeichnen. Denn die unmittelbarste Möglichkeit, dem Revolutionsrußland Paroli zu bieten (so es denn überhaupt überleben sollte, was 1919 absolut noch nicht klar war), hieß, es hinter einem Quarantänegürtel aus antikommunistischen Staaten zu isolieren (einem cordon sanitaire in der Sprache der damaligen Diplomatie). Da die Gebiete dieser Staaten zu großen Teilen oder auch vollständig aus ehemals russischem Territorium herausgemeißelt worden waren, wäre ihre feindselige Haltung Moskau gegenüber garantiert gewesen. Von Nord nach Süd gesehen ging es hierbei um Finnland, eine autonome Region, die von Lenin die Erlaubnis erhalten hatte, sich auszugliedern; um die drei kleinen, neuen baltischen Republiken (Estland, Lettland, Litauen), die historisch ohne Vorläufer waren; um Polen, das nach 120 Jahren wieder seine Souveränität erhielt; und um ein enorm vergrößertes Rumänien, dessen Umfang sich durch den Beitritt von ungarischen СКАЧАТЬ