Boat People. Sharon Bala
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Название: Boat People

Автор: Sharon Bala

Издательство: Автор

Жанр: Контркультура

Серия:

isbn: 9783963114441

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СКАЧАТЬ Es ist nur auf kurze Zeit.

      Die Schwester nahm Sellian bei der Hand. Siehst du den kleinen Jungen dort? Kennst du ihn?

      Sellian schluckte und nickte und wischte sich mit dem Handrücken die verschmierte Nase ab. Mahindan sank das Herz, als er sah, wer das war – Kumurans Sohn. Er sagte zu Sellian: Du kennst doch den Jungen, nicht?

      Ich werde seine Mutter bitten, nach dir zu schauen, sagte die Schwester. Es tut mir leid, sagte sie zu Mahindan, als sie sah, wie Sellian die Arme um den Hals seines Vaters schlang. Das kommt nicht oft vor, ein Schiff mit so vielen Leuten … Jeder tut sein Bestes.

      Wir sind ja so froh, hier zu sein, sagte Mahindan und hielt seinen Sohn noch fester im Arm. Ganeschas Elefantenrüssel bohrte sich in seinen Hinterkopf.

      Der Aufseher gab eine Anweisung.

      Komm her, Kindchen, sagte die Schwester zu Sellian.

      Sei schön lieb, sagte Mahindan, zeig Appa, wie tapfer du sein kannst.

      Sellian bemühte sich, das Schluchzen zu unterdrücken, da kam der Schluckauf. Er wurde weggeführt und konnte nur noch den Kopf umdrehen und über die Schulter zurückschauen. Mahindan Brust zog sich zusammen. Die meisten Frauen waren jetzt im Bus und starrten aus den Fenstern. Die Männer starrten auf ihre Füße. Mahindan spürte, wie Kumurans Frau ihn mit ihrem harten, unversöhnlichen Blick fixierte. Er bemühte sich mit aller Kraft, ein ruhiges und zuversichtliches Gesicht zu zeigen. Als er Sellian noch einmal ansah, sah er Chithras Augen, ihre großen Vorderzähne.

      Sellian verschwand im Bus und die Türen schlossen sich zischend. Angst und Entsetzen überfluteten Mahindan wie ein Tsunami das Land. Die Welle kam unaufhaltsam anschwellend auf ihn zu. Mit zusammengekniffenen Augen verfolgte er das Heck des davonfahrenden Busses, aber alles, was er sah, war Dunkelheit.

      TERORISTEN RAUS!

      Priya war bei einem Besuch des Marinemuseums schon einmal auf der Basis der kanadischen Streitkräfte in Esquimalt gewesen. Sie konnte sich daran erinnern, wie ihr Bruder sie an den Zöpfen gezogen hatte, um sie zu ärgern. Ob ihre Eltern dabei gewesen waren, wusste sie nicht mehr. Es war durchaus möglich, dass die Erinnerung sie trog.

      Gigovaz’ Auto wurde von einem Sicherheitsoffizier durch den Checkpoint gewinkt, und sie fuhren auf das Gebäude zu, wo die Flüchtlinge verhört werden sollten. Das war ein grauer Klotz auf einer schmalen Landzunge, begrenzt von Wald und Meer. Die Sonne war voll aufgegangen, der Himmel komplett wolkenlos, die Erde trocken.

      Auf dem Parkplatz standen die Kleintransporter von Radio und Fernsehen, Kameraleute liefen mit geschulterten Geräten herum, Reporter blätterten in ihren Notizblöcken. Gegenüber vom Gebäude wurde ein Podium errichtet, und ein junger Mann hantierte an einem Schild, das vor einem Rednerpult hing.

      Wer gibt hier eine Pressekonferenz?, fragte Gigovaz.

      Minister Blair, antwortete der Mann.

      Öffentliche Sicherheit, erklärte Gigovaz seiner Assistentin. Nicht Einwanderung. Interessant, meinen Sie nicht auch?

      Der Weg zum Eingang war beiderseitig mit Planen abgeschirmt. Ein halbes Dutzend Leute standen in einer Reihe da, schwenkten selbstgefertigte Plakate und skandierten Sprüche. Ein Mann mit Jacke und Logo eines Fernsehsenders schwenkte seine Kamera von rechts nach links. Gigovaz ging an ihm vorbei, sah und hörte nichts. Priya las, was auf den Plakaten stand. Schickt das illegale Pack zurück! Teroristen raus! Sie hätte die Leute gern auf den Rechtschreibefehler hingewiesen.

      Sie kamen ins Gebäude, aber das war menschenleer. Allein am Empfangstresen saß eine Frau mit Haarknoten und Bowler-Hut. Sie gab ihnen ihr Namensschild und Priya hängte es sich gleich um den Hals. Auf einer Seite stand ein blaues V, auf der anderen Seite sah sie ihren Namen und ihr Gesicht. Es war ihr ID-Foto aus der Kanzlei. Vor einem Monat war es aufgenommen worden. Sie hatte auf einem Hocker im Postraum gesessen, und ein Typ mit Nackenmatte hatte sie angewiesen, nicht zu blinzeln. Auf dem Foto sah sie verängstigt und gekünstelt aus.

      Wo sind sie denn alle?, fragte Priya.

      Nach Ihnen, sagte Gigovaz mit übertriebener Geste seiner linken Hand und zog mit der rechten eine schwere Tür auf.

      Menschen- und Motorenlärm schlug ihnen entgegen, Hubschrauber dröhnten über ihren Köpfen und Krankenwagen warteten mit leerlaufendem Motor. Sie waren jetzt hinter dem Gebäude und blickten auf einen weiteren Parkplatz, der mit weißen Zelten übersät war. Dahinter konnte man das Meer sehen, den Hafen, die gelben Kräne, die hölzernen Docks. Priya musterte die Schiffe und sah den Frachter. Er war riesig – an die siebzig Meter lang – mit weißem Rumpf, einer blauen Kabine am Heck und an den Seitenwänden abwärtslaufenden Roststreifen.

      Die Zahl der Flüchtlinge war überwältigend. Die Schlangen, die von jedem Zelt, jedem Tisch ausgingen, die sich umeinanderwanden und gegenseitig überkreuzten, machten es unmöglich zu erkennen, wo eine Schlange aufhörte und eine andere anfing. Männer, Frauen, Kinder, Menschen jeden Alters, heruntergekommen und abgezehrt, frierend in Decken gehüllt, obwohl es Sommer war.

      In dieser Menschenmenge bemerkte Priya eine Frau mit einem verbundenen Auge, ein Kind, das gestützt auf einen kleinen Stock daher humpelte. Sie war verwundert, wie wenige Verletzte es gab, aber dann ging ihr auf, dass hier ja die Überlebenden waren. Ankunft der Stärksten.

      Menschen strömten nach allen Seiten. Ein uniformierter Beamter hielt Gigovaz und Priya an, um zwei Frauen in Krankenhausbekleidung vorbei zu lassen. Freiwillige Helfer in roten Hemden transportierten Kisten mit der Aufschrift H2O. Fast alle trugen Mund- und Nasenschutz. Über dem Gewimmel hing eine Aura von Chaos und Bürokratie. Priya entzifferte die Akronyme: Canada Border Services Agency, Canadian Forces, Victoria General Hospital, Royal Canadian Mounted Police – Grenzschutz, Militär, Krankenhaus, Polizei.

      Gigovaz bearbeitete im Gehen sein BlackBerry mit beiden Daumen. Halten Sie Ausschau nach Sam, sagte er.

      Mensch, Ort oder Sache?, hätte sie gern gefragt.

      Sie kamen vorbei an einem Zelt mit einem seitlich aufgedruckten Roten Kreuz. Ein handgeschriebenes Schild verkündete: Zutritt nur mit Schutzmaske. Die Eingangsklappe war hochgeschlagen und Priya sah braune Glieder, Blutdruckmanschetten und Turnschuhe. Eine Krankenschwester kam mit vorgebeugtem Kopf herausgerannt, so als suchte sie einen verlorenen Ohrring. Sie war von Kopf bis Fuß in einen durchsichtigen gelben Plastikumhang gehüllt. Ein Mann in kurzärmeliger Arztbekleidung folgte ihr. Er trug eine Chirurgenkappe, Latexhandschuhe und Schutzbrille. Über die Schultern baumelte ein Stethoskop. Tief durchatmen, sagte er und legte der Schwester eine Hand auf den Rücken.

      Priya versuchte, aus dem Stimmengewirr Tamil herauszuhören, hier und da vielleicht ein Wort aufzufangen. Aber die Akzente waren durchdringend spitz, und sie hatte bei ihren Eltern nur die weichere Version der Sprache gehört.

      Ein Mann im Rollstuhl hielt einen Plastikbeutel fest im Schoß, ein Bein war nur noch ein Stumpf. Hinter ihm eine Frau mit zwei Mädchen an der Hand. Die eine hatte lange Zöpfe, die andere kurzgeschnittenes struppiges Haar, als hätte sie selber Messer angelegt. In der Wolke von Chili-Pulver, Körpergeruch und Urin, die die drei vor sich her schoben, musste Priya den Atem anhalten. Das geschorene Mädchen starrte sie im Vorbeigehen über die Schulter an. Getroffen von der Anklage in ihrem Blick, wäre Priya beinahe nach hinten umgekippt. Da fiel ihr Gigovaz ein, und dem wollte sie nicht in die Arme fallen; sie drehte sich um, aber er war schon weg. Als sie ihn am Eingang eines der größeren Zelte erblickte, drängte sie sich, erleichtert wegzukommen, so schnell es ging durch die Menge.

      Wir СКАЧАТЬ